Sensorregelung: Verfahren, Messung und Hörbarkeit

O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Ralph,
Ralph Berres hat geschrieben: Sicherlich kann man die Problematik, das die Resonanzfrequenz eines Lautsprechers sich in einen Geschlossenen Gehäuse erhöht, durch andere Gehäusetechniken mildern, eventuell sogar nach unten erweitern ( Bassreflexsysteme , Hornsysteme Transmissionsline etc ) , doch dazu sind relativ große Gehäuse notwendig welche sich in einen kleinen Wohnzimmer nicht immer unterbringen lassen.
ich bin wirklich der letzte, der nicht zugestehen würde, daß es hier immer um Abwägungsfragen geht. Ich habe gegen Deine Abwägung s.o. überhaupt nichts einzuwenden.

"Lautsprecher bitte sehr klein, dafür brauche ich es nicht so laut" ist erfüllbar und zwar mittels verschiedener Herangehensweisen, wenn wir von Kompakt LS sprechen:

- geschlossen aktiv ohne sensorregelung
- geschlossen aktiv mit sensorregelung
- vented passiv
- vented aktiv (hiermit m.E. sogar sehr gut realisierbar)

BR geht oft deshalb sehr kompakt, weil mit geringerem Verschiebevolumen in Form kleinerer Membranfläche gearbeitet werden kann: Der Port bzw. ein Passivschwinger bringt am unteren Ende des Übertragungsbereiches den Löwenanteil des Verschiebevolumens auf, nicht das treibende Chassis.
Natürlich sind hier Tiefpassfilter von Vorteil, um Chassis kleiner BR-Boxen vor großen Hüben unterhalb des Übertragungsbereiches zu schützen.

Durch BR fällt Vas - das Äquivalentvolumen des Chassis - bei geschickter Dimensionierung u.a. durch kleine Membran - durchaus "handlich" aus.

... hat eigentlich mal jemand über aktiv geregelte BR-Alignments nachgedacht ?

Oder ist das so etwas wie ein "Diesel als Cabrio" ? Macht man nicht, solange bis es dann einer doch tut.

:mrgreen:
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Meintest du jetzt ein Tiefpassfilter oder ein Hochpassfilter gegen zu große Membranauslenkungen?

Das ist auch bei den aktiv geregelten Lautsprechern zwingend notwendig. Schon deswegen weil der Frequenzgang der Regelschleife nicht bis DC runter geht. Aber auch um den Lautsprecher vor zu großen Hub bei Subfrequenzen zu schützen.

Die Bassereflexlautsprecher wie auch die Hornsysteme habe ich immer als riesig groß vorausgesetzt.
Es muss ja irgendwie von dem Gehäuse eine etwa halb so hohe Resonanzfrequenz erzeugt werden wie die Resonanzfrequenz des Chassis um den Frequenzgang nach unten auszuweiten. ( Erinnert mich irgendwie an ein gekoppeltes Bandfilter ) oder verwechsel ich da was?

Bisher habe ich nur Kompaktboxen mit geschlossene Gehäuse gebaut. Anfangs passiv, später aktiv. Zum Schluss ist die BM76 entstanden, weil mir die BM6 zu groß war.

Was die aktive geregelte BR Box betrifft , keine Ahnung ob das funktionieren wird.

Die Regelung bedämpft durch seine Geschwindigkeitsgegenkopplung die Resonanzfrequenz des Systems ja so stark, bis das Q = 1 wird, also quasi nicht mehr in Erscheinung tritt. Wie will man jetzt die zweite Resonanzfrequenz erfassen?

Viele Grüße aus Trier
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Ralph Berres hat geschrieben: Meintest du jetzt ein Tiefpassfilter oder ein Hochpassfilter gegen zu große Membranauslenkungen?
Hallo Ralph

ich meinte natürlich ein Hochpassfilter, Danke (!) zu genau diesem Zweck.

Und weil ich wohl doch nicht mehr so genau weiß, was ich schreibe, gehe ich mal zum gemütlichen Teil des Abends über.

Grüße Oliver


P.S.:

@Ralph:
Ich muss auch nicht mehr auf dem "Strahler 0 ter Ordnung" herumhacken ... 98mal waren jetzt genug :wink: .

Wir werden uns sicher alle noch auf einen realistischen technischen "Rahmen der Möglichkeiten" verständigen können. Das "System ohne Schatten" scheint es nicht zu geben. Nur unterschiedliche Wege dorthin ...

@Roman: Das war jetzt "frei nach Roman."
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Ralph Berres hat geschrieben:Es muss ja irgendwie von dem Gehäuse eine etwa halb so hohe Resonanzfrequenz erzeugt werden wie die Resonanzfrequenz des Chassis um den Frequenzgang nach unten auszuweiten.
Hallo Ralph

wenn das Gehäuse nur Luftfedersteife enthält, kann nach meinem Verständnis die Resonanzfrequenz des Chassis nur steigen.
Die Regelung bedämpft durch seine Geschwindigkeitsgegenkopplung die Resonanzfrequenz des Systems ja so stark, bis das Q = 1 wird, also quasi nicht mehr in Erscheinung tritt. Wie will man jetzt die zweite Resonanzfrequenz erfassen?
Q=1 ist doch keineswegs eine nicht in Erscheinung tretende Resonanz, diesen Fall beschreiben Q-Werte unter 0,5. Oder beschreibst du hier etwas völlig anderes, und ich habe den Faden verloren?

Grüße Hans-Martin
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Oliver

Dann wünsche ich dir noch einen gemütlichen Abend.

Mit dem Strahler Nullter Ordnung, wollte ich eigentlich nur ausdrücken, das bei einen geschwindigkeitsgegengekoppeltes System die Resonanzfrequenz so weit bedämpft ist, das sie praktisch nicht mehr existiert. ( Die Resonanzüberhöhung wird zu Null aber dafür unendlich breit ).

Ich habe da wohl ein paar Begriffe durcheinander gebracht.

Hans Martin ich meinte ein Q von weit unter 1.

Viele Grüße

Ralph
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Zum sensorgeregelten Bassreflexsystem fällt mir ein:

Soweit ich die Physik verstehe, ist wesentliches Merkmal einer Resonanz, dass eine mit wenig Energie in ein schwingungsfähiges System eingespeiste Schwingung bei dessen Resonanzfrequenz zu großen Auslenkungen des schwingungsfähigen Systems wegen bei Resonanz minimalen Energieverbrauches führt.

Im Lautsprecherfall mit Sensorgegenkopplung wird durch die bei der Resonanzfrequenz größere Beschleunigung der Membran eine höhere Sensorausgangsspannung induziert, was laut Cay-Uwes Beschreibung zu mehr negativer Gegenkopplung(sspannung), also durch die Regelung zu starker Dämpfung der (Einbau)Resonanz führt.

Soweit so gut. Ob jetzt eine oder zwei (oder mehr) Resonanzstellen existieren, (deren zwei man z.B. im Impedanzgang einer BR Box ja messen kann!), ist dem Sensor egal, er "meldet" immer, wenn die Beschleunigung durch Resonanz zunehmen "will". Sprich: Die induzierte Sensorausgangsspannung steigt halt auch bei der zweiten, tieferen Resonanz und diese wird halt auch wieder durch mehr Gegenkopplung (= geringere Verstärkung = weniger Energie ins schwingungsfähige System) "ausgeregelt". Also mal von diesem vereinfachten Denkmodell her sollte die elektrodynamische Sensorgegenkopplung auch ein BR System "ausregeln" (können). Der Vorteil des höheren Wirkungsgrades sollte eigentlich durch Einsparung von Leistung auch erhalten bleiben. Olivers Hinweis klingt insofern nachvollziehbar, ja verlockend. Und wenn im obigen Gedankengang kein entscheidender Fehler oder Irrtum steckt (was ich für möglich halte :oops: ), müsste das doch schon mal ausprobiert oder durchgerechnet oder simuliert worden sein. Hmmm.... :roll:

Gruß,
Winfried

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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Physik und Mathematik bemühen sich um Eindeutigkeit. Es wäre wünschenswert, wenn in diesem unter scharfer Beobachtung der Moderatoren stehenden Diskussion auch der Gebrauch von Muttersprache, besonders das geschrieben Wort, die Möglichkeiten ausschöpft, die Missverständnisse vermeiden (nicht an Winfried gerichtet).

Zur Sache: Für mich schließt sich Bassreflex in Verbindung mit Membranregelung aus, der Zugewinn durch BR ist sehr beschränkt, dafür bekommt man reflektierte Mitteltonenergie aus dem Inneren des Gehäuses und eine Phasendrehung am unteren Ende, außerdem ist der FG-Abfall dort steiler.
Wenn ein geregeltes System die BR-Resonanz kontrollieren kann, wäre es da nicht naheliegend, dass auch die üblichen Raumresonanzen mit einem solchen System etwas besser gezähmt werden können?
Das ist eine Frage, die mich schon lange beschäftigt, der Begriff Zweifel wäre vielleicht zutreffender.
Grüße Hans-Martin

P.S. Winfried war mit ähnlichen Gedanken wohl schneller beim Absenden
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Oliver,

ich denke Deine Argumente hat man hier schon richtig verstanden und wie ich und auch andere sagten, muss man bei einer Regelung die auf einen Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- oder Wegsensor beruht, auch darauf achten das die Membrankonstruktion der Spule folgt. Tut sie das nicht ist die Regelung machtlos. So beschrieb ich es auch in meiner vereinfachten Abhandlung und auch Andere haben das so erklärt.

Gert erläuterte das mit einen weiteren Beisiel von einen Mitteltöner, bei dem ab ca. 800Hz die Membran die kolbenförmige Bewegung nicht mehr folgte. Da musste man am Chassis Änderungen durchführen um das sicher zu stellen, damit die Regelung im geplanten Einsatzbereich seine Wirkung nicht verfehlt.

Eins jedoch zeigt die Dissertation [2] "Optische lineare Wegmessung zur Modellierung und Regelung von Lautsprechern", Dipl.-Phys. Wolfgang Geiger, Erlangen - 2004, gut, dass das nicht lineare Verhalten des Antriebs sehr gut durch die Regelung linearisiert wird. Ich finde das ist im Kapitel "6.2.9 Quasistationäre Lautsprecherkennlinie" sehr gut dargestellt.

Nicht desto trotz muss man man als Entwickler eine geeignete Wahl der Komponenten treffen um das gesteckte Ziel zu erreichen. Sehr gut zusammengefasst ist das im Kapitel "7 Zusammenfassung" und "8 Ausblick" der genannten Dissertation beschrieben. Ein zweites Chassis war z.B. ungeeignet um eine vernünftige Regelung auf zu bauen.

Das habe ich indirekt mit meine Versuchen mit Doppelschwingspulen Tieftönern schon erfahren. Für die Test habe ich mir ein billiges Chassis gekauft und wie ich bereits schon sagte traten nicht bei jeder Frequenz Verbesserungen auf. Darauf hin habe ich in "besseres" Material investiert und auch durchgängig bessere Resultate erreicht.

Wie Du sagtest: "There is no lunch for free". In meinen Fall musste ich noch weitere Ausgaben tätigen um zufriedenstellende Ergebnisse für den geplanten Einsatz zu bekommen. :wink:
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

wgh52 hat geschrieben:Zum sensorgeregelten Bassreflexsystem fällt mir ein:

Im Lautsprecherfall mit Sensorgegenkopplung wird durch die bei der Resonanzfrequenz größere Beschleunigung der Membran eine höhere Sensorausgangsspannung induziert, was laut Cay-Uwes Beschreibung zu mehr negativer Gegenkopplung(sspannung), also durch die Regelung zu starker Dämpfung der (Einbau)Resonanz führt.
Das ist soweit richtig.
wgh52 hat geschrieben: Soweit so gut. Ob jetzt eine oder zwei (oder mehr) Resonanzstellen existieren, (deren zwei man z.B. im Impedanzgang einer BR Box ja messen kann!), ist dem Sensor egal, er "meldet" immer, wenn die Beschleunigung durch Resonanz zunehmen "will". Sprich: Die induzierte Sensorausgangsspannung steigt halt auch bei der zweiten, tieferen Resonanz und diese wird halt auch wieder durch mehr Gegenkopplung (= geringere Verstärkung = weniger Energie ins schwingungsfähige System) "ausgeregelt". Also mal von diesem vereinfachten Denkmodell her sollte die elektrodynamische Sensorgegenkopplung auch ein BR System "ausregeln" (können).
Bitte unterscheide zwischen dem Impedanzverlauf, und das was der Sensor abgibt.

Der Sensor bildet nicht zwangsläufig die Impedanz des gesamten Lautsprecherssystems ab, sondern nur die Geschwindigkeit der Schwingspule. In wieweit sich die zweite tiefere Resonanz des BR Systemes sich als Geschwindigkeit der Schwingspule abbildet? Ehrlichgesagt habe ich keine Ahnung. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, wenn dann nur bedingt über Umwege.

Aber wenn du Recht haben solltest, dann würde die zweite Resonanz ja ebenfalls bedämpft werden und das Bass-Reflexsystem ad absurdum geführt werden, was ja genau diese zweite Resonanz benutzt, um den Abfall von 12db/Oktave unterhalb der Hauptresonanz aufzufangen. Oder irre ich hier?

Wie sich die Sache bei Einschwingvorgänge verhält kann ich auch nichts zu sagen. Aber Oliver hat sich ja offenbar sehr tief mit BR Systeme beschäftigt. Vielleicht kann er uns prinzipiell was zu Einschwingvorgänge bei BR Systeme erzählen. Vor allem ob an der Aussage " BR Systeme haben ein schlechtes Einschwing und Auschwingverhalten " was wahres dran ist.

Zugegebenermaßen habe ich mich noch nie ernsthaft mit BR und Hornsysteme befasst, weil mir das was ich bisher zu hören bekam klanglich überhaupt nicht zugesagt hatte. Das ist aber zugegebenermaßen auch schon wieder 40 Jahre her, bevor die Monitor 5 als erste vollgeregelter Lautsprecher meine Bude schmückte. Die Entwicklung mag hier auch weiter gegangen sein.
wgh52 hat geschrieben: Der Vorteil des höheren Wirkungsgrades sollte eigentlich durch Einsparung von Leistung auch erhalten bleiben. Olivers Hinweis klingt insofern nachvollziehbar, ja verlockend. Und wenn im obigen Gedankengang kein entscheidender Fehler oder Irrtum steckt (was ich für möglich halte :oops: ), müsste das doch schon mal ausprobiert oder durchgerechnet oder simuliert worden sein. Hmmm.... :roll:
Ob der höhere Wirkungsgrad für uns Hifi-Spinner (sorry für den Ausdruck aber das sind wir ja alle mehr oder weniger) wirklich wichtig ist? Heute sind (im Gegensatz vor 40 Jahren) Endstufen bis in den Kilowattbereich preisgünstigst verfügbar.

Ralph
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Speedy
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Beitrag von Speedy »

wgh52 hat geschrieben:Zum sensorgeregelten Bassreflexsystem fällt mir ein:
http://www.backesmueller.de/bm/de/bm30.htm

Allerdings in Verbindung mit FIRTEC, ist evtl. zwingend notwendig?

Grüße
Speedy
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Speedy,

danke für den interessanten Hinweis! Mal abgesehen davon, dass mir solch monströse Teile :shock: nicht ins Haus kämen und ich auch die mögliche Maximallautstärke nicht brauche, ist interessant, dass hier Sensorregelung, Bassreflex und DSP miteinander kombiniert werden (müssen?).

Das mit der Erweiterung des Bassbereiches unterhalb der BR Resonanz durch FIRTEC bezweifle ich allerdings etwas oder verstehe das zumindest nicht, weil dort durch den BR Kanal zu tiefen Frequenzen hin (nach meiner Erinnerung...) immer weniger (Membranbewegungs)Dämpfung stattfindet (ähnlich einem akustischen Kurzschluss) und dadurch der F-Gang so gut wie unvermeidlich abfällt (oder?).

Wie dem auch immer sei, wir sehen, dass elektrodynamische Sensorregelung, kombiniert mit BassReflex, erstmal grundsätzlich funktioniert. :cheers: Wahrscheinlich kann man dasselbe Bassverhalten auch anders erreichen, aber darum ging's ja nicht und die Diskussion hier würde sich (vermeidbarerweise) im Kreis drehen ... :wink: :mrgreen:

Gruß,
Winfried

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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Hans Martin,
Hans-Martin hat geschrieben: Zur Sache: Für mich schließt sich Bassreflex in Verbindung mit Membranregelung aus, der Zugewinn durch BR ist sehr beschränkt, dafür bekommt man reflektierte Mitteltonenergie aus dem Inneren des Gehäuses
Diese Sache - "BR geregelt" - ist hier bisher nicht durchdacht oder gar spezifiziert worden, das werde ich auch vorerst nicht weiter verfolgen.

Nur zwei Punkte kurz hierzu als mögliche Motivation.

- an der BR Abstimmfrequenz bis zu 12dB Hubminderung ("bringt nicht viel" ?)

- benötigtes Verschiebevolumen des treibenden Chasiss sinkt um bis zu Faktor 4

- Dadurch Verkleinerung des Membranradius um bis zu Faktor 2 möglich

Synergieeffekte hieraus wären gerade im Mittelton und im unteren Hochton (z.B bei 2-Wege Systemen) zu erwarten.

- Denn der Frequenzbereich der partialschwingungsfreien (annhähernd kolbenförmigen) Membranbewegung kann dadurch ohne "Klimmzüge" um min. eine volle Oktave erweitert werden. Damit sind wir beim "neuralgischen Punkt" jedweder Regelung: Nämlich der kolbenförmigen Membranbewegung, welche dafür Voraussetzung ist.

- Das Bündelungsmaß kann mittels kleinerer Tiefton-Membran zu höheren Frequenzen konstanter gehalten werden, was insgesamt den Aufbau von (Kompakt-) LS mit geringen Diskontinuitäten im Bündelungsmaß (Tief-Mitteltöner vs. Hochtöner) erleichtert.
Hans-Martin hat geschrieben:
... dafür bekommt man reflektierte Mitteltonenergie aus dem Inneren des Gehäuses
... wenn dies z.B. bei einem konkreten 2-Wege System tatsächlich einmal schwer in den Griff zu bekommen sein sollte - bei reinen Woofern ist es bei richtiger Dimensionierung kein Thema - dann kann der Port durch einen in dieser Hinsicht geeignet ausgelegten Passivschwinger ersetzt werden:
Das habe ich zuvor bereits als Option erwähnt.


Zu den hier bisher geäußerten Bedenken und Vorstellungen über BR-Gehäuse im Tiefton (auch durch @wgh und @Hans-Martin):

Ich halte alle hier geäußerten Bedenken bis jetzt für "sehr voreilig" und teils auf unzutreffenden Vorstellungen über Gehäuse 4ter Ordnung beruhend.

So sind z.B. Impedanzkurven von Treibern in Gehäusen 4ter Ordnung sehr mannigfaltig:

Es sind Abstimmungen möglich, die sich hier auf den ersten Blick kaum von einem geschlossenen Gehäuse unterscheiden. Auch die Vorstellung, ein Gehäuse 4ter Ordnung sei durch einen "Resonator geringer Dämpfung" hinreichend charakterisiert, ist unzutreffend.

Der Impedanzverlauf bei BR hat im Wesentlichen 3 Frequenzbereiche, die unterschiedlich ausgeprägt sein können und die unterschiedlich ineinander übergehen können. Stark vereinfacht:

- die "untere" tieffrequente Resonanz: Hier sind Massereaktanz des Ports (oder Passivradiators) und der treibenden Membran praktisch "gekoppelt" und "hängen beide an der Federsteifigkeit" der Aufhängung des treibenden Chassis. Die Federsteifigkeit der Gehäuseluft ist hier quasi "wirkungslos". In diesem Modus kann nicht mehr nennenswert Schall abgestrahlt werden. Treibendes Chassis und Port sind mech. "in Phase", aber die Abstrahlung nach außen löscht sich aus. (Beim Übergang vom "mech. Ersatzschaltbild" zum "Abstrahlmodell" muss hier quasi eine "Umstülpung" von "innen" nach "außen" erfolgen, das ist auf den ersten Blick etwas kontraintuitiv.)

- die Abstimmfrequenz Fb: Hier ist die Impedanz minimal durch verringerte Membrangeschwindigkeit (oft ergeben sich 12dB Hubreduktion). Treibende Membran und Port haben 90 Grad Phasendifferenz. Die Geschwindigkeit des Ports (oder PR) ist maximal, damit auch die Schallabstrahlung durch den Port.

- die obere Resonanz: Hier sind treibende Membran und Port mech. in Antiphase (Abstrahlung jedoch jedoch in Phase s.o.) Es entsteht eine Resonanz (sehr!) vergleichbar mit derjenigen des geschlossenen Gehäuses: Membran und Port arbeiten gemeinsam auf die Federsteifigkeit des Gehäusevolumens.
Kombinierte Massereaktanz der Membran und des Ports werden gleich der Federwirkung des Gehäuses.

Man muss sich von der Vorstellung lösen, hier sei "etwas außer Kontrolle" oder die hohe Resonanzgüte des Gehäuses bei Fb schlage sich beim Gehäuse 4ter Ordnung irgendwo direkt "nach außen" in den Bewegungsgrößen nieder.

Es sind u.a. Abstimmungen mit resistiven Komponenten (Leckagen) möglich, die z.B. einen progressiven Impedanzverlauf bis zur unteren Resonanz aufweisen: "Antiresonanz" bei Fb und obere Resonanz treten dann nicht sichtbar in Erscheinung. Umgekehrt ist bei sehr "tiefen" Abstimmungen oft nur die obere Resonanz deutlich erkennbar.

Es ist mir auf den 1. Blick nicht einsichtig, warum solche Systeme nicht mit einer Regelung versehen werden könnten. Nur so in's Blaue:

- Es wäre vermutlich eine angepasste Hochpassfilterung des Eingangssingals notwendig.

- Die "Antiresonanz" bei Fb (geringe Membranbewegung und Impedanz aber hohe Bewegung des Ports) müsste bereits im Sperrbereich des Hochpasses liegen.

- Eine Erhöhung der Membrangeschwindigkeit - durch Gegenkopplung gegenüber dem ungeregelten Fall - wäre unterhalb der Eigenresonanz nicht in dem Maße erforderlich wie bei "kleinen" (Gehäusevolumen klein gegen Vas) geschlossenen und sensorgeregelten Boxen.

Die Regelung eines BR Systems wäre als Entwicklungsaufgabe wohl weit weniger spektakulär, als viele sich das hier vorstellen. Wie beim geschlossenen Gehäuse auch würde das Vorhandensein der Regelung sich natürlich auf eine mögliche Dimensionierung auswirken.

Möglicherweise könnten z.B. bei korrekter Auslegung jetzt auch Chassis für BR eingesetzt werden, deren Parameter dies sonst nicht als günstig erscheinen lassen.

Ich will das jetzt nicht ausweiten, jedoch wundert es mich, daß hier offenbar noch nichts getan wurde, und sei es nur rein "explorativ".

Das dürfte m.E. auf ein "Denken in Lagern" zurückzuführen sein. Das geschlossene Gehäuse ist ein Netzwerk 2ter Ordnung, das BR-Gehäuse ist hingegen ein Netzwerk 4ter Ordnung, welches von seinen Auslegungsmöglichkeiten das geschlossene Gehäuse praktisch "mit einschließt". So sehe ich es jedenfalls bereits sein Jahrzehnten und so "denke" ich auch BR-Abstimmungen, welche ich für bestimmte Einsatzbereiche benötige (z.B. bei aktiver oder passiver Ansteuerung).

Möglicherweise bestehen hier noch Gelegenheiten in der Elektroakustik: Es gibt davon m.E. noch sehr viel mehr mehr als man gemeinhin denkt. Stellt sich "BR-geregelt" bei näherer Betrachtung - die wir hier im Forum m.E. an dieser Stelle nicht leisten können - als "nicht attraktiv" heraus: OK. Aber dafür sehe ich "a priori" wirklich keinen Grund.


Grüße Oliver
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Speedy

Wobei ich bei der BM30 aber kein Bassreflexsystem erkennen kann. Ich sehe da eher ein ansatzweise Möchtegern-Tieftonhorn und eine Hochtonhorn im System. Und wie man damit Raumresonanzen ausregelt, wie dort behauptet, ist mir schleierhaft.

Vielleicht kann mich jemand von dem Gegenteil überzeugen.

Ralph
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Oliver,
O.Mertineit hat geschrieben:...Zu den hier bisher geäußerten Bedenken und Vorstellungen über BR-Gehäuse im Tiefton (auch durch @wgh...)
Tut mir Leid, das verwirrt mich jetzt... Ich habe gar keine Bedenken geäußert (zumindest nicht bewußt) und meine "Vorstellungen" habe ich (durch Verwendung von "...?") zur Korrektur freigegeben. Soweit ich sehe unterstützen meine Ausführungen eher Deine danach gelieferten fundierten Argumente, die ich mit Neugier und Interesse gelesen habe! Hmmm... :roll:

Gruß,
Winfried

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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Oliver

Ehrlichgesagt muss ich jetzt erst mal extrem tieftauchen, um die Funktion einer Bassreflexbox wirklich zu verstehen.

Aber die Geschwindigkeitsgegenkopplung regelt ja die Differenz zum Geschwindigkeits-Sollsignal ( also das intergrierte Signal welches von der Frequenzweiche kommt ) gegen Null.

Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob das bei einem Bassreflexsystem hilfreich und gewollt ist.

Interessant klingt die Sache ja schon. Ob wir da Erfahrungen austauschen können?

Was den Mittel und Hochtonsystem betrifft.

Ich weis nicht, ob es hier tatsächlich so viele Vorteile bringt.

Ich betreibe bei mir einen 13cm Konusmitteltöner und eine 38mm Kalotte. Beides mit Alumembrane und einer weichen Sicke.

Der 20cm Tieftöner wird bei mir bei 230Hz abgekoppelt und der Mitteltöner bei ca. 890Hz

Sowohl Tieftöner als auch Mitteltöner haben an der oberen Übertragungsgrenze noch einen Gegenkopplungsfaktor von locker 3. ( Es würde noch mehr gehen ), so das die Partialschwingungen hier noch keine Rolle spielen dürfte. ( Die Regelung wird instabil, wenn bei der Partialschwingung die Schleifenverstärkung 1 überschreitet, da sich die Phase des Sensorsignals bei der Partialschwingung extrem schnell ändert ).

Beim Hochtöner sieht das schon problematischer aus. Hier kann ich tatsächlich nur bis maximal 9KHz gegenkoppeln ( Das heißt hier ist der Gegenkopplungsfaktor 1 geworden ) weil mir eine Partialschwingung bei 21KHz in die Suppe spuckt. Das heißt oberhalb 9KHz spielt der Hochtöner ungeregelt.

Man sieht richtig wie die Phase des Sensors bei der Resonanzfrequenz 0° ist und sich kontinuierlich ändert, bis es bei der Partialresonanz sich sehr schnell auf 180° bewegt. Die Bandbreite der Partialresonanz beträgt vielleicht 500Hz und die Überhöhung ca. Faktor 4

Ich habe da auch schon eine Lösung gesucht, aber keine gangbare gefunden. Es müsste einem Gelingen diese Partialschwingung im Hochtöner nach oben zu verschieben, oder zu bedämpfen. Keine Ahnung ob man da mechanisch was machen kann. Vielleicht hast du ja Ideen dazu.

Es gibt natürlich noch die Lösung für den Frequenzbereich ab 9KHz eine 19mm Kalotte einzusetzen, welche sich dann bis etwa 18KHz regeln lässt.

Aber dazu fehlt mir im Gehäuse der Platz sowohl vorne als auch innen.

Notgedrungen habe ich es dann gelassen wie es ist.

Ralph
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