Sensorregelung: Verfahren, Messung und Hörbarkeit

wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Gert,

hier verstehe ich irgendwas nicht oder falsch...
Fortepianus hat geschrieben:... Leider hat auch ein konventionelles Lautsprecherchassis ein solches Obertonspektrum.
1. Was ist dieses, wohl irgendwie nicht messbare, Obertonspektrum? Wie kommt es zustande? Warum ist es nicht messbar? Wenn's ein Spektrum ist, sind ja viele Obertöne vorhanden, die durch einen anregendes Signal hervorgerufen wurden und dadurch auf den Messungen erscheinen müssten.
Fortepianus hat geschrieben:... Das führt dazu, dass wir den Lautsprecher als solchen erkennen und auch orten. Dei Regelung sorgt nun dafür, dass dieses Obertonspektrum erheblich zerstört wird. Wie gesagt, selbst, wenn der Klirr nicht messbar niedriger wäre, wäre der akustische Fingerabdruck in Form des Obertonspektrums soweit gestört, dass man das Chassis eben nicht mehr als Lautsprecher erkennt und auch nicht mehr ortet ...
2. Was heisst das praktisch? Wenn ich auf meine BM-8 links einen 2kHz Sinus gebe, kommt dieser genau ortbar aus diesem linken LS(-Chassis). Sind meine BM-8 nicht OK?

Möglicherweise mißverstehe ich jetzt ein paar Sachen ziemlich gründlich... :roll:

Gruss,
Winfried
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schauki
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Beitrag von schauki »

@Gert
Was/wo ist das Obertonspektrum?

Was kommt aus einem Chassis außer:
- Sollsingnal inkl. linearer Verzerrungen (da mit Steuerung vollständig entzerrbar),
- nichtlinearen harmonischen Verzerrungen,
- nichtlinearen nicht-harmonischen Verzerrungen?

Weiters bleibt das im Rahmen der Möglichkeiten der Regelung. Sie kann eben nur das ausregeln, was der Antrieb dirket schafft.

Mit einer akustischen Messung wird man halt nicht sofort sagen können, woher die Verzerrungen kommen.

Bzgl. Ortbarkeit habe ich selbst Versuche unternommen:
Meine 15" Pappe z.B. fängt ab 1kHz deutlich an zu "klingen", unter 500Hz merke ich dann nichts mehr.
Mein 3" tut das ab ~4kHz. Hier schiebe ich das definitv auf die Membran.
Beim Konus (naja ist ne NAWI Kontur) werden das Reflexionen an der Membran selbst sein.
Das bekommt man mit der Regelung nicht weg.

Wie gesagt, ich bin jetzt, da sich die Theorie was eine Regelung kann, ja auch in der Messpraxis zeigt, jetzt noch weniger Skeptiker als vorher, aber man sollte jetzt nicht die Regelung überbewerten.

Man kann von den erforschten Hörschwellen halten was man will (ich gebe was drauf), aber zumindest relativieren sie das, was manchem technischem Feature an Verbesserungsmöglichkeit zugesprochen wird.

D.h. Faktor 10 im Klirr besser, würde dann z.B. heißen statt Faktor 10 unter der Hörschwelle eben Faktor 100...

Auf der anderen Seite werden auch bei geregelten LSP Trennfrequenzen zwischen 2 Treibern von 7kHz (Lambda = 4,9cm) realisiert. Hier wird eine nach "anerkannten" Hörschwellen hörbare Interferenz akzeptiert. Klar hat jeder, auch Hersteller, seine eigenen Prioritäten.

Ich persönlich würde, wenn ich möglichst wenig Kompromisse machen wollte, einen LSP so bauen, dass schon von Haus aus alle Fehler unter die anerkannten Hörschwellen (soweit möglich) gebracht werden. Und dann zusätzlich Dinge verwirklichen, die messtechnisch möglich sind. Wäre fast einen eigenen Thread wert!

D.h. Lineare Phase über FIR Filter (komplett), Amps mit besseren Werten, Gehäuse möglichst resonanzarm, Regelung, ... mit extremen Filtersteilheiten würde ich mich sogar ne Trennung >5kHz trauen, wenn dadurch andere Punkte verbessert werden können.

Eine K&H O500C, oder MEG901 würde ich allerdings jederzeit einer Silbersand 701 oder B&M 18, auch abgesehen von Preis vorziehen. Eben weil meine "Prioritäten" oder Anforderungn anders liegen.

@Winfried
überschnitten, siehe Frage nach Obertonspektrum.

mfg
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Richard, hallo Winfried,

offensichtlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt :( . Also gebt mir bitte noch einen Versuch:

Das Obertonspektrum ist im Grunde genau das, was Richard und ich bei unseren Messungen vorgestellt haben. Um in der von mir bemühten Analogie zum Topfschlagen zu bleiben - wenn der Kochlöffel auf den Topf trifft, ist das der Anregungsimpuls des Systems Kochtopf, so eine Art Diracimpuls. Genau diese Antwort auf einen Diracimpuls interessiert, es ist die Impulsantwort eines Systems. Bei den Lautsprechermessungen wurde diese aber nicht durch einen Diracimpuls gemessen, sondern mit einem Gleitsinussignal, dessen Übertragung durch das System Lautsprecher aufgezeichnet wurde. Da man den anregenden Gleitsinus (Logsweep) genau kennt, kann man aus der Inversen des Logsweeps gefaltet mit der Systemantwort die Impulsantwort berechen. Darin steckt das gesamte Übertragungsverhalten. Stellt man diesen Impuls nach Fouriertransformation nicht auf der Zeitachse, sondern über der Frequenz dar, erhält man den Amplitudenfrequenzgang des Systems. Aber auch die Phasenbezüge von Eingangssiganl zu Ausgangssignal sind darin enthalten (sonst ließen sich daraus nicht so vorzüglich die FIR-Korrekturfilter rechnen). Warum aber der Umweg über den Gleitsinus, wenn doch nur die Impulsantwort interessiert? Warum nicht gleich mit einem Diracimpuls angeregt und gut ist's? Mal von messtechnischen Details wie der enormen Verbesserung des Signal-Rauschabstandes bei diesem Verfahren abgesehen, bekommt man noch etwas anderes serviert. Schaut man sich sozusagen mit der Lupe die Gegend um die Impulsantwort auf der Zeitachse an, findet man links vom Hauptimpuls, der die Grundwelle K1 repräsentiert, noch weitere kleine Impülschen. Sie repräsentieren die Oberwellen K2 bis Kx, je weiter weg auf der Zeitachse von K1, desto höher die Ordnung. Diese Nebenimpulse kann man nun genauso wie K1 fouriertransformieren und als Frequenzgang der Oberwellen darstellen. Das ist bis hierher, was man in den vorgestellten Auswertungen von mir gesehen hat.

Gehen wir nun wieder zurück auf die Zeitachse. Der Hauptimpuls mit den (hoffentlich) kleinen Nebenimpulsen ist der akustische Fingerabdruck des Systems. Für dieses Verhältnis von Grundwelle zu Oberwellen (das Obertonspektrum also) ist unser Gehör ungeheuer empfindlich, macht es doch den charakteristischen Eigenklang eines Instruments, einer Stimme, des umgedrehten Topfes oder eigentlich von allem, was klingt, aus. Bei den von Richard zitierten Hörschwellen dagegen geht es darum, ab wann ich die Verzerrung eines Sinussignals erkenne, das ist etwas grundlegend anderes, denke ich. Ich möchte ein Beispiel geben für diesen erkennbaren Fingerabdruck eines technischen Systems. Operationsverstärker haben auch so einen Oberton-Fingerabdruck. Oft wird behauptet, die Oberwellen lägen so unglaublich niedrig in ihrer Amplitude, dass man das auf keinen Fall hören könne. Mein Lieblings-OPA, der 627, ist ja ein begehrtes Objekt chinesischer Fälschungswerkstätten, weil sich damit ordentlich Geld machen lässt. Ein OPA627 kostet grob 20 Euro, ein Billig-OP, dessen Aufdruck abgeschliffen und neu etikettiert wird, kostet ein paar wenige Cent. Mit dem Plagiat funktioniert die Schaltung aber genauso, zumindest oberflächlich betrachtet. Nun habe ich Herrn Sellenthin in Berlin schon beinahe zur Verzweiflung gebracht, als ich gesagt habe, das, was ich geliefert bekommen habe, sieht zwar aus wie ein 627, klingt aber nicht wie ein 627, ist also kein 627. Er hat dann gesagt, zweifelsfrei lässt sich das nur klären, indem man das Obertonspektrum misst. Zurück geschickt, er hat das Spektrum gemessen, kein 627 gewesen. Das menschliche Gehör ist also in der Lage, diese winzigen Unterschiede im Klirrspektrum eindeutig mit einem Eigenklang des Systems zu verknüpfen. Zur Ehrenrettung von Herrn Sellenthin sei noch angemerkt, dass er unschuldig war, schon der offizielle (!) Distributor war in der Not des zeitweilig bei diesem Bauteil auftretenden Lieferengpasses einer gefälschten Charge auf den Leim gegangen :mrgreen: .

Zurück zum Lautsprecherchassis. Die Gegenkopplung zerstört diesen Eigenklang, was sich messtechnisch darin ausdrückt, dass die Klirrkomponenten alle gemeinsam im Rauschen versacken. Wie bei meinen Messungen gesehen, da gibt es kein charakteristisches Verhältnis. Vielleicht kommt das so langsam Deiner Frage näher, Richard, warum die Ks bei mir alle so auffällig auf einem Niveau liegen über der Frequenz.

Viele Grüße
Gert
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Gert,

mhmm, das liest sich mal wieder wie eine amerikanische Forschungsarbeit ("amerikanisch" deshalb, weil den Jungs kann man zwar vieles anlasten, aber ganz bestimmt nicht, dass sie nicht in der Lage wären, schwierige Sachverhalte verständlich auszudrücken).

Ich habe trotzdem noch eine Frage:

Der Gleitsinus sorgt also in Ergänzung des Diracimpulses quasi für die "Aufdeckung" des Obertonspektrums?

Viele Grüße
Rudolf
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Rudolf hat geschrieben:Der Gleitsinus sorgt also in Ergänzung des Diracimpulses quasi für die "Aufdeckung" des Obertonspektrums?
Ja.

Durch den Sweep wird zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Frequenz gespielt. Dabei entsteht nun auch eine 2. Harmonische, also doppelte Frequenz. Die Inverse ist ebenfalls ein Sweep. Der nun jedoch wie ein Filter wirkt und zu einem Zeitpunkt den Grundton durchlässt, zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich davor, jedoch k2. Durch diesen Effekt werden die Klirrspektren aus dem Grundspektrum herausgelöst und zeitlich davor geschoben.

Bei anderen Messanregungen, z.B. Rauschsignalen oder Dirac-Impulsen, bleibt der Klirr in der Pulsantwort erhalten. D.h. eine lineare Pulsantwort enthält dann auch nichtlineare Anteile. Was nicht unbedingt Sinn macht. Deshalb ist für mich die Sweep-Messung eine der besten Messanregungen überhaupt.

Im übrigen bin ich mit der Basismessung einer geschleiften Soundkarte ein Stück weiter, siehe Bild

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Dazu muss ich allerdings als eine spezielle Art der Logsweep-Messungs ins Acourate reincodieren. Für die normale Arbeit reicht das bisherige, weil man ja mit der Pulsantwort von k1 weiterarbeitet, diese ist ja ohne Klirr, siehe oben.

Für die Klirrfaktorbestimmung ist der Rechenaufwand deutlich grösser, ich verwende da eine abgewandelte Form. Das ist dann ein Rechenzeit- und Speicherplatzfresser, sollte also im Normalfall nicht verwendet werden.

Gruss, Uli
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben:Das muss ich allerdings als eine spezielle Art der Logsweep-Messung ins Acourate reincodieren. Für die normale Arbeit reicht das bisherige, weil man ja mit der Pulsantwort von k1 weiterarbeitet, diese ist ja ohne Klirr, siehe oben.
Für die Klirrfaktorbestimmung ist der Rechenaufwand deutlich grösser, ich verwende da eine abgewandelte Form. Das ist dann ein Rechenzeit- und Speicherplatzfresser, sollte also im Normalfall nicht verwendet werden.
das sieht ja sowas von blitzeblank aus jetzt, da bin ich jetzt aber schon scharf drauf. Gibt's da wieder eine neue Version zum Download :cheers: ?

Viele Grüße
Gert

P.S. In Anlehnung an das geflügelte Wort vom Gruppenlaufzeittest damals, fühl Dich bitte auf gar keinen Fall gehetzt :mrgreen:
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Gert,

danke für die wie gewohnt sehr anschauliche Erklärung!

Das war also doch ein Mißverständnis meinerseits: Ich hatte Dich so verstanden, dass der beschriebene spezifische Klangcharakter nicht mit dem Klirrspekturum einhergeht, sondern dass da noch etwas "mitklingt", das nicht in der akustischen Messung enthalten wäre und dass konnte ich mir schlecht vorstellen.

Worauf Du jetzt nicht nocheinmal eingegangen bist ist die Sache mit der "nicht Ortbarkeit" des Lautsprechers oder Chassis aufgrund niedrigerer Verzerrungen. Das würde mich schon noch interessieren, denn ich kann's nicht nachvollziehen.

Danke vielmals,
Winfried
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:Worauf Du jetzt nicht nocheinmal eingegangen bist ist die Sache mit der "nicht Ortbarkeit" des Lautsprechers oder Chassis aufgrund niedrigerer Verzerrungen. Das würde mich schon noch interessieren, denn ich kann's nicht nachvollziehen.
nun, Lautsprecher wird mit Spektrum angeregt (Musik), produziert typisches Oberwellenspektrum, klingt nach Lautsprecher, ordnest Du dem Lautsprecher zu und ortest Du dort. Gibt's dagegen kein Klirrspektrum, zumindest kein typisches, sondern nur bei allen Frequenzen ein gleichmäßig niedriges K2-Kx, gibt's auch nix zuzuordnen und auch nichts zu orten. So die These von Herrn Müller, der ich mich anschließe.

Gruß Gert
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Gert,

sowas ist mir beim Hören zwar nicht aufgefallen (bin aber auch kein Goldohr), ich wüsste auch nicht wie ich diesen Effekt praktisch verifizieren könnte. Das ist jetzt aber auch nicht so wichtig, ich nehme das als möglichen Regelungsbeitrag hin, wir lassen's dabei und kehren zum Kernthema zurück.

Danke und Gruss,
Winfried
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schauki
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Beitrag von schauki »

@Gert
Okay, ich dachte auch das wäre jetzt was "neues"... so ists natürlich klar.

Ein paar Fragen bleiben aber noch unbeantwortet, aber auch du sei nicht gehetzt :cheers:

- kannst du Nahfeldmessungen vom geregelten MT machen, mit/ohne Regelung?
- kannst du Nahfeldmessungen vom ER4 machen?
- wo liegt deiner Meinung nach (bitte nicht messen und etwas schrotten) der "Abrisspegel" der BM20, wo die nichtlinearen sprunghaft steigen? (1m und 1 LSP)


Bzgl. Hörschwellen Obertonspektrum:
Also so ganz kann ich das nicht verstehen, bzw. schon das was die Regelung kann - das ist definitiv ne gute Sache. Auch bei Instrumenten - aber da sprechen wir ja nicht von 0,1-1% THD sondern "etwas" mehr.

Ich weiß zwar nicht wie das bei Instrumenten ist, aber bei LSP kanns eigentlich kein "typisches" Obertonspektrum geben, da das ja Fehler sind und die wiederum sind nichtlinear. D.h. die Klirrverteilung ist (siehe div. Diagramme von Hifi-Selbstbau) pegelabhängig. Höre ich nun diesen LSP in 1m bei 90dB, will aber auch in 2m bei 90dB hören gibts eine andere Klirrverteilung (und Pegel), weil der LSP eben dann nicht mehr 90dB/1m abgeben muss sondern ~96dB/1m. Oder denke ich da jetzt falsch?

Oder fallen die Abweichungen dann selbst unter die Hörschwelle? :wink:

Bin Audio-Programmmäßig nicht so fit, aber ich schätze es gibt dort Möglichkeiten Klirr hinzuzufügen, vielleicht auch "pseudo" nichtlinear, wäre auch mal eine Sache für einen Test unter interessierten Hörern. Also wie beim GLZ-Test den ich leider nicht gemacht habe, einen Track ohne und mit ein paar Klirrverteilungen dazu... vielleicht schaff ich das ja auch selbst, wenn Interesse besteht kann ich ja mal schauen ob ich da hinbekomme.

mfg
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:... ich wüsste auch nicht wie ich diesen Effekt praktisch verifizieren könnte.
ich versuche es mal mit dieser Theorie: Das Fehlen von Eigenklang ist eine wichtige Voraussetzung für eine "Loslösung" des Klangbildes vom Lautsprecher. Eigenklang irritiert/beinträchtigt ansonsten die (unbewussten) Wahrnehmungsprozesse, die zum dreidimensionalen Hören notwendig sind; im schlimmsten Fall bleibt die Musik dann an den Lautsprechern kleben. Man möge mich korrigieren/ergänzen.

Hallo Richard,
schauki hat geschrieben:Bin Audio-Programmmäßig nicht so fit, aber ich schätze es gibt dort Möglichkeiten Klirr hinzuzufügen, vielleicht auch "pseudo" nichtlinear, wäre auch mal eine Sache für einen Test unter interessierten Hörern.

das ist ein interessanter Vorschlag, der - ähnlich wie der Gruppenlaufzeittest so richtig nur auf zeitrichtigen Lautsprechern funktionieren konnte - eigentlich nur mit geregelten Lautsprechern Sinn macht. Was meinen Gert und Uli hierzu?

Viele Grüße
Rudolf
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schauki
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Beitrag von schauki »

Rudolf hat geschrieben:
wgh52 hat geschrieben:... ich wüsste auch nicht wie ich diesen Effekt praktisch verifizieren könnte.
Hallo Winfried,

ich versuche es mal mit dieser Theorie: Ein Fehlen von Eigenklang ist eine wichtige Voraussetzung für eine "Loslösung" des Klangbildes vom Lautsprecher. Eigenklang irritiert/beinträchtigt ansonsten die (unbewussten) Wahrnehmungsprozesse, die zum dreidimensionalen Hören notwendig sind; im schlimmsten Fall bleibt die Musik dann an den Lautsprechern kleben. Man möge mich korrigieren/ergänzen.
Es geht um hörmäßige Ortung. Wie diese funktioniert, hat imho nichts mit der Klirrverteilung zu tun. Sonst müsste der geregelte LSP, auf dem man ein Signal mit Klirr (also in der Aufnahme enthalten) auch ortbar sein.

Ich gehe bei der Ortung eher davon aus, dass sich das im Bereich der HRTF abspielt also >300Hz (fließend) -> interaurale Differenzen.

D.h. durch Membranresos (winkelabhängig) hört linkes Ohr etwas anderes als rechtes Ohr.
Das wiederum ist typsisch für klingende "Teile" (wie Instumente/Gegenstände), diese haben ein total "wirres" Abstrahlverhalten.

D.h. bei LSP Chassis die vom Antrieb klirren (also dort wo die Regelung gegenarbeiten kann) wird mit großer Sicherheit dieser Klirr auch gleichmäßig abgestrahlt. Beide Ohren bekommen das selbe Signal ab (bzw. setzt sich über HRTF und Gehirn wieder so zusammen).

Allerdings(!) schlägt sich ein höherer Klirr im Antrieb natürlich auch auf die Membran nieder. D.h. wird ein Chassis z.B. von 250Hz-1,5kHz eingesetzt, und das Ding hat ne Membranreso bei 2kHz. Dann regt k2 von 1kHz diese Reso an und die wiederum kann winkelabhängig sein und somit das Chassis als schallabstrahlendes "klingendes" Objekt erkannt werden.

So meine Theorie.

mfg
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

schauki hat geschrieben:Allerdings(!) schlägt sich ein höherer Klirr im Antrieb natürlich auch auf die Membran nieder. D.h. wird ein Chassis z.B. von 250Hz-1,5kHz eingesetzt, und das Ding hat ne Membranreso bei 2kHz. Dann regt k2 von 1kHz diese Reso an und die wiederum kann winkelabhängig sein und somit das Chassis als schallabstrahlendes "klingendes" Objekt erkannt werden.
Das hört sich erstmal recht plausibel an: Hinter oder in der Frequenzweiche entstehender Klirr wird durch Membranresonanzen verstärkt. Wenn/Falls diese Anteile durch die Regelung weggefiltert werden (können), regen sie die Membranresonanzen nicht mehr an. Auf Gerts elektrischen Messungen der MT-Regelung waren solche Anteile ja auch bei höheren Frequenzen, ausserhalb des Betriebsfrequenzbereiches, deutlich sichtbar.

Gruss,
Winfried
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schauki
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Beitrag von schauki »

Wie gesagt "wenn" sich Klirr aus dem Antrieb auch auf die Membran durchschlägt.

Hier gibts eben den Weg totzudämpfen (Gewebe, Papier, PP,..).
Oder eben den Klirr hoch zu schieben (Keramik, Metall,..)

Bei den Thiel Kermaik Chassis sieht man z.B. die Membranreso bei 4,5kHz. Diese wird durch k3 vom Antrieb bei 1,5kHz (wo diese 6,5" Treiber noch eingesetzt werden) angeregt und schlägt sich dann auch messtechnisch bei 1,5kHz nieder...

Aber solange dies keine interauralen Differenzen ergibt, sehe ich vorerst keinen Grund einer Ortbarkeit. Dazu müsste man allerdings schon super fein messen, also mit 5° Schritten ist da nichts mehr getan.

mfg
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Liebe Anhänger der Sensorregelung,

zum Thema Sensorregelung und Ortbarkeit der Lautsprecher erreichte mich heute eine Email von Herrn Müller. Ich fragte ihn, ob ich seine Zeilen ins Forum stellen dürfe:
Friedrich Müller hat geschrieben:Hallo Herr Dr. Volk,

ich war zwar schon in die Niederungen des Alltags abgetaucht, habe aber gerade zum Thema Sensorregelung gelesen, dass nach "Ortbarkeit" gefragt wird. Das ist wieder so etwas wie "Fingerabdruck": Wenn man eine Box tonal als Erzeuger von Eigenklang erkennt, dann wird unser "Betriebssystem" im Gehör sofort auch die geometrische Zuordnung herstellen. Diese Zuordnung läuft also nicht nur über einen einzigen Effekt (Phase oder Intensität links/rechts) sondern viel komplexer. Wenn es einfach wäre, dann bräuchten wir nicht ein Viertel der Hirnmasse fürs Hören.

Viele Grüße!
Friedrich Müller
@Richard:
schauki hat geschrieben:Es geht um hörmäßige Ortung. Wie diese funktioniert, hat imho nichts mit der Klirrverteilung zu tun.
Ich fürchte, jetzt haben wir ein wenig aneinander vorbei geredet. Es geht nach meinem Verständnis nicht um die Ortbarkeit einer Phantomschallquelle oder eines Instrumentes auf der durch die Lautsprecherwiedergabe aufgespannten Bühne, sondern darum, dass ich bei verdunkeltem Raum mit dem Finger genau dorthin zeigen kann, wo der Lautsprecher steht. Und das hat nach der vorgestellten Arbeitshypothese was mit dem Klirrspektrum zu tun. Apropos, zum Thema Hypothesen schreibt mir Herr Müller in einer anderen Mail:
Friedrich Müller hat geschrieben:Und dass wir zu ähnlichen Erkenntnissen kommen liegt auch daran, dass wir all diese Erklärungsversuche immer als Hypothesen sehen und nicht als Waffen, um einen Diskussionspartner niederzuknüppeln.
Dieser Satz gefällt mir so gut, dass ich mir wünschen würde, dass seine Verinnerlichung den Grundtenor dieses Forums prägt. Wir sind da aber, denke ich, auf einem guten Weg.

Zum Vorschlag, einen Versuch zu unternehmen, wie ein künstlich aufgeprägtes Klirrspektrum den Klang verändert, ein kleiner Hinweis. Ich habe schon unzählige Versuche mit unterschiedlichen Operationsverstärkern gemacht. Tauscht man einen Operationsverstärker in der Kette, z. B. im Vorverstärker, gegen einen der guten alten 741er, wird das Klangbild am Lautsprecher kleben, egal, wie gut der ist. Misst man den Phasen- oder Amplitudenfrequenzgang, stimmt alles. Aber der OP hat der Kette seinen Klirrstempel aufgeprägt.

Viele Grüße
Gert
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