Liebe Aktivhörer,
Rudolf hat geschrieben:Fortepianus hat geschrieben:Damit kann ich erst mal leben, denke ich. Wobei mir aber ein selbst zusammen gebastelter PC ohne Festplatte und Lüfter mit Herrn Brüggemanns FIR-Filter auf einem USB-Stick nicht so richtig aus dem Kopf will. Das wäre im Grunde der Teil des Audiovolvers, den ich bräuchte. Das Teil ließe sich bei mir digital einschleifen und würde dann für die absolute Zeitrichtigkeit sorgen. Wenn ich nur wüsste, ob das wirklich noch was bringt.
Das wüssten wir doch auch so gerne! Bitte mach dich an dieses Titanenwerk, die analoge Regelung mit der digitalen Steuerung zu verheiraten...
wie schon im
Hörbericht erzählt, ist die Dose nun fertig:
Der Lüfter vorne rechts im Bild ist ausgesteckt, er ist nicht nötig. Links vorne das Schaltnetzteil, das die Spannungen bereitstellt. Eingang ist 12V von einem externen Netzteil, wie man es von Notebooks kennt. Rechts oben im Bild das lüfterlose Motherboard, links oben die Soundkarte (ja, die zwei roten 100nF-Folienkondensatörchen habe ich aufgelötet
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).
Das Kistchen ist recht unscheinbar und kuschelt sich neben den Kopfhörerverstärker (kommt Dir der bekannt vor, Joe?):
Ich habe folgende Komponenten verwendet:
- Gehäuse C158 von Travla mit 60W-Netzteil - das reicht locker für das
- Motherbord Via Epia CN 10000G, das von einem USB-Stick
- DELOCK 54219 mit 2GB gebootet wird und in dem die Soundkarte
- M-Audio Delta2496 Audiophile steckt.
Keine Festplatte, kein Lüfter, kein CD-Laufwerk, nix, was Krach machen könnte. Von dem vollmundigen Namen der Soundkarte sollte man sich nicht blenden lassen, der Analogausgang klingt flau und unpräzise, es sei denn, man macht ein paar kleine Modifikationen
![Razz :P](./images/smilies/icon_razz.gif)
:
http://www.abload.de/img/p1020814ize0.jpg[/img]
Ausgangs-OP getauscht, BurrBrown-Puffer rein, Stromversorgung dafür gepuffert, Ausgangselkos (ohne Vorspannung, da schüttelt's mich) raus geschmissen. Dank guter OPs ist nämlich kein nennenswerter Offset mehr übrig. Damit ist der Klang ok.
Der Weg war steinig. Zusammengeschraubt ist das Zeug ja ruckzuck. Ok, eine mitgelieferte Doku zum Mainboard darf man wohl nicht erwarten, aber irgendwo im Netz findet man dann schließlich, welcher Jumper was bedeutet, wie man ihn setzen muss und welcher Anschluss-Pin für was ist. Hinten einen Bildschirm dran gesteckt und eine USB-Funktastatur, und schon kriegt man Zugang zum Bios. Das ist ja soweit alles einfach zu machen, die Einstell-Arbeit im Bios kennt man ja vom PC. Man muss halt im Wesentlichen dafür sorgen, dass das Kistchen gerne vom USB-Stick booten möchte.
Soweit richtig eingestellt geht das Theater richtig los. Es bootet halt nicht. Ich fasse die Lösung, die mich viele Abende gekostet hat, kurz zusammen:
Nicht jeder Stick geht. Mit der Linuxversion auf Ulis Homepage gehen dann aber nur die Sticks bis 1GB. Kriegt man aber kaum mehr - Uli hat mir eine neue Linux-Version geschickt, die auch mit Clustern >4096 (das war glaube ich das Problem) klar kommt. Dann läuft es aber nur, wenn der Stick nicht mit Windows formatiert wurde, sondern mit einem Tool von HP usw. - jeder, der schon an Rechnern rum gemacht hat, kennt solches Theater. Warum auch immer es dann irgwendwann funktioniert - ich habe aufgegeben, alles verstehen zu wollen.
Wenn die Kiste dann endlich das erste Mal vom Stick bootet, denkst du, jetzt ist es gleich geschafft. Weit gefehlt, man muss nämlich erst mal lernen, mit der Soundkarte zu sprechen. Das hat aber den Vorteil, dass man auf diesem Weg gleich ganz spielerisch mitkriegt, wie so ein Linuxskript auszusehen hat. Ich war jedenfalls dankbar dafür, dass ich vor ca. 20 Jahren mal recht fit in C-Programmierung war, so kam mir das nicht völlig spanisch vor. Natürlich habe ich bewusst eine Soundkarte ausgewählt, für die es einen Linuxtreiber gibt - ALSA-Treiber ICE1712. Aber da ist nix dokumentiert - mit Ulis Hilfe habe ich aber gelernt, wie man Ein- und Ausgänge anspricht, Taktraten und Sync-Arten wählt etc. Vieles muss man einfach ausprobieren, Tongenerator an die Analogeingänge, Sonoswürfel mit Messfiles von der Festplatte an den Digitaleingang, Oszikanäle an die verschiedenen Ausgänge und los geht's. Irgendwann kommt dann zufällig ein Signal raus und man muss sich schnell merken oder aufschreiben, was eingestellt war.
Dann war da noch das Problem mit dem Abspielen und Aufnehmen der Messfiles. Ich habe mir ja erst mal den schon erwähnten Fehlkauf der USB-Soundkarte M-Audio Transit geleistet - das Teilchen ist zwar eigentlich gut, spielt unter Vista aber nur sehr widerwillig (Betatreiber). Terratec Phase26 USB war meine nächste Wahl, war aber gerade überall ausverkauft, so dass ich eine gebrauchte in der Bucht erstanden habe. Die ist zwar mittlerweile da, aber ich brauche sie eigentlich nicht mehr
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, weil Uli eine bestechende Idee hatte (deshalb habe ich mich auch nicht mehr bei Dir gemeldet, Thomas, trotzdem nochmal vielen Dank für das Angebot):
Der Messfile liegt auf dem USB-Stick der FIR-Kiste, und ein speziell gestricktes Mess-Skript spielt die Messtöne direkt vom Stick an die Ausgänge der Soundkarte. An einen Eingang der Soundkarte kommt das Mikro (über einen externen Mikrovorverstärker). Der individuell erstellte Mess-Schrieb meines Mikros wurde zuvor in
Acourate in ein dazu inverses Filter umgerechnet. Mit diesem Filter wird nun das Mikrofonsignal behandelt und anschließend das Ergebnis als File auf den Stick gespielt.
Soweit eine brillante Idee - die FIR-Kiste misst selbst und berücksichtigt nebenbei noch gleich den FG des Mikros. Die Tücke liegt im Detail - es hat Uli und mich ein paar Tage gekostet, bis wir rausfanden, warum es erst mal nicht lief: der Stick ist zu lahm. Deshalb wird jetzt der Mess-Schrieb erst mal in den RAM gespeichert und am Ende der Messung in aller Ruhe auf den Stick geschoben.
So, und wenn man jetzt noch gelernt hat, wie man unter Linux verschiedene Konsolen umschaltet und sich online ansehen kann, welche Auslastung das System gerade hat, kann man anfangen, mit den Faltungsparametern für bruteFIR zu spielen. bruteFIR ist eine recht zügig arbeitende Faltungssoftware, von der es von Uli eine noch schnellere arbeitende Variante gibt. Falten ist die Hauptaufgabe der Kiste. Faltung (=convolution) ist der Vorgang, den ich
hier mal versucht habe, anschaulich näher zu bringen.
Betrachtet man das Wiedergabesystem als Black Box, weiß man nach der Messung, welches Signal raus kommt. Und was man rein geschickt hat, weiß man schließlich sowieso. Hat man Eingangs- und zugehöriges Ausgangssignal eines Systems, hat man alle seine Übertragungseigenschaften. Man kann dann in
Acourate die Impuls- und die Sprungantwort sowie den Frequenz- und Phasengang berechnen und sich die Verzerrungen ansehen.
Die so gewonnene Übertragungsfunktion wird nun in
Acourate im ersten Schritt in einem trickreichen Algorithmus, der psychoakustische Phänomene ebenso berücksichtigt wie ein frequenzvariables Zeitfenster, in einen geglätteten FG umgerechnet (ein ungefilterter FG ist immer ein wildes Gezappel). Im zweiten Schritt wird eine Zielkurve erstellt, im dritten die inverse Übertragungsfunktion gerechnet und schließlich werden im vierten Schritt dann die Filter erzeugt. Drauf auf den Stick und hören.
Bei jedem der obigen Schritte kann man aber diverse Parameter einstellen - wer Freude am Experimentieren hat, kommt voll auf seine Kosten. Wer sagt, ist mir alles egal, ich will guten Klang und fertig, kauft sich so eine Büchse besser fertig aufgebaut samt Einmess-Service.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist, dass das Rechnerlein erst mal eine Minute booten muss, bevor Musik spielt. Uli meinte, mit einer fest eingebauten Speicherkarte und hier und dort noch ein paar Verbesserungen in den Configs liese sich die Zeit deutlich reduzieren. Schlimm finde ich's nicht, aber vielleicht mach' ich das noch. Die Zeit kann man ja auch sinnvoll z. B. mit dem Öffnen einer Rotweinflasche zubringen.
Viele Grüße
Gert