![Bild](http://img55.imageshack.us/img55/6876/cashxw5.jpg)
Johnny Cash - American IV: The Man Comes Around
Bei einem Mann wie Johnny Cash sich für eine Musikempfehlung auf nur eine einzige Platte festzulegen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Einem Künstler, der bereits zu Lebzeiten zwischen 1954 und 2003 weit über hundert Alben aufgenommen hat. Zu erwähnen wären da auf jeden Fall die frühen Aufnahmen Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre, einer Zeit in der fast alle bekannten Hits von Johnny Cash entstanden. Ganz besonders hervorzuheben sind natürlich die legendären Liveaufnahmen in den Gefängnissen "At Folsom Prison" (1968) und "At San Quentin" (1969), die eine ganz fantastische Live-Atmosphäre mit typischer Cash-Musik vor Sträflingspublikum vermitteln.
Während die frühen 70er v.a. von Johnny Cashs eigener Fernsehshow "The Johnny Cash Show" beim US-Sender ABC geprägt waren, begann sein Stern langsam zu verblassen, weshalb die um diese Zeit entstandene Musik sich vielleicht eher für den Hardcore-Cash-Fan eignet. Es folgte ein kurzes Zwischenhoch Mitte der Achtziger zusammen mit seinen Freunden Willie Nelson, Kris Kristofferson und Waylon Jennings, die unter dem Namen "The Highwaymen" zwei Platten mit typischen amerikansichen Country herausbrachten. Danach ging es steil bergab mit Johnny Cash, bis, ja bis zum Jahre 1993. Der Zusammenarbeit von Johnny Cash mit dem Musikproduzenten Rick Rubin, den man bis zu diesem Zeitpunkt eher mit Metal, Rock oder HipHop in Verbindung gebracht hatte, ist eine ganze Reihe Platten zu verdanken, die unter der Serie "American Recordings" auf den Markt erschienen sind.
Es sind diese Platten des eigentlichen Comebacks von Johnny Cash, die ich den aktiven Hörern besonders ans Herz legen möchte.
Aus der Zusammenarbeit mit Rick Rubin entstanden fünf Alben:
American Recordings (1994)
Unchained (1996)
American III: Solitary Man (2000)
American IV: The Man Comes Around (2002)
American V: A Hundred Highways (2006 - posthum erschienen)
"American Recordings" reduzierte Cash dabei nach langer Zeit wieder auf das Wesentliche: Johnny Cashs eindrückliche, unvergleichliche und hier noch ungebrochene Stimme, nur begleitet von einer akustischen Gitarre.
"Unchained" entwickelt dieses Konzept weiter, die nicht minder eindrucksvolle Stimme Cashs erklingt hier zusammen mit mehreren Instrumenten und wird bisweilen von Größen wie Tom Petty begleitet. Insgesamt klingt diese Platte wesentlich beschwingter als das extrem puristische "American Recordings".
"Solitary Man" macht dort weiter, wo "Unchained" aufhörte, wieder mit tatkräftiger Unterstützung von Tom Petty, Cashs Frau June Carter und anderen. Die Instrumentierung wird wieder zurückgenommen und die Gitarre tritt wieder mehr in den Vordergrund. Und auf diesem dritten Album der Reihe klingt Johnny Cashs Stimme erstmalig etwas brüchig, was der Intensität der Lieder aber keinen Abbruch tut, sondern sie im Gegenteil nur noch steigert.
Es ist die letzte noch zu Lebzeiten veröffentlichte Platte von Johnny Cash "American IV: The Man Comes Around", die ich hier besonders herausheben möchte. Für mich ist sie ist die beste der fünf "American Recordings"-Alben. Cash, von seiner Krankheit stark beeinträchtigt, singt mit jetzt gebrochener Stimme, noch fragiler als auf "Solitary Man" und dennoch nochmals intensiver. Coverversionen von den Beatles, Simon&Garfunkel, Nine Inch Nails, Depeche Mode (!), den Eagles, aber auch Neuinterpretationen traditioneller Kost vom Volkslied bis zu Hank Williams. Höhepunkte sind das erste und das letzte Lied auf dieser Platte: eröffnet wird sie mit dem titelgebenden "The Man Comes Around", von Johnny Cash für dieses Album geschrieben, den Schlußpunkt setzt das Herz anrührende "We'll Meet Again".
Johnny Cash verstarb am 12. September 2003.
Der Vollständigkeit halber seien hier auch noch ein paar Worte zu "American V: A Hundred Highways" erwähnt. Dieses fünfte Album entstand kurz vor Johnny Cashs Tod, wurde aber erst zwei Jahre später von Rick Rubin abgemischt. Wie die vierte Platte enthält "A Hundred Highways" grandiose Coverversionen und Eigenkompositionen. Manche mögen sagen, es wäre Leichenfledderei und reine Profitgier, noch ein fünftes Exemplar der "American Recordings"-Serie auf den Markt zu bringen. All jenen, die so denken lege ich nahe einmal in "A Hundred Highways" hineinzuhören. Diese Platte steht meiner Ansicht nach seinem Vorgänger in nichts nach. Auf "A Hundred Highways" finden sich nicht minder eindrückliche Lieder und insgesamt ist die Platte einfach nur wunderschön, es wäre ein Verlust diese nicht zu veröffentlichen. Johnny Cash war bei der Fertigstellung zwar nicht mehr am Leben, ich bin mir aber sicher, daß er auch dieses Album genau so und nicht anders abgesegnet hätte.
Gruß, Stefan
PS:
In diesem Zusammenhang zu erwähnen wäre übrigens auch noch:
Unearthed (2003)
Diese grandiose 5 CD Box rundet die oben beschriebenen Alben in idealer Weise ab. Auf vier CDs finden sich 64 bislang unveröffentlichte Aufnahmen aus der "American Recordings"-Zeit, teils wieder Coverversionen, teils traditionelle Arrangements und ein Zeichen dafür, wie produktiv Johnny Cash bis zuletzt war. Zusätzlich gibt es auf der fünften CD eine Art Best Of aus den ersten vier "American Recordings"-Alben mit 15 Liedern. Und das umfangreiche Booklet ist für Fans so etwas wie das Sahnehäubchen.