Audiovolver von Audiodata/Definiteaudio

JOE
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Beitrag von JOE »

So weit ich weiss, ist die Bass-Technik der teilaktiven Avancé von B&M ...

Gruß
Joe
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Franz
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Beitrag von Franz »

Heute war der Tag der Wahrheit :mrgreen: . Ich hatte Herrn Schippers von audiodata hier bei mir zu Besuch. Im Gepäck der audiovolver 2 nebst einem Proceed-Laufwerk, da meine Laufwerks-Wandler-Kombination auf Grund einer Modifikation kein digitales Ausgangssignal in Form von SPDIF bereitstellen kann, ich somit auf ein anderes Laufwerk angewiesen war, dessen digitales Ausgangssignal der audiovolver abgreifen konnte, damit er seine Arbeit machen kann.

Nachdem sich Herr Schippers - Axel war netterweise auch noch kurzfristig hinzugekommen :cheers: - einen kurzen hörmäßigen Eindruck von der Anlage im Raum machen konnte, ging es an's Eingemachte, sprich es wurden Messungen gemacht. Die wichtigsten Messungen werde ich, sobald ich über sie so verfüge, daß ich sie hier zeigen kann - nachreichen. Was brachten die Messungen nun zutage? Als Erstes läßt sich sagen, daß mein Kellerraum im Gesamten wohl als "audiophil geeignet" gelten darf. Die Nachhallzeit bewegt sich im Mittel-Hochtonbereich sehr gleichmäßig bei 0,2 s, während sie im Bassbereich zwischen 0,4 - 1 s ungleichmäßig schwankt, geprägt von typischen Welligkeiten mit Überhöhungen bzw. Auslöschungen. Im Höreindruck stellte sich heraus, daß einige Frequenzbereiche etwas vorlaut (Präsenzbereich), andere (Grundton + Bassbereich) etwas schlank klangen. Im Frequenzgangschrieb kann man das schön erkennen. Als nächstes wurde die Sprungantwort ermittelt. Hier zeigte sich im Diagramm, daß von einer zeitrichtigen Wiedergabe der Silbersand FM 501 keine Rede sein konnte. Auf dem Diagramm sah das richtig schlimm aus, wie ein rollender Stolperstein.

Was wurde nun gemacht? Nun, als erstes wurden die "Löcher" im Grundton- und Bassbereich aufgefüllt und im Hochtonbereich ab 15 kHz der Abfall nach oben verschoben, weil der doch schon als extrem "trockene" Raum dies als vorteilhaft erwarten ließ. Anschließend hat Herr Schippers die hörphysiologische Zielkurve erstellt und auf einem USB-Stick abgelegt. Damit wurde der audiovolver dann eingespeist, und es konnte nun mittels eines Bypass-Schalter mit der Zielkurve gehört werden im Vergleich mittels direkten Umschaltens auf die Original-Silbersand FM 501.

Was hat sich nun getan? Ich mach es kurz und schmerzlos: Es war für alle ein geradezu dramatischer Unterschied. Worin lagen die Unterschiede:
- der sonst eher schlanke Grundtoncharakter gewann an Volumen, Fülle und Körper
- der Bass kam mit mehr Druck, Kontur und punch
- die Stimmverständlichkeit wurde gesteigert, Stimmen gewannen an Ausdruck, Körper, Natürlichkeit, Instrumente an Korpus und Volumen, der Raum um die Instrumente herum wurde als größer empfunden
- die räumliche Abbildung gewann an Dreidimensionalität und Tiefe

Wir haben einige uns bekannte Aufnahmen gehört, dabei immer wieder hin- und hergeschaltet. Wenn ich ehrlich bin, muß ich jetzt sagen: Wie konnte ich mit dem bisher Gehörten nur so zufrieden sein? Der Unterschied war beim Umschalten auf den audiovolver 2 derart groß, daß ich völlig geplättet war. Mit so einem drastischen Ergebnis hatte ich - auch nach den Erfahrungen bei Bert - nie und nimmer gerechnet. Am Raum lag es dabei nicht, daß die Unterschiede so gewaltig ausfielen. Es waren die Lautsprecher, meine so geliebten Silbersand FM 501, die nun den Unterschied machten. So habe ich die bisher noch nicht zu hören bekommen. Ich wußte im ersten Moment nicht, ob ich mich ob des Ergebnisses nun freuen oder grämen sollte. Fest stand aber nach dieser Hörprobe mit dem audiovolver 2 - dessen Zielkurve immer noch ein erster grober Versuch ist, die Feinheiten werden von Herrn Schippers noch vorgenommen, wobei sich tonal aber nicht mehr viel ändern wird, Feinschliff eben - daß ich ohne dieses Gerät in meiner Kette nicht mehr Musik hören will. Das Umschalten auf die Originalversion war fast als schmerzhaft zu bezeichnen. Ich schreibe dies deshalb in aller Offenheit und Deutlichkeit, weil ich mir und euch nichts vormachen will. Ich sag's nicht gerne, weil's so platt klingt, aber was das Teil bei mir machte, war schlicht der Hammer.

Es kam also letztlich, was leider kommen mußte - hätte mir das gern ersparen wollen, aber es mußte sein :oops: - ich habe den audiovolver 2 gekauft und möchte das Teil und die Art und Weise, wie sie nun Musik in meinem Raum zur Entfaltung bringt, nicht mehr missen. Wieder eine lehrreiche Erfahrung gewonnen und einige Scheine weniger in der Kasse. Manchmal könnt ich mein Hobby verfluchen, aber wenige Sekunden später erfreue ich mich aber wieder über den empfundenen und erlebbaren Zugewinn an Musikgenuss.

Z.Zt. höre ich mit einem Aldi-DVD für 80 € - und das ist mit dem audiovolver besser als mit meinen hochgezüchteten Altgeräten. Irgendwie frustrierend, zeigt aber auch, wie sehr der audiovolver und die von ihm gemachte Wandlung deen Klang prägt. Ich suche nun nach einem geeigneten CD-Laufwerk, muß nicht teuer sein, Hauptsache stabil, den Rest übernimmt der audiovolver.

Ein für mich aufregender und sehr interessanter Tag geht zu Ende. Ihr seht mich etwas fassungslos, dennoch freudig erregt. Das alles hab ich so nicht erwartet.

Bitte habt etwas Geduld mit den Messungen. Sie kommen noch, versprochen.

Allen, die eine Silbersand oder Backes haben, kann ich nur empfehlen: Macht einmal den Lackmustest, inwieweit eure speaker zeitrichtig spielen. Wundern und Staunen wird die Folge sein.

Ich hoffe, niemanden gelangweilt zu haben. Technische Beschreibungen sind mein Ding nicht, verstehe wenig davon, habe nur intensiv zugehört. Ich hoffe, einige können aus meinen Schilderungen etwas Brauchbares entnehmen.

Gruß
Franz
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JOE
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Beitrag von JOE »

Franz hat geschrieben:Ich mach es kurz und schmerzlos: Es war für alle ein geradezu dramatischer Unterschied. (...)

... muß ich jetzt sagen: Wie konnte ich mit dem bisher Gehörten nur so zufrieden sein? Der Unterschied war beim Umschalten auf den audiovolver 2 derart groß, daß ich völlig geplättet war. (...) Fest stand aber nach dieser Hörprobe mit dem audiovolver 2 (...) daß ich ohne dieses Gerät in meiner kette nicht mehr Musik hören will. Das Umschalten auf die Originalversion war fast als schmerzhaft zu bezeichnen.
Erst mal: Danke, Franz, für den so offenen Bericht! Ich glaube, ich kann Dich gut verstehen; denn mir ging es seinerzeit mit meinem AKG Audiosphere BAP 1000 exakt auch so. Die Folgen waren ebenfalls die gleichen: nur dass es damals etliche tausend Märker waren und nicht Euronen.

Aber Du hast völlig recht. In einer solchen Situation gibt es kein Zurück! Sogar der Versuch des beschönigenden Selbstbetrugs würde wohl scheitern.

Also Kopf hoch - und ab jetzt auf noch höherem Niveau gehört und genossen ...!

Gruß
Joe


PS: Jetzt sind wohl wir anderen dran!
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Franz,

erstmal danke für den mitreissenden Bericht; ich wünschte ich hätte dabei sein können! Denn so ein Schlüsselerlebnis hat man wohl nicht oft auf dem schon hohen Niveau Deiner Anlage.

Ob des Effektes (Dein Impulskauf :mrgreen: ) weis ich nicht recht ob ich Dich nun bedauern oder beglückwünschen soll... :wink:

Viel Spass mit der ohrenöffnenden Neuanschaffung (wenn sie dann endlich da ist...). :cheers:

Bei mir steht in Kürze etwas näherungsweise vergleichbares mit dem DEQX an (ja, endlich bin ich so weit... :oops: ), wo (mit etwas älterer Technik) Frequenz/Phasenoptimierung mit digitaler Frequenzweiche und Raumanpassung kombiniert ist. Darüber berichte ich dann auch.

Übrigens (an die Allgemeinheit): Nach meinem Dafürhalten relativiert ein Erlebnis, wie es Franz beschreibt (vor dem Hintergrund seiner früheren Berichte, die vorher schon von höchster Qualität seiner Anlage / Raum Kombination zeugten), die Investitionen hoher Summen in kleine und nur in Nuancen feststellbare Verbesserungen!

Gruss,
Winfried
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Franz,

vielen Dank für diesen Bericht! Das war wohl ein ziemliches Aha-Erlebnis. Deine Spontanität finde ich klasse, dass Du das Ding einfach gleich mal genommen hast, da Herr Schippers nun schon mal da war.

Dass ein auf Zielkurve gebrachter Frequenzgang und eine Phasenkorrektur eine massive Verbesserung bewirken können, ist damit wohl klar. Zu Deiner Bemerkung der nicht vorhandenen Zeitrichtigkeit Deiner Silbersand: Die Sprungantwort wird in aufeinanderfolgende Antworten der einzelnen Wege aufgespalten, da sie nicht mit absoluter Zeitrichtigkeit am Hörplatz ankommen. Das hast Du ja gesehen. Und dazu schreib' ich nachher noch was. Aber meine Vermutung war eben, dass das gar nicht wichtig ist, sondern die Phasenbezüge der einzelnen Wege zueinander. Deshalb war ja meine These, dass der Haupteffekt an Deinen Lautsprechern von der Frequenzgangkorrektur kommt. Was nun welchen Anteil am Ergebnis hat, wissen wir immer noch nicht, habe aber Verständnis dafür, wenn Dir das im Moment wurscht ist.

Wenn Du ja jetzt wieder einen S/PDIF-Eingang hast: Wär' das nicht der richtige Zeitpunkt, auch noch gleich auf Netzwerkwiedergabe umzusteigen? Jetzt, da ja eh kein Stein mehr auf dem anderen steht? :mrgreen:

Viele Grüße
Gert
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Meine Herren,

ich will versuchen, den Sachverhalt mit der Sprungantwort zu erklären. Joe, Du hast es so gewollt. Beschwer' Dich also bitte nicht, wenn ich jetzt ein bisschen aushole.

Nehmen wir doch mal an, wir hätten eine kleine Schaltung gebaut, die nur aus einem Widerstand und einem Kondensator bestünde. Ja ja, werden die meisten und speziell Sigi sagen, das ist, je nachdem, wie ich die zwei Bauteile zusammen löte, ein Hoch- oder ein Tiefpass erster Ordnung, mit 6dB/Okt. Flankensteilheit. Die Lötarbeiten übernimmt ein ausgewiesener Experte, sagen wir Kai.

Nun legen wir irgendein elektrisches Signal an den Eingang, z. B. das Musiksignal, das aus sagen wir Sigis Netzwerk-Player kommt. Das ist nun aber kein reines Sinussignal bei genau einer Frequenz, sondern da singt gerade Cecilia Bartoli, ein Cembalo untermalt dezent ihre Stimme und ein paar Streicher dürfen auch noch mit machen. Schaut man sich den Zeitverlauf dieser Spannung an, z. B. mit einem Oszilloskop, ist das ein wildes Gezappel, das mit der Schönheit von Frau Bartolis Stimme nicht viel gemein hat.

Jetzt will Sigi wissen, wie das Signal nach unserer Schaltung aussieht. Rechne es doch aus, sagt Joe. Und merkt plötzlich, dass das mit der normalen Schulmathe gar nicht so einfach geht. Warum? Er, ein Messtechnikfuchs, der er nun mal ist, hat es gemeinsam mit den Herren Kai und Sigi geschafft, den Zeitverlauf von sagen wir 10 Sekunden des Musiksignals auf einem Speicheroszilloskop festzuhalten. Das wurde übrigens eigens dafür angeschafft - Wissen kostet Geld. Dann wurde in einem alten Vorlesungsskript von Sigi geblättert und dort möglicherweise gefunden, wie man die Übertragungsfunktion unserer Schaltung ausrechnen kann. Übertragungsfunktion heißt, vereinfacht gesprochen, bei welcher Frequenz die Schaltung wieviel durchlässt. Man hat also die Dämpfung unseres RC-Spannungsteilers als Funktion der Frequenz. Was macht nun diese Funktion mit Frau Bartolis Stimme? Gut, multiplizieren wir doch einfach das Musiksignal mit der Übertragungsfunktion. Und das klappt irgendwie nicht :( . Das Musiksignal, Joes teure 10 gespeicherte Sekunden, liegt als Funktion der Zeit vor. Die Übertragungsfunktion der Schaltung als Funktion der Frequenz.

Mit der Lösung dieser einfachen Problemstellung wird nun jeder Elektrotechnik-Student in den ersten vier Semestern gequält, bis ihm die dazu nötige Laplace-Transformation zu den Ohren raus kommt. Man muss das Eingangssignal, hier den Spannungsverlauf des Musiksignals, vom Zeit- in den Frequenzbereich transformieren. Oder anschaulicher gesagt: Das Spektrum des Signals berechnen, den Frequenzgang also. Und den Phasengang kriegt man auch noch gleich dazu bei der Laplace-Transformation - es ist die allgemeinere Form der Fourier-Transformation, deren Name manch einer vielleicht schon im Zusammenhang mit Frequenzgangmessungen am Rechner gehört hat. Das Ergebnis ist also eine Funktion, die Frequenz- und Phasengang beinhaltet. Das ist also eine Funktion, die nicht nur die Amplitude, also Signalhöhe in Abhängigkeit der Frequenz beinhaltet, sondern auch die Phase - so was stellt ein Elektrotechniker in einer komplexen Funktion dar. Die komplexen Zahlen sind die reellen Zahlen um eine weitere Dimension erweitert - die zweite Dimension hat die Einheit i, das ist Wurzel aus minus 1. In Richtung der reellen Zahlen ist die Phasenverschiebung Null, in Richtung i ist sie 90 Grad. Zu Wurzel aus -1 sagen übrigens nur die Mathematiker i, die E-Techniker sagen dazu j, meinen aber dasselbe. Das Ergebnis der Laplace-Transformation ist also eine Funktion mit Real- und Imaginärteil als Funktion der Frequenz. So, jetzt vergesst das mit den komplexen Zahlen schnell wieder.

Wir haben nun also, dank Laplace-Transformation, den Gesang Cecilias in eine noch einmal andere Höhe erhoben, als er sowieso schon ist. Jetzt liegt er als Funktion der Frequenz vor - und Joe kann die Übertragungsfunktion der RC-Schaltung (ebenfalls eine komplexe Funktion übrigens) spielend mit der Laplace-Transformierten von Frau Bartolis himmlischem Gesang multiplizieren.

Das Ergebnis ist nun aber nach wie vor eine komplexe Funktion im Frequenzbereich. Eigentlich wollte Sigi ja wissen, wie das Signal hinter Kais Schaltung aussieht, also welchen Zeitverlauf es hat. Na dann, also rückwärts das ganze Spiel - vom komplexen Frequenzbereich in den Zeitbereich kommt man, wer hätt's gedacht, mit der Laplace-Rücktransformation. Joe präsentiert stolz das Ergebnis, und Sigi sagt: Das ist ja wieder irgend so ein Gezappel wie vor der Schaltung, was habe ich da jetzt davon? Außerdem, toll Joe, dass Du das jetzt rechnen kannst, aber warum haben wir eigentlich nicht gleich das Oszilloskop hinter die Schaltung geklemmt und das gewünschte Ergebnis einfach gemessen?

Nun, angenommen, die Schaltung, die wir untersuchen wollen, sei nicht Kais Schaltung in exzellenter technischer Ausführung, sondern eine geringfügig kompliziertere Angelegenheit, wie z. B. die neue Frequenzweiche von einem etwas schludrigen Lötfreek, nennen wir ihn Gert. Gert kann nun gar nicht rechnen, sondern hat einfach ein paar Bauteile zusammen gepfriemelt und behauptet, das sei das Beste, was es gibt. Und weil er das für so super hält, hat er Uhu-Plus über das Kunstwerk gekippt, damit ihm das auch ja keiner nachbauen kann. Oder gar, nachdem jemand die Schaltung abgemalt hat, die Übertragungsfunktion ausrechnen kann.

Na, das wollen wir doch sehen, sagt Joe, messen wir doch einfach mal, welche Übertragungsfunktion das angebliche Sahneteilchen hat. Welches Signal muss man dazu vorne rein schicken, fragt Sigi.

Sigi, jetzt musst Du ganz tapfer sein. Jetzt kommt nämlich Deine persönliche Lieblingsfunktion, wie wir weiter oben schon erfahren durften. Die Deltafunktion von Paul Dirac :cheers:. Mathe ist immer irgendwie theoretisch, deshalb ist die auch Diracstoß genannte Deltafunktion theoretisch ein unendlich kurzer Impuls mit einer theoretisch unendlich großen Signalhöhe. Und das unendlich Große gleicht das unendlich Kurze gerade so aus, dass die Fläche, also das Integral, gerade 1 wird. Nicht besonders anschaulich, zugegeben. Aber die Deltafunktion wäre genau das, was man da vorne reinschicken müsste. Weil die Laplace-Transformierte der Deltafunktion gerade 1 ist! Das, was dann hinter Gerts Uhu-Plus-Klumpen raus kommt, wenn man einen Diracstoß rein schickt, ist dann die Impulsantwort. Deren Laplace-Transformierte genau die Übertragungsfunktion ist, die Gert unter Kunstharz verstecken wollte!

So ein Diracimpuls ist nicht besonders handlich. Gut, Kai lötet zwar schnell mal was zusammen und kriegt einen Impuls mit nur 1ns Dauer hin. Das ist schon recht kurz. Damit aber das Integral 1 gibt, bräuchte man dafür eine Signalhöhe von 1 Gigavolt. Ein Blitz, bevor er sich entlädt, kriegt ein paar Megavolt zusammen, nur so als Vergleich, das ist lächerlich dagegen. Bei 1 Gigavolt wird sich Gerts Schaltung in einem Plasma ähnlich demjenigen im Innern der Sonne verflüchtigen, ohne ihr Geheimnis gelüftet zu haben.

Wie praktisch, dass das auch anders geht. Das Integral der Deltafunktion ist die von Joe schon zitierte Sprungfunktion von Heaviside. Wie schon gesagt, das Intergral der Deltafunktion ist ja 1. Aber erst, nachdem der Impuls stattgefunden hat, nach seinem Ereigniszeitpunkt. Und das Integral springt genau zu diesem Zeitpunkt von Null auf Eins. Das ist elektrisch nun viel einfacher zu machen als der unendliche kurze, aber unendlich hohe Impuls. Einfach einen Schalter umlegen, schon hat man eine Sprungfunktion. Dafür ist das Ergebnis nicht die Impulsantwort, sondern die Sprungantwort. Aus der sich aber ebenso die Übertragungsfunktion berechnen lässt, wenn man ein bisschen Differenzialrechnung gelernt hat. Und so kommen Kai, Sigi und Joe doch noch dem angeblichen Geheimnis von Gerts zusammen gebackener Lochrasterplatine auf die Spur. BTW: Die Mühe hätten sie sich auch sparen können, denn Gert wird seine neue, inzwischen übrigens zu seiner vollen Zufriedenheit spielende Subtraktionsweiche eh demnächst hier irgendwo vorstellen.

So, damit dürfte klar sein (oder auch nicht): Sowohl die Impuls- als auch die Sprungantwort beschreibt das Verhalten der Schaltung vollständig. Nicht nur der Schaltung unseres Beispiels, sondern auch eines kompletten Übertragungskanals, egal, wie kompliziert er ist. Was man doch möchte, ist: Den Spannungsverlauf des Musiksignals in einen Schalldruckverlauf am Hörplatz umsetzen. Also die Übertragungsfunktion 1, eine 1 für alle Frequenzen. Vergessen wir mal, dass es einmal um Spannung und einmal um Schalldruck geht, dazwischen liegt nur eine Umrechnungskonstante, die am Prinzip nichts ändert. Hat man die Sprungantwort am Hörplatz, kennt man die komplette Übertragungsfunktion des Lautsprechers und dessen, was sonst noch alles im Signalweg war. Und kann natürlich auch ausrechnen, welche (inverse) Übertragungsfunktion notwendig wäre, um die gewünschte Übertragungsfunktion 1 zu bekommen. Übrigens: Die zeitdiskreten Koeffizienten eines FIR-Filters, das sowas im digitalen Bereich bewerkstelligen kann, stellen genau die Impulsantwort dieser inversen Übertragungsfunktion zu den Abtastzeitpunkten dar.

Zur Ursprungsfrage zurück, nämlich "was heißt Korrektur der Sprungantwort". Wenn ein Lautsprecher einen super linearen Frequenzgang am Hörplatz hat, also alle Frequenzen genau mit gleicher Amplitude ankommen, heißt das noch lange nicht, das der Sprung des Testsignals (Heavisides h(t)-Sprung) genau so als Schalldruck am Hörplatz ankommt. Wenn nämlich die einzelnen Wege des Lautsprechers unterschiedlich lange brauchen, um die ihnen zugewiesenen Frequenzanteile der Sprungfunktion, die theoretisch alle denkbaren Frequenzen beinhaltet, auszusenden, kommen diese Frequenzanteile auch zu unterschiedlichen Zeiten am Hörplatz an. Mit Korrektur der Sprungantwort ist also die Herstellung der Zeitrichtigkeit gemeint, so dass alle Frequenzanteile sich wieder zur ursprünglichen Sprungfunktion vereinen.

Dem sind natürliche Grenzen gesetzt. Nur mal so als Beispiel: Der Schalldruck eines idealen Kolbenstrahlers, dem ein Konuslautsprecher recht nahe kommt, ist proportional zur Beschleunigung seiner Membran. Wenn man also die "1" der Sprungfunktion im Spannungssignal in eine "1" im Schalldrucksignal umsetzen will, muss die Membran eine konstante Beschleunigung erfahren. Dazu muss ihre Geschwindigkeit linear immer weiter zunehmen, und man hätte sie schneller im Gesicht, als einem lieb wäre. Konstruktiv bedingt ist nach ein oder zwei Zentimetern Weg aber Schluss mit der Beschleunigung.

Deshalb ist in der Realität die Sprungantwort eines Lautsprechers, selbst wenn er exakt zeitrichtig arbeitet, ein steiler Sprung nach oben, dessen Steilheit von der höchsten Frequenz abhängt, die der Lautsprecher in der Lage ist wiederzugeben. Und direkt nach diesem Sprung nach oben klingt der Schalldruck langsam wieder ab, bis er schließlich wieder Null ist. Je tiefer die niedrigste Frequenz ist, die der Lautsprecher wiedergeben kann, desto langsamer.

Gruß Gert
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Lieber Franz,

besten Dank für diesen spannenden Bericht und sein hochinteressantes Ergebnis. Ich weiß, dass Du bei der Fortentwicklung deiner Anlage normalerweise einige Zeit mit der zu testenden Komponente verbringst, bevor du die GO/NOGO Entscheidung triffst. Beim Audiovolver 2 hast du nun sofort zugeschlagen, obwohl er dir deine bewährten CD-Kombi "wegnimmt"...RESPEKT !!

Ich habe ja nach dem Einsatz meines Audyssey-Systems auch nicht schlecht gestaunt, was eine digitale RK alles bewirken kann, der Audiovolver scheint hier aber noch "eins draufzusetzen". Bin schon auf die Messkurven gespannt und was man daraus ablesen wird können.

Ich wünsche dir ganz viel Spass und Freude beim Hören mit den neuen Geräten :cheers: ...und halte uns auf dem Laufenden.


Gruss Sigi

ps. Die Entscheidung hat nur einen "kleinen" Nachteil, der Weg zur FM 701 wird ein Stück steiniger...oder ?? :| :mrgreen:
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Zeno Cosini
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Beitrag von Zeno Cosini »

So, dann will ich auch mal meinen Senf dazugeben, nachdem ich mich von der anstrengenden Hörszession bei Franz etwas erholt habe:

Ich hätte am liebsten das zweite Exemplar des Audiovolvers, den Herr Schippers im Gepäck hatte, gleich auch gekauft - nur ach: Ich hatt' grad nicht genug Bargeld bei mir.

Es ist ein Drama!!! Wie soll ich jetzt noch zufrieden der Musik über meine Anlage lauschen?!? Dieser Audiovolver ist bei weitem die audiophil gefährlichste Droge auf dem Markt; er macht schlagartig abhängig. Das sage ich bewusst, obwohl ich vor zehn Tagen eine andere und gegenläufige Erfahrung bei Bert machen konnte. (Aber das hatte andere Gründe!)

Der Audiovolver ist genau das Richtige für Franzens Anlage, denn ohne ihn klingt sie doch recht quäkig. (Franz, verzeih' mir diesen drastischen Vergleich, aber ich nehme an, Du weißt, wie ich's meine.) Und wenn ich schon mal dabei bin, in Wunden zu wühlen, muss ich hier und jetzt die Frage stellen: Franz, brauchst Du in Zukunft noch Deinen Bongiorno-VV?

:cheers: ...

ein um Nachsicht bittender und verwirrt-enthusiasmierter
Axel
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Gert,

vielen Dank für Dein wunderbar in eine nette Geschichte verpacktes Tutorium über ein extrem komplexes Thema!

Ich habe einiges gelernt, vieles wieder erinnert und noch mehr herzlich über die kurzweilige Präsentation gelacht!

Gruss,
Winfried
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Lieber Gert,

besten Dank für diesen Kurzlehrgang zum Thema Sprungantwort, Impulsantwort und Übertragungsfunktion, jetzt verstehe ich diese Zusammenhänge recht gut. Nie hätte ich gedacht, dass mir die Deltafunktion mal im Zusammenhang mit HIFI begegnen würde.

Absolut klasse Darstellung, Gert. :cheers:

Und im letzten Absatz zeigst du überaus anschaulich, was passiert, wenn vom Idealmodell in der Realität abgewichen würde:
Fortepianus hat geschrieben:Dem sind natürliche Grenzen gesetzt. Nur mal so als Beispiel: Der Schalldruck eines idealen Kolbenstrahlers, dem ein Konuslautsprecher recht nahe kommt, ist proportional zur Beschleunigung seiner Membran. Wenn man also die "1" der Sprungfunktion im Spannungssignal in eine "1" im Schalldrucksignal umsetzen will, muss die Membran eine konstante Beschleunigung erfahren. Dazu muss ihre Geschwindigkeit linear immer weiter zunehmen, und man hätte sie schneller im Gesicht, als einem lieb wäre. Konstruktiv bedingt ist nach ein oder zwei Zentimetern Weg aber Schluss mit der Beschleunigung.

Deshalb ist in der Realität die Sprungantwort eines Lautsprechers, selbst wenn er exakt zeitrichtig arbeitet, ein steiler Sprung nach oben, dessen Steilheit von der höchsten Frequenz abhängt, die der Lautsprecher in der Lage ist wiederzugeben. Und direkt nach diesem Sprung nach oben klingt der Schalldruck langsam wieder ab, bis er schließlich wieder Null ist. Je tiefer die niedrigste Frequenz ist, die der Lautsprecher wiedergeben kann, desto langsamer.
Der Stil deiner Ausführungen erinnerte mich sehr an einen Vortrag Anton Zeilingers, wie er uns letztes Jahr erkärte, wie in Zukunft besonders kritische Finanztransaktionen absolut sicher von Bank zu Bank mit den Möglichkeiten der Quantenkryptografie und Quantenteleportation erzielt werden können, wir waren total überrascht, dass wir seinen Ausführungen folgen konnten.

Gruss Sigi
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Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Sigi,

um ehrlich zu sein, hat mir irgendwie das Herz geblutet. Da steckt man viel Herzblut, Zeit und Geld in seine CD-Abspielmaschine, glaubt sich am Ziel seiner Vorstellungen - und dann kommt so ein unscheinbares Kästchen daher, man schließt einen Aldi DVD-player für 80 E dran an und hört vom ersten Ton an, daß seine geliebte CD-Mschine mit allem Drum und Dran keine wirkliche Chance hat. Einerseits frustrierend, andererseits aber auch die Erkenntnis, daß man sich doch sehr an etwas gewöhnen kann und daß vieles überbewertet wurde, was man vorher für wichtig gehalten hat. Tut also auch mal ganz gut, gezeigt und vor Ohren bekommen zu haben, was wirklich von signifikantem Einfluss ist. Für mich auch irgendwie eine Lehrstunde.

Zum Netzwerkplayer: Das ist sicherlich die Zukunft, will da aber noch nicht mit. Erst mal das in Ruhe hören an Quellen, die ich habe. CD + Platte soll erst mal reichen.
Kienberg hat geschrieben:Die Entscheidung hat nur einen "kleinen" Nachteil, der Weg zur FM 701 wird ein Stück steiniger...oder ??
Ich würde sagen: Der Weg wird noch steiler. Casablanca, du verstehst? :mrgreen: :cheers:

Gruß
Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Axel,

nein, bin dir keineswegs gram wegen der "Quäkigkeit". Das war ja auch so, wenn wir zurückgeschaltet haben. Das kann doch jeder hören, ich habe es ja auch so empfunden. Das ist echt unglaublich, was sich da getan hat.

Und ja, den audiovolver könnte man auch direkt an die Endstufe anbinden, werde ich auch mal ausprobieren. Aber der Bongiorno bleibt noch hier, da hängt mein Herz dran. Bitte nicht alle Weltbilder auf einmal einreißen, hab ein wenig Mitgefühl mit mir. Die Lautstärkeregelung hat ja auch was. :mrgreen: :cheers:

Wart mal ab, was dir blüht, wenn du den audiovolver bei dir drin hast. Da komm ich glatt vorbei. Das Gesicht will ich nochmal sehen.

Gruß
Franz
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Franz,

erstmal "Hut ab" vor Deiner Offenheit über Dein Erlebnis! Hört sich an wie ein mittleres Erdbeben, wenn bei Dir der geliebte/gelobte Bongiorno schon fast zur Disposition steht... :shock:

Interessant finde ich übrigens, und da wirst Du sicher zustimmen, die Diskussionen über FIR Filter und Ihre ach so schlimmen prinzipiellen Nachteile gegenüber IIR und Analog, sind plötzlich, einfach durch Hören und Vergleichen, wie zerstoben!

Dabei fällt mir ein: Ihr scheint nur CD gehört zu haben... Oder wie war der Eindruck mit LP oder Tonband? Ich frage wegen der dann ja nötigen AD und wieder DA Wandlung der "schönen" Analogsignale, was ja Nachteile einbrigen könnte!

Gruss,
Winfried
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gto
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Beitrag von gto »

Respekt, Franz. Schön, wenn alte Weltbilder zugunsten der Wiedergabequalität stürzen dürfen. :cheers:

Hoffe für dich, dass sich der erste Eindruck festigt und sich dadurch die 701-Begehrlichkeiten leichter ertragen lassen. :cheers:

Kommt ja doch ab und an was rum beim Messen. :lol:

Grüsse Gerd
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Franz
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Beitrag von Franz »

wgh52 hat geschrieben: Dabei fällt mir ein: Ihr scheint nur CD gehört zu haben... Oder wie war der Eindruck mit LP oder Tonband? Ich frage wegen der dann ja nötigen AD und wieder DA Wandlung der "schönen" Analogsignale, was ja Nachteile einbrigen könnte!
Ja Winfried, wir haben nur CD gehört. Für die Plattenwiedergabe wird es früher oder später wohl eine separate Phono-Vorstufe geben müssen, da ich nicht sicher weiß, ob ich via einer tape-Schleife den audiovolver damit verbinden kann. Muß ich noch eruieren. :o Die dazu nötige AD-DA-Wandlung ist natürlich mit Verlusten behaftet, aber mir wurde versichert, der Zugewinn durch den audiovolver sei dennoch dann beträchtlich. Naja, mal wieder dann hören. :mrgreen:

@ Gerd:
Ich bin halt Klangfetischist. Da muß dann halt auch ein "Weltbild" - so man es nennen mag - zurückstehen. Wenn´s mir nachher besser gefällt, soll´s mir Recht sein. Und gegen Messungen war ich nie, hab ja früher schon messen lassen, die sich ja auch bestätigt haben.

@ Gert:
Meinen vollsten Respekt für deine Ausführungen. Sowas Unterhaltsames und Lehrreiches findet man selten im net. Hab vielen Dank dafür.

Sobald ich meine Messungen hier als pdf-file vorliegen habe, werde ich die hier einstellen und wäre dir sehr dankbar, wenn du sie uns erläutern könntest. Ich hab an der Stelle Herrn Schippers interessanten Ausführungen zwar geduldig zugehört, kann sie euch aber nicht weiter vermitteln. Dazu fehlt mir einfach das Wissen um die korrekte Darstellung und Formulierung. Das können hier einige versierte Techniker viel besser. Ich kann nur sinngemäß wiederholen: Die Sprungantwort auf dem Messchrieb sah alles andere als perfekt aus. Aber das wirst du sehen und analysieren können.

Gruß
Franz
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