Hallo Winfried,
das käme auf eine Skizze und auf Messungen in Deinem Raum an ... ich kann jedoch aus zeitlichen Gründen hier derzeit nicht in der Tiefe darauf eingehen oder beraten.
Wenn der Raum ein sehr "dünnes L" wäre, könnte man bei tiefen Frequenzen - also z.B. der Grundmode in Längsrichtung, die wahrscheinlich dort "um die Ecke geht" - immer noch auf eine brauchbare Funktion hoffen. Aber insgesamt wäre ich wie Du sehr skeptisch, ob ein DBA hier das Richtige wäre: Das Prinzip passt hier nicht gut zum Raum.
Außerdem wäre die Frage, ob z.B. die Längsmoden in Deinem Raum überhaupt so deutlich ausgeprägt sind und ob man ihre Anregung - auch bezüglich des Hörplatzes - nicht anderweitig gut umgehen bzw. "ausbalacieren" kann.
Ich habe selbst auch einen Hörraum mit "quasi L-Form" allerdings durch einen Treppenaufgang mit mehreren "Querschnittssprüngen" an den Hauptraum anschließend ... bis auf eine sehr tieffrequente Grundmode sind die Längsmoden höherer Ordnung recht zahm: Der hintere Teil des Raums ist also recht "sumpfig". Ich betreibe u.a. derzeit in ca. 2 m Entfernung von der Stirnwand einen einzelnen Dipol-Subwoofer, der in einer Raumkante am Boden liegt(*1), evt. wäre es sogar möglich, in dem Raum ein SBA an der Stirnwand zu betreiben. Das wäre für mich aber unpraktisch, denn es würde mir an der Frontwand Platz wegnehmen und mir meine Diffusoren nahe der Raumecken zustellen.
Wenn der Ansatz "Bass Array" selbst in vielen üblichen quaderförmigen Räumen z.B. mit 4+2 oder nur 2+2 Woofern lediglich bis knapp über 60Hz wirklich gut funktioniert(*2) (*3), und man letztlich auf ein DBA mit 4+4 gut positionierten Woofern oder ein 4er "VBA" - und in allen Fällen zwingend auf monofonen Betrieb - gehen muss, um ein breitbandig wirksames System für alle denkbaren Musikaufnahmen zu haben, dann ist m.E. schon die Frage erlaubt:
"Bekomme ich denn die Oktave von 30Hz bis 60Hz nicht auch anders einigermaßen ausgewogen hin?"
Denn um mehr geht es oft nicht, was "Schummel Arrays" eigentlich leisten können. Ich klammere hier den Bereich weit unterhalb 30Hz vorläufig einmal aus, das wäre für mich ein weiteres Diskussionsthema.
Wohl wissend, daß man in der Raumakustik oft nicht "die perfekte" Lösung finden und ausführen kann, nenne ich folgende Anordnungen jetzt mal "Schummel Array", was nicht abwertend gemeint sein soll, jedoch der Tatsache Rechnung trägt, daß die "Gitterabstand < lambda/2" Grenze hier z.T. sehr weit "überstrapaziert" wird:
- DBAs mit weniger als 4+4 Woofern und Trennfrequenzen deutlich über 60Hz in normalen Wohnräumen
oder
- VBAs mit weniger als 4 Woofern und entsprechend hohen Trennfrequenzen
oder
- SBAs, DBAs und/oder VBAs, wo eine linke und rechte "Hälfte" in Stereo betrieben werden
Der Stereobetrieb eines Bass Array widerspricht dem Prinzip der angenäherten ebenen Wellenfront, sobald deutlichere Differenzen von linkem und rechtem Signal im Tiefton auftreten, was ebenfalls die nutzbare obere Grenzfrequenz herabsetzt: In Abhängigkeit von der Aufnahme können nämlich im Stereobetrieb Quermoden angeregt werden.
Den Frequenzbereich von 30Hz ... 60Hz kann man in vielen Räumen - besonders, wenn es um die Optimierung einer begrenzteren (sogar Einzelplatz?) Hörzone geht - bereits durch einen einzelnen nach rein akustischen Gesichtspunkten plazierten monopolaren und monofonen Subwoofer relativ gut lösen, denn hier sind oft nur 2-3 Moden im Spiel, deren Anregung sich oft gut ausbalancieren läßt. Das geht allerdings nur mit relativer Kompromisslosigkeit in der Platzierung des Subwoofers: Da wo er das beste Ergebnis liefert, da muss er eben hin, und die geliebte Blumenvase oder Stehlampe möglicherweise woanders(!) ...
Wobei ein Dipol-Subwoofer hier besonders im Zeitbereich deutliche Vorteile hat und den Ansatz "Reduktion wirksamer Raumdimensionen für die Modenanregung" mit relativ großer Bandbreite realisieren kann. Oft funktioniert dies bis in den üblichen Übernahmefrequenzbereich für monofone Subwoofer um 80Hz hinein und auch weit darüber hinaus, sofern man mehr als einen Dipol-Subwoofer einsetzt.
Natürlich existieren auch alternative "Woofer" Konzepte, welche dann stereofon mit höheren Übernahmefrequenzen zu betreiben wären. Wenn eine ausgewogene Anregung der untersten Oktave gelingt, ist oft sogar das Zeitverhalten eines monopolaren und monofonen Subwoofers ganz ordentlich. Der eigentlich "kitzlige" Bereich liegt in vielen Räumen oberhalb 60Hz ... 70Hz, also meist unterhalb der Schröderfrequenz bis in den Transitionsbereich oberhalb der Schröderfrequenz, der oft bis 200Hz oder auch darüber gehen kann, je nach Raum und Ausstattung.
Ein welliger mittlerer bis oberer Bassbereich von z.B. 60Hz bis 200Hz ist sehr häufig ein Problem: Je nach Raum ist die modale Überlappung hier noch zu "dünn", um ein wirklich "statistisches" Verhalten des Raums zu gewährleisten. Andererseits wird von den Anregungsorten der Lautsprecher oft nur eine recht kleine Untermenge von Moden (zu kräftig) angeregt, was zu welligen (Raum-) Frequenzgängen an den bevorzugten Hörplätzen und Defiziten im Abklingspektrum (hörbar durch "Dröhnen" und als Verfärbungen) führt.
Diesem Frequenzbereich kommt man im Bedarfsfall aber mit "Schummel Arrays" auch nicht bei. Dafür bräuchte man vielmehr sehr vollständige und konsequente Array-Installationen in einem dafür vorzugsweise quaderförmigen Raum. Außerdem möchte man über 100 Hz sicherlich nicht mehr monofon übertragen: Ich möchte es jedenfalls nicht ...
Damit kommt man zur nächsten Frage:
Ob der Verzicht auf stereofone Übertragung unterhalb 100Hz ein reiner Gewinn ist ?
Es sollte m.E. zumindest Erwähnung finden, daß es dazu auch andere Meinungen gibt, was eine "realitätsnahe" Basswidergabe (mit) ausmacht. Evt. können einige Papers von David Griesinger hier eine Vorstellung vermitteln (die PPT Präsentation ist sicher ein guter Start):
Loudspeaker and listener positions for optimal low-frequency
spatial reproduction in listening rooms.
Author: David Griesinger
Location: Lexicon, 3 Oak Park Bedford, MA 01730-1441
http://www.davidgriesinger.com/vancouver_asa.ppt
http://www.davidgriesinger.com/asa05.pdf
Envelopment and Small Room Acoustics
Author: David Griesinger
Location: Lexicon 3 Oak Park Bedford, MA 01730
http://www.davidgriesinger.com/laaes2.pdf
Speaker placement, externalization, and envelopment in home listening rooms
Author: David Griesinger
Location: Lexicon 3 Oak Park Bedford, MA 01730
http://www.davidgriesinger.com/sfaes.pdf
Bei mir persönlich schlagen da zwei Herzen in einer Brust (bin aber ausdrücklich nicht der Meinung, daß Griesinger's Empfehlungen z.B. absoluten Vorrang gegenüber der Kontrolle von Eigenmoden im Hörraum haben sollten):
Natürlich will man störende Artefakte der Kleinraumakustik (Eigenmoden) aus der Wiedergabe heraus haben. Und wenn monofone Wiedergabe vom tiefen bis mittleren Bassbereich im konkreten Fall dazu entscheidend beitragen kann, dann geht man diesen Weg. Besonders dann, wenn es die Verhältnisse im konkreten Hörraum anders kaum möglich erscheinen lassen, ist der Gewinn hier oft sehr viel größer als der Verlust.
Andererseits sind Klangerlebnisse wie z.B. ein Orgelkonzert in einer größeren Kirche auch im Tiefton durch "fluktuierende" Druckgradienten in Längs (vorn-hinten) und seitlicher Richtung geprägt (vgl. o.g. Papers von David Griesinger), was ein Gefühl der "Einhüllung" stark befördern kann, wenn die Aufnahme entsprechende Laufzeitinformation bereitstellt.
Dieser Beitrag zum räumlichen Empfinden - auch wenn der Tiefton unter 80Hz praktisch nicht zur Lokalisation von Schallquellen beiträgt - kann monofon nicht übertragen werden. Allerdings kann er mit den meisten Lautsprecheranordnungen auch stereofon nicht angemessen im Hörraum übertragen werden, das sollte man der Ehrlichkeit halber erwähnen.
Für viele Aufnahmen, die de facto unter 80Hz "so gut wie monofon" sind, ist monofone Wiedergabe hier ohnehin kein Verlust. Aber es gibt Ausnahmen s.o. ...
Und wenn man jetzt beides haben will: Keinen Modeneinfluss im akustisch kleinen Hörraum und trotzdem stereofone Übertragung ? Schwierig. Eigentlich unmöglich.
Deshalb sehe ich die Tieftonwiedergabe immer als eine sehr raumspezifische und auch hörerspezifische Sache an, bei der man am besten nach individuell angepassten Lösungen sucht. Diese sollten auch die bestehenden Anforderungen an die Raumgestaltung nicht überstrapazieren: Ein z.B. 4+4 DBA kann nicht jeder installieren. Oft ist das aus rein raumgestalterischen Gründen nicht möglich. Daß es auch unter technischen Aspekten nicht immer und für jedermann das Richtige sein muss, habe ich ebenfalls versucht darzustellen. Hier gilt es zunächst, für den jeweiligen Raum und die jeweiligen Anforderungen die richtigen (=erreichbaren) Ziele zu setzen, welche man dann mit der jeweils geeigneten Technik "minimal invasiv" im Raum umzusetzen versucht. Denn der Wohnraumaspekt genießt bei den meisten Hörern neben der Nutzung als "Hörraum" immer noch einen hohen - oft sogar höheren - Stellenwert.
Natürlich ist es raumakustisch immer interessant, wenn man kaum Beschränkungen bezüglich Art und Anordnung der Tieftonquellen auferlegt bekommt, aber das ist nicht der Regelfall.
Viele Grüße aus Reinheim
Oliver
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(*1) Ein Burst Decay (Abklingspektrum zeitlich in Schwingungsperioden normiert) sah vor einiger Zeit am Hörplatz ohne Tiefpassfilter des Subwoofers so aus (mitterweile hat die Dämpfung im Raum sogar etwas zugenommen):
http://www.dipol-audio.de/subwoofer-mod ... ngated.JPG
Typischerweise liegt die Übernahmefrequenz bei 80Hz. Messposition und Hörplatz befinden sich dabei sogar im Bereich stark verminderter (direkter) Abstrahlung des Dipols.
(*2) Mit 2 Woofern hinten "in Nähe halber Höhe" geht es sicher auch mit "4+2" noch etwas besser als mit
"Gegenbässen in Bodennähe", wie Harald berichtet hat.
(*3) Die erste Mode in Hochrichtung des Raums ist insofern oft recht "gnädig", als daß ein sitzender Mensch in einem z.B. 2,6m hohen Raum meist zumindest mit seinem Kopf weit von den Druckmaxima (in Boden und Deckennähe) entfernt ist.