free hat geschrieben:Wie stellt man fest ob sich bei solchen Behauptungen das Gerät/Kabel einspielt oder das Gehör das sich an einem bestimmten Klang gewöhnt?
Hallo Frank,
die Antwort ist doch ganz einfach: Man lötet 2 gleichlange Audio Kabelsätze mit gleichem Lötzinn und Steckern, gleicher Laufrichtung, benutzt einen Satz, der andere wird im Stecker nach außen nicht sichtbar markiert und landet für 6 Wochen in der Schublade.
Dann kommt der Moment, wo beide Sätze zum Vergleich antreten.
Das Ergebnis kann man nach gemachter Erfahrung auch besser diskutieren.
Bei Lautsprecherkabeln schließt man beide Sätze mit gleicher Laufrichtung an, kehrt sie um, hört sich die Differenz an und merkt sich die Schwierigkeit, sie wahrzunehmen. Dann lässt man das Kabel in der schlechteren Version 2 Wochen im Tagesbetrieb spielen und wiederholt den Laufrichtungstest. Auch hier hilft eine verdeckte Markierung, die Ergebnisse zuzuordnen. Meine Erfahrung ist, dass das Kabel nach Einspielzeit eine größere Differenz der beiden Laufrichtungen aufzeigt, aber es bleibt bei der Präferenz, was anfangs besser war, ist jetzt noch besser. Damit widerspreche ich der These, dass Kabel durch die erste Benutzung in der Laufrichtung geprägt werden (vorsätzlich wurde in der "schlechteren" Richtung eingespielt).
Auf Ben Duncan und seine Messtechnik zur Kabellaufrichtung habe ich
hier hingewiesen. Die meisten Quellen sind wenig ergiebig, da BD ein Honorar sehen will, und offenbar geht die Liebe zur Veröffentlichung bei den meisten nicht so weit wie BDs ausgestreckter Arm bezgl. Honorarforderung reicht.
Aber schon der Hinweis auf einen Unterschied bezüglich hochfrequentes Rauschen zeigt in eine interessante Richtung. Ich kenne Kabel, bei denen bestimmt der Schirm die Laufrichtung mehr als die darunter befindlichen Signal- und Masseleiter (symmetrische AudioLeitung).
Und die erste messtechnische Laufrichtungsunterscheidung bei Kabeln durch Robert Harley (The Absolute Sound um 1990) geschah mit SPDIF-Digitalkabel - welches HF überträgt.
Deshalb glaube ich weniger an Kristallversetzungen beim Guss und Ziehen des Kabels auf die gewünschte Stärke als an die Eigenschaften des Schirms und der umgebenden Isoliermaterialien, die bei der Fertigung auch aufgebracht werden müssen.
Die Beobachtung, dass ein Laufrichtungsunterschied nach der Einspielphase deutlicher erkennbar werden kann, passt auch mit der zu dem Isoliermaterial gehörenden dielektrischen Absorption (DA) zusammen. wer Kabel verstehen will, muss auch DA verstehen.
Wer Einspielvorgänge verstehen will, muss sich mit DA auseinandersetzen, der beste Artikel dazu stammt mMn von Bob Pease unter National Semiconductors, aber auch Wikipedia hat inzwischen einen guten Beitrag.
Da die Batterievorspannung, wie ich sie seit 1993 benutze (Pierre Johannet war schon 1989 dabei), das Isoliermaterial außerhalb des Schirms weniger beeinflusst, weil kein Bezug zum Erdpotential besteht, bleiben auch diese Kabel laufrichtungsabhängig.
Will sagen, um den Nachweis zu erbringen, dass Versetzungen in der Leiter-Kristallstruktur mehr Einfluss auf den Klangeindruck nehmen, muss man viele Hürden nehmen. Und zugleich gibt es Kabel, bei denen ich noch keine Unetrschiede der Laufrichtung heraushören konnte wie beim Apogee WydeEye 1m.
Bei Lautsprecherkabeln kann man Zwillingsleitungen finden, bei denen beide Stränge gegensinnig gewendelt sind. Welchen man für Signal, welchen für Masse verwendet, macht einen Klangunterschied beim Tausch. Das gilt auch für die geflochtenen KimberKabel. Womit das Argument, dass bei Wechselstrom kein Unterschied sein dürfte, durch Praxisbeobachtung ausgehebelt wird und das Augenmerk auf die kapazitiven Bezüge von Signal und Rückleiter (zur geeerdeten Verstärkermasse) gegenüber der Hausmasse (Estrich, Wände) gelent wird und bei Betrachtung der zu erwartenden Feldlinien der üblicherweise auf dem Boden oder an der Wand verlegten Kabel so mancher Unterschied elektrotechnisch erklärbar wird.
Bei Geräten sollte man bedenken, dass Lösungsmittel noch ausgasen können, dass Elektrolytkondensatoren sich erst durch Anlegen der Spannung zur vollen Kapazität formieren, dass 20° Raumtemeratur und innere Betriebstemperatur sich unterscheiden wobei Elkos mit (angemessener) erhöhter Temperatur im Innenwiderstand besser werden.
Und ob der Durchfluss von Wechselströmen auch ansatzweise Entmagnetisieren ferromagnetischer Effekte mit sich bringt, könnte man auch durchdenken. Widerstände haben oft Eisenkappen (Magnettest ist aufschlussreich), Elkos haben oft verzinnten Eisendraht. Verzerrungen durch Induktivität und Hysterese können die Folge sein. Manche Hersteller bieten Audio-Elkos mit Kupferdraht an (ELNA Cerafine).
Dass jede Lötstelle zwischen Kupfer und Eisen auch eine kleine Thermospannung erzeugt, wobei jede Verbindungsstelle auch zugleich eine Rauschquelle darstellt, kommt hinzu.
Und wenn hier eine Ionenmigration im Laufe der Zeit die Metalle aneinander annähert, wäre zu erwarten, dass das Ergebnis sich zumindest nicht verschlechtert. Da ich kein Metallurg bin, deklariere ich den letzten Satz als reine Spekulation, die sich aber mit meinen Beobachtungen gut verträgt.
Aber wer hat schon 2 Neugeräte, die unter gleichen Bedingungen kurz betrieben werden, um sich vom identischen Klangeindruck zu vergewissern, um das eine Gerät im Schrank verschwinden zu lassen, während das andere einspielt. Dann beide kalt starten und vergleichen, nach dem Unterschied das hinzugenommene Gerät ausschalten, das andere warmspielen und auch diesen Unterschied bei beiden mit dem 2. (frisch eingeschalteten) anhören. Bei solchen Vergleichen ist mir wichtig, dass nicht das eine Gerät auf einer Plattform steht, das andere Gerät auf dem Deckblech des ersten betrieben wird oder womöglich nicht ausgephast wurde.
Eine Methode, Unterschiede unhörbar zu machen, ist das Umschalten bei kontinuierlich weiterlaufender Musik. Und am Ende kommt der Zweifel, wenn man nicht auf unter 0,1dB Pegelunterschied abgeglichen hatte.
Kein Zweifel besteht jedoch darin, dass man nach einer gewissen Benutzungsdauer den Neuzustand hinter sich gelassen hat - und zu dem kann man wohl kaum vollständig zurückkehren. Da man zwangsläufig kurz über lang beim eingespielten Zustand enden wird, ist die Einspieldiskussion nur relevant, wenn man neue Geräte im Vergleich zu anderen kurzfristig aussagekräftig beurteilen und bewerten will, z.B., um die Kette durch Gerätewechsel zu verbessern. Wenn es aber im nativen Zustand schon überzeugt, ist eine Verschlechterung durch Spielen vorläufig nicht zu erwarten (das Ende der Lebnsdauer liegt noch fern).
Deshalb brauchen sich die weniger erfahrenen / informierten Forenten sich nicht Glaubenskriege mit Andersgesinnten liefern.
Grüße Hans-Martin
P.S. Dass Lautsprecher sich erst einspielen müssen, um ihre mechanischen Soll-Parameter zu erfüllen, verrät jeder LS-Hersteller.
Ein stundenlang gespielter LS hat auch eine andere Schwingspulentemperatur, ebenso ändern sich die Widerstandswerte, wenn in Passiv-Weichen Widerstände als Abschwächer eingesetzt sind.
Mein Röhrenverstärker spielte nach 4 Stunden so flüssig, dass ich gar nicht mehr abschalten mochte...