Erweiterter virtueller Gegenbass - ein akustischer Interpretationsversuch
Liebe Gegenbassfreunde,
der
Neue Ansatz zum virtuellen Gegenbass von Uli hat mich
ziemlich irritiert.
Zwar ist mir klar, dass Alex und Fujak gute Erfolge haben ("Wer heilt hat Recht." würde Peter vermutlich sagen) und Ulis Argumente sind bestechend. Allerdings hatte das so wenig mit der ursprünglichen Idee zu tun, dass ich mir nicht vorstellen konnte, was da eigentlich
akustisch passieren soll.
Für mich ist der virtuelle Gegenbass zunächst etwas, was man
sowohl quasi-analog als auch digital realisieren kann und was man als
virtuellen DBA bezeichnen könnte. Dahinter steht ein wohldefiniertes akustisches Konzept: Hauptlautsprecher/Bässe als Array ausgestaltet, quaderförmiger Raum, damit näherungsweise Ebene Wellen, Spiegelung der Bässe an der Gegenwand und Feuern, sobald die ebene Wellenfront (nach zweimaliger Reflexion einmal an der Gegenwand und einmal an der Frontwand) wieder auf die Hauptbässe trifft.
Was bedeutet dann das von Alex beschriebene Szenario mit Verdacht auf tangentialen Moden? Was bedeutet das bei Fujaks zerklüfteter Situation? Ist das, was wir hier diskutieren, wirklich so etwas wie der
virtuelle Gegenbass, wie ursprünglich angedacht? Dann wäre es eine
Erweiterung davon. Oder ist es einfach "nur" ein
verbesserter Algorithmus zur Erstellung von FIR Filtern, so dass durch geschickte Interferenzen am Hörplatz die Situation verbessert wird? Das wäre ja auch etwas Feines. Aber vielleicht unter irreführender Überschrift?
Nun, wie gesagt, Ulis Argumente sind überzeugend. So wie er sein Kochrezept für den virtuellen DBA
aufgestellt und hergeleitet hat, hat er nun auf derselben argumentativen Basis eine Erweiterung vorgestellt, mit der sich der virtuelle DBA eben als Spezialisierung auffassen lässt.
Ich habe mir die Sache nun so zurechtgelegt, dass ich selbst jetzt keine Widersprüche mehr sehe zwischen diesen scheinbar widersprüchlichen Positionen. Und die Gedanken dazu will ich Euch natürlich nicht vorenthalten. Hierzu spiele ich drei Szenarien durch.
1. Virtueller DBA
Die ursprüngliche Idee, wie ja gerade schon charakterisiert.
Bei der Zeichung habe ich eine Wellennormale mit ihren Reflexionen mal notiert. (Es gibt darüber hinaus auch noch die Normale in die Gegenrichtung.)
Vorteile: Ebene Wellen, Gegenbass-Wirkung über weite Strecken im Raum
Nachteil: Im Vergleich zum echten DBA mindestens eine Reflexion mehr. Dadurch "irreversibe" Anregung der fundamentalen Raummode in Hörrichtung.
2. Virtueller Gegenbass zur Vermeidung von Quermoden
Diese Möglichkeit wurde von
Marc ins Spiel gebracht.
Hier für den linken Kanal skizziert und wieder nur für einen Pfad der Wellennormalen. Also wird der Schall wie beim virtuellen DBA zweimal reflektiert, bevor er wieder beim betreffenden LS landet. Dieser feuert dann nach einer Schallaufzeit entsprechend zweimal der Raumbreite das Gegensignal. Der rechte LS macht das analog.
Vorteil: Gegenbass-Wirkung gegen Quermoden möglich
Nachteile: Zwei Reflexionen sind Minimum wie beim virtuellen DBA. Und: ebene Wellen dürfte es hier nicht mehr so geben wie beim virtuellen DBA. Insofern ist die Wirkung - insbesondere weiter hinten im Raum eingeschränkt.
(Wir hatten die Bedingung der ebenen Welle / Hohlraumresonatorbedingungen gebraucht, um eine sehr weitgehende Auslöschung / destruktive Interferenz beim DBA zu begründen. Der Umkehrschluss ist nicht ohne Weiteres zulässig, wir müssten hier eine saubere Simulation machen. Aber nach allem was wir über
Antischall wissen, wirkt dieser i.a. immer nur in einem begrenzten Raumbereich und die DBA-Bedingungen stellen eben eine Besonderheit dar.).
3. Virtueller Gegenbass zur Vermeidung tangentialer Raummoden
Dieses Thema hat
Alex aufgebracht. Zumindest indirekt. Seine Resonanzfrequenz bei 55 Hz lässt sich zumindest einmal erklären mit einer tangentialen Mode, deren Entstehung man sich wie folgt vorstellen kann, wobei die vier Pfade alle gleich lang sein müssen:
Um nun die tangentiale Mode optimal anzuregen, sollte man die LS möglichst in diese Pfade hineinstellen. (Sorry Alex, ich stelle das hier nur plakativ dar, das muss für Deine Aufstellung natürlich nicht gelten.) Für den virtuellen Gegenbass würde das dann so aussehen:
Bleiben wir wieder beim linken Kanal und dem einen Pfad, der nach vorne abgestahlt wird. Es sind vier Reflexionen im Spiel, so dass diese tangentale Moden normalerweise eher nur sehr abgeschwächt auftritt. Dennoch der virtuelle Gegenbass könnte auch hier eingeschaltet werden. Er feuert nach der Schalllaufzeit entsprechend dem einmaligen Durchlauf aller gezeichneten Wege.
Vorteile und Nachteile sind qualitativ wie beim Fall 2 (virtueller Gegenbass zur Vermeidung von Quermoden). Allerdings dürften wir hier noch viel weiter von der Bedingung ebener Wellen entfernt sein. Ich würde erwarten, dass die Wirkung noch stärker räumlich eingegrenzt ist (verringerte Effektivität des virtuellen Gegenbasses). Hinzu kommt, dass wir immerhin vier Reflexionen nicht vermeiden können, bevor der virtuelle Gegenbass feuert. Die so an die Raummode abgegebene Energie, bekommen wir später nicht mehr eingefangen. Das geht also zu Lasten Effizienz des virtuellen Gegenbass.
Fazit: Für mich passt jetzt alles in diesem Thread diskutierte wieder zusammen.
Vom virtuellen DBA würde ich nur im ersten Fall sprechen wollen, da wir nur hier eine BA-Situation haben. Die anderen Situationen (und hier könnte man natürlich weitere konstruieren) hätten eher die Bezeichung des (verallgemeinerten) virtuellen Gegenbasses verdient. Und insgesamt ist das natürlich eine feine Sache mit verbesserten, stabileren Filtern in Acourate arbeiten zu können.
Verallemeinerte Grüße
Harald