Eusebius hat geschrieben:Ich kenne aber auch niemanden, der seine 901k (plus Basis 14k) so penibel eingemessen, justiert und mit dem Raum "verheiratet" hat, wie ich das über die Jahre getan habe. Das geht weit über die fünf Ortsanpassungsfilter hinaus.
Hallo Rainer,
Hans-Martin hat geschrieben:So, wie es eine selektive Wahrnehmung gibt, gibt es wohl auch eine selektive Penibilität
damit meinte ich, dass man nicht an allen Baustellen zugleich tätig sein wird, sondern sich der dringlichsten und offensichtlichsten Probleme annimmt. Dabei vertieft man sich in die Problematik, wird zum Experten, sensibilisiert durch intensive Beschäftigung mit einem Teilbereich. Denkbar ist, dass man die Abstände zu anderen ebenfalls hörbaren (D)efekten anders gewichtet. Wohlwissend um die eingesetzte Penibilität und die darauf einsetzende Entspannung, kommt eine Phase der Zufriedenheit, bis die eigene Penibilität die nächste Baustelle erkennt. Ich gehe davon aus, dass wer sich einmal als penibel geoutet hat, es auch bleibt.
Eusebius hat geschrieben:Nachtrag zur Polarität:
Mit der Verpolung von Einzelchassis liegt der Hörer immer zumindest halb richtig - auch dann, wenn schon die Aufnahme invertiert ist, was ja nicht selten vorkommt. Was machen dann Hörer gleichgepolter Chassis? Nur noch Geräte mit Phasenumkehrschalter benutzen? Mühsam die "falsche" Aufnahme wieder umpolen? Kabel umlöten? Die Phasenlage einer Aufnahme muss aber zunächst einmal bekannt sein, was bei so geringen Klangunterschieden nicht leicht herauszufinden sein dürfte. Da bin ich eigentlich ganz froh, dass ich das nicht höre.
Da dein jetziger VV die meisten Aufnahmen deines bevorzugten Musikgenres kompensiert, und der Tiefton der 901 korrekt gepolt ist, besteht bei dir wenig Handlungsbedarf, diesbezüglich etwas zu ändern, um nicht zu sagen, die 901 unterstützen nach meinem Eindruck diesen (Polaritäts-)Aspekt nicht sonderlich. Ich will das nicht als Schwäche der 901 auslegen, der Erfolg der MEG in den Studios hat seinen eigenen Wert, trifft den (positiven) Nerv der Entscheider und Macher, die damit arbeiten müssen und in Shootouts sich mit diesem Konzept eher anfreunden konnten als mit anderen.
Deine Hauptquelle ist offenbar der Musikserver, die Musik ist auf der Festplatte und man könnte bei Bedarf die als verpolt erkannten Dateien (idR ganze Alben, meist auch durchgängig ganze Labels) mit WAV-Editor in Stapelverarbeitung invertieren und so wegspeichern. Ich habe bei Mitforenten auch schon in Musikordnern eine Markierung mit einer Datei oder einem leeren Ordner (benannt invers oder ähnlich) gesehen. Dann gibt es entweder die Invertiertaste am DAC (hatten viele DACs bereits 1990), oder am VV, mein Amp hat es auf der Fernbedienung, digitale Aktivweichen und Equalizer haben eine entsprechende Funktion. Wie gesagt, es ist eine Frage der Penibilität, ob man es wahrnimmt und konsequent umsetzt.
Von Hersteller- oder Produzentenseite aus betrachtet: Auf die "Polarität von Einzelchassis oder die absolute Phase einer Musikproduktion zu achten, sind so banale Basics, dass sie sofort korrigiert werden würden, wenn es sich wirklich um "Fehler" handeln würde.
Bei Mehrwegweichen ist die Gruppenlaufzeit und eine Phasendrehung im Übergangsbereich abhängig vom verwendeten Filter. Die Steilflankigkeit wählt man nach verschiedenen Kriterien, Belastbarkeit des Chassis, hinreichende Unterdrückung von Fehlern am Rande seines Übertragungsbereichs. Dummerweise ordnet man die Hochtöner vorn an, und das Zentrum des TTs oder MTs liegt in der Ebene dahinter, bei Kondensatoren eilt der Strom vor, bei Spulen der Strom nach, auch Aktivweichen haben ähnliche Charakteristik, was zur mechanischen Abstandsdifferenz zum Ohr noch eine elektrische Laufzeitdifferenz gleicher Orientierung hinzufügt. Da ist es nicht möglich, Zeitkoinzidenz für ein ideales Zeitverhalten zu erreichen, man bemüht sich um Zeitkohärenz, einen homogenen Übergang vom vorauseilenden Hochton im Ausschwingen mit dem Anschwingen des zeitlich folgenden Mitteltons, dessen Ausschwingen mit dem späten Anschwingen des TTs. Da "opfert" man die Polung, ordnet sie einem fließenden Übergang unter, daraus resultiert eine gut gemachte Weiche, die einen gut klingenden LS ermöglicht.
Der Aufwand für die daraus resultierende Klangverbesserung wäre nachgerade lächerlich gering. Wenn LS-Entwickler und Musikproduzenten es dennoch mal so herum oder anders herum machen, und das schon seit Jahrzehnten, kann das m.E. eigentlich nur zwei Gründe haben: Entweder es bringt Vorteile oder es ist schlicht egal.
Diese Einschätzung teile ich im einen Sinne der Bedeutung nicht, im anderen Sinne schon:
Ich teile LS-Entwickler von Musikproduzenten; wie man Weichen macht, ist eine ganz andere Problematik als die Musikproduktion. In der Musikproduktion gibt es eine lange Tradition, betrachtet angefangen bei der elektrischen Aufnahme und Mono-LS. Ich habe keine Belege (Quellennachweise) dafür, denn der Effekt wurde erst in den frühen 1980er Jahren als
Wood Effect publiziert, aber die Klangänderung beim Verpolen, selbst bei bei Rosa Rauschen, ist mir nochaus den 1970er Jahren im Ohr, und die Erklärung fand ich erst 4 Jahrzehnte später. Verpolt erscheint diffuser, löst sich scheinbar seitlich mehr vom LS, dabei ist es nur eine Frage der Härchenzellen auf der Hörschnecke, die eine Art Dioden (Einweggleichrichter) Effekt haben. Richtig gepolt, also Kesselpauke macht zuerst eine Einwärtsbewegung der TT-Membran, ist der einzelne Mono-Lautsprecher deutlich abgegrenzt erkennbar. "Raumfüllender" wirkt das invertierte Signal. Mit Stereo besteht dafür eigentlich kein Bedarf, zumal die Lokalisationsschärfe der Phantomschallquellen, nennen wir es genaue Abbildung, ein Merkmal guter Stereoreproduktion ist.
Bedenkt man in der historischen Entwicklung, dass die Stereo-LP erst 1959 kam, Stereo-UKW-Radio erst 1964, und dass weit bis in die 1970er Monoradios in den Haushalten, im Auto, in der Freizeit dominierten, so darf man annehmen, dass alle Mixe auch den Mono-Hörer als Zielgruppe berücksichtigen mussten. Es gab also keinen Grund, zur korrekten Polarität zurückzukehren, nur weil sie bei Stereo angemessen wäre.
Unter musikalischen Aspekten eines Konzertgängers, der die Umhüllung mit Musik schätzt, dessen Einzelinstrumente-Lokalisation sich zugunsten des großen Ganzen auflöst - mit zunehmend mehr Hörabstand als von der ersten Reihe - ist verständlich, dass ein Mehr an Diffusität bei der Wiedergabe nicht zwangsläufig negativ aufstößt. Bose hat das über Jahrzehnte gut vermarktet.
Ich kenne Musikhörer, die sich bewusst hinten im Raum direkt vor die Wand setzen, ich selbst höre oft hinter der offenen Tür im Nebenraum, wo von den Stereoqualitäten wenig bis nichts übrigbleibt. Wenn ich ein unscharfes Photo mit natürlichen Farben gegen ein scharfes Photo mit unnatürlichen Farben vergleiche, bin ich geneigt, beide zu entsorgen, ich will natürlich ein scharfes Photo mit natürlichen Farben. Manchmal bleibt nur die Melodie und die Erinnerung an ein reales Konzerterlebnis.
Man braucht doch nur einen einzelnen neutral klingenden LS duplizieren und wähnt sich bei Stereo bestens bedient, aber das ist gewiss nicht der richtige Weg, unsere HRTF machen einen Strich durch die Rechnung, denn der Klangéindruck eines LS, den wir anschauen und der Klang von 2 LS unter den üblichen +/- 30° ist doch sehr unterschiedlich, von einem Monosignal ausgegangen, sonst wäre es ja nicht vergleichbar.
Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Verlegung deines Hörplatzes knapp 1m weiter zurück tonal einen Vorteil bringt, auch wenn naheliegenderweise etwas Breite verloren geht, weil das klassische Stereodreieck spitzwinkliger wird. Sicherlich eine Frage der Präferenzen ...
Penibel angehängte Grüße
Hans-Martin
P.S. Ein VV, der invertiert, kann meiner Meinung nach nicht im Sinne von Thomas "richtig" klingen. Niemals - außer, die gespielten Aufnahmen sind schon unrichtig. Und weil das im Bereich der Klassik-Aufnahmen überprüfbar-nachweislich zu erschreckend hohem Prozentsatz der Fall ist, hat der Funk eine unerwartet begünstigte Chance, sein ohnehin schon gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auszuspielen. Es ist aus meiner Sicht legitim, solche Mittel in einer Kette einzusetzen, wenn das Ergebnis verständlicherweise noch besser gefällt. Meine Beweggründe sind eher, die Zusammenhänge transparent zu machen.