Liebe DBA-Freunde,
habe mir über dieses Thema nochmals Gedanken gemacht und auch verschiedene Simulationen gefahren.
Ziel war für mich, zu verstehen, welche Stellgrößen es an einem DBA gibt und wie ich bei der Einstellung vorgehen sollte.
Dazu kam die Frage, was passiert, wenn man vom Ideal abweicht und
die Hauptbässe nicht direkt an/in die Frontwand stellt sondern davor. Wenn wir uns vorstellen, dass der Hauptlautsprecher nur einen Teil des Tiefbasses nach vorne und den Rest eben nach hinten abstrahlt, so erreicht nur ein Teil des Schalls den Gegenbass direkt, ein anderer Teil erst nach Reflexion an der Frontwand ein wenig später. Wann soll ich bei einer solchen Konstellation den Gegenbass feuern lassen?
Die Diskussion weiter oben in diesem Thread hat gezeigt, dass es viele Annahmen und Voraussetzungen sind, die in diese Betrachtungen eingehen. Daher bemühe ich mich, alle Überlegungen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und die Annahmen und Voraussetzungen entsprechend aufzuzeigen.
Noch ein Hinweis: Ich benutze z.T. konkrete Zahlenbeispiele. Diese beziehen sich auf die speziellen Verhältnisse in meinem Hörraum. Für andere Gegebenheiten ist davon dann natürlich abzuweichen.
1. Vorbemerkungen
1.1 Raummoden
Das Thema Raummoden wurde in
diesem Thread erläutert. Ein DBA soll verhindern, dass Raummoden in der Hauptabstrahlrichtung (bei mir die Raumlängsrichtung) mit Energie versorgt werden. Die folgende grundlegende Darstellung hat sich bewährt:
Es sind nur eine Hand voll Moden, die wir mit dem DBA bekämpfen können. Bezogen auf meinen Raum (Länge 4,74 m) und den geplanten Arbeitsbereich des DBA bis 100 Hz bedeutet das, dass ich vor allem auf die Fundamentalresonanz (rot) und die 1te Harmonische (blau) abziele.
Ab n = 3 bin ich bereits aus dem Arbeitsbereich des DBA heraus und das Feld wird frei für andere Optimierungsmaßnahmen ("passive" Raumakustik, Convolving, etc.)
1.2 Aufbau der Bass-Arrays im Raumquerschnitt
Die Frage ist hier: wie funktioniert eigentlich ein Bass-Array? Wir hatten das weiter oben schon verschiedentlich. Ich habe mir selbst dazu nichts Neues überlegt zitiere aber der Vollständigkeit halber aus dem
Wiki-Artikel:
Die Anordnung bei 4 Bass-Chassis: ¼ … ¾ entlang Raumbreite, analog für die Raumhöhe. Eine solche Anordnung führt zu ebenen Wellen, die sich entlang der Raumlängsrichtung ausbreiten:
Voraussetzung: Damit die virtuelle Spiegelung der Quellen (z.B. Spiegelbild von Q1 ist S1) braucht es ideal schallreflektierende Seitenwände ohne Schallabsorption. Wir können mal von einem Reflexionsgrad von > 0,9 ausgehen insbesondere im Bass-Bereich. Daher ist diese Voraussetzung recht gut erfüllt.
Per Konstruktion hat ein solcher Bass-Array eine Grenzfrequenz bis zu der er funktioniert.
f = c / (2 * d),
wobei f die Grenzfrequenz, c die Schallgeschwindigkeit und d der Abstand zwischen den Bass-Chassis ist. Beispiel: Bei meinem Raum habe ich in der Breite d = 1,66 m und damit eine Grenzfrequenz von 103 Hz unterhalb derer der Bass-Array zu ebenen Wellen führt. Das passt sehr gut zu dem bei mir geplanten Frequenzbereich 16 Hz … 100 Hz des DBA.
2. Simulation des DBA
2.1 Grundsätzliches
Nun gehen wir von einem Bass-Array für den Hauptbass sowie ein Bass-Array für den Gegenbass aus und unterstellen, dass die o.g. Bedingungen erfüllt sind. Dann haben das Bass-Beschallungsproblem auf in eine Dimension reduziert.
Zur Simulation des DBA verwende ich folgende Größen:
n: Ordnungszahl derjenigen Raummode, die der simulierten Bassfrequenz entspricht.
Bei Simulation einer Frequenz, die keiner Raummode entspricht, wird n entsprechend
nicht-ganzzahlig.
p: Abstand des Hauptbasses von der Hauptwand relativ zur Raumlänge (0 <= p < 1).
Beispiel: p = 1/6
q: Abstand des Gegenbasses von der Gegenwand relativ zur Raumlänge (0 <= q <1)
Beispiel: q = 0 oder q = 1/6
rho: Schallreflexionsgrad bei Reflexionen an Haupt- oder Gegenwand (0 < rho <= 1)
Im Folgenden: rho = 0 (keine Reflexion) oder rho = 0,9
sigma: Anteil der vom Haupt- oder Gegenbass nach vorne abgestrahlten Schallenergie
(0 < sigma < 1), im Folgenden: sigma = ½
gamma: Verstärkungsfaktor für das Gegenbass-Signal (0 < gamma)
Ein weiterer Parameter ist der Zeitpunkt, wann der Gegenbass feuert. Dies wird bei jeder Simulation entsprechend im Text erläutert. Ebenso wird erläutert, welches Signal er absendet.
Weitere Annahmen / Voraussetzungen bei den Simulationen:
- Die Schallgeschwindigkeit wird als konstant angenommen.
- In der eindimensionalen Betrachtung gibt es lediglich zwei Richtungen, in der die Schallausbreitung stattfinden kann: von links nach rechts oder eben von rechts nach links.
- Der Bass sendet ein sinusförmiges Signal, das k Perioden lang ist. Im Folgenden ist k so groß, dass wir von stationären Zuständen ausgehen können. Maß für die Frequenz des Signals ist die Ordnungszahl n der korrespondierenden Raummode.
Idee:
- (1) Da sich beliebige Signale durch Superposition aus Sinus-Signalen zusammensetzen lassen, können wir davon ausgehen, dass der DBA funktioniert, wenn er für jedes beliebige sinusförmige Signal funktioniert (innerhalb seines Arbeitsbereiches).
- (2) Wenn sich bei einem länger laufenden Signal die Raummoden nicht aufbauen, tun sie dies bei einem kürzeren erst recht nicht.
Beide Aspekte ließen sich aber jederzeit auch in verfeinerten Simulationen überprüfen, sollten Zweifel daran aufkommen.
- Der Gegenbass sendet sein Signal invertiert gegenüber dem Hauptbass.
- Streckenlängen werden immer in relativer Raumlänge ausgedrückt. Die Raumlänge selbst ist auf 1 normiert.
- Zeitintervalle werden immer in Streckenlängen ausgedrückt, die der Schall in der betreffenden Zeit zurückgelegt hat.
- Bei der Simulation läuft ein zeitlicher Laufparameter t, typischerweise von 0 bis 10. Das entspricht derjenigen Zeit, die der Schall braucht um den Raum t mal zu durchlaufen.
- Die Signale werden an den Raumwänden (da eindimensionale Betrachtung gibt es lediglich Haupt- und Gegenwand) reflektiert. Dabei Berücksichtigung des Schallreflexionsgrads rho. Die Anzahl der gerechneten Reflexionen ist hinreichend groß. (<= t_max)
- Alles in Schalldruck-Darstellung. D.h. Reflexionen an den Wänden sind Reflexionen am „offenen“ Ende
- Die resultierende Schallwelle entsteht durch Amplitudenaddition der konstruierten Schallwellen. Es wird immer nur diese Resultierende gezeigt.
2.2 Bass und Gegenbass direkt an den Wänden (p = q = 0)
Betrachtung hier n = 2 (1. Harmonische der Grundmode). Der Hauptbass sendet seinen Schall von links nach rechts (sigma =1), Gegenbass entsprechend von rechts nach links. Der Gegenbass feuert, sobald der Schall des Hauptbasses auf der Gegenwand auftrifft. Die Intensität des Gegenbasses entspricht exakt derjenigen des Hauptbasses. In diesem einfachen Fall feuert der Gegenbass also genau das negative Sinus-Signal des Hauptbasses um 1 verzögert.
Hier nun eine Darstellung des Haupt-Bass-Signals:
Ohne DBA führt das Haupt-Bass-Signal zu einer Bevölkerung der Raummode n = 2 (mein Sohn nennt das „den Vogel machen“):
Nun eine Darstellung wie Haupt- und Gegenbass-Signal sich addieren, wenn keine Reflexionen stattfinden würden (rho = 0). Diese Darstellung hat sich bewährt, um zu prüfen, ob der DBA richtig eingestellt ist. Das ist dann der Fall, wenn die Resultierende ihre Schalldruckknoten gerade an den Wänden hat, insbesondere an der Gegenwand. Hier ist das idealtypisch der Fall:
Nun schließlich Bass und Gegenbass mit Reflexionen = DBA in voller Funktion:
Man erkennt, dass es keine Bass-Erhöhung im Raum gibt. Maximalamplitude liegt bei 1. Das würde – sollte diese Simulation realistisch sein – auch bedeuten, dass man bei einem ideal funktionierenden DBA keine Bass-Absenkung am Haupt-Bass benötigt.
2.3 Bass auf p = 1/6, Gegenbass direkt an der Gegenwand, Gegenbass feuert zu einem mittleren Zeitpunkt.
In meinem Hörraum ist es mir nicht möglich, den Haut-Bass direkt an die Hauptwand zu stellen. Daher die Entscheidung auf 1/6 zu gehen. Frage: funktioniert der DBA dann auch noch?
Wieder n = 2. Hauptbass sendet die Hälfte (sigma =1/2) des Schalls von links nach rechts, die andere Hälfte von rechts nach links, wo es zu früher Reflexion an der Hauptwand kommt. Der Gegenbass feuert zum (arithmetisch) mittleren Zeitpunkt: für den früher ankommenden Anteil zu spät für den später ankommenden Anteil zu früh. Bei der Intensität des Gegenbasses wird die frühe Reflexion eines Teils des Signals berücksichtigt.
Da der Standort des Hauptbasses verändert wurde hier zunächst die Darstellung ohne Gegenbass aber gleich mit Reflexionen:
Dann die Darstellung bei der Haupt- und Gegenbass addiert werden, ohne Reflexionen im Raum zu berücksichtigen. Man sieht, dass er hier nicht gelungen ist, die Resultierende an der Gegenwand konstant auf einen Knoten zu bringen.
Betrachtet man Bass und Gegenbass mit Reflexionen, so erkennt man, dass der DBA hier nicht optimal läuft:
Zwar wird die Raummode nicht so extrem angeregt, wie ohne DBA, aber es sieht an den Wänden „schlimm“ aus.
2.4 Bass auf p = 1/6, Gegenbass auf q = 1/6, Gegenbass feuert zu optimierten Zeitpunkten.
Nun ein erster Korrekturversuch. Wenn nicht nur der Bass von der Hauptwand entfernt steht sondern auch der Gegenbass von der Gegenwand – beide jeweils 1/6 – führt das nicht vielleicht zu einer Symmetrie, so dass der DBA wieder besser funktioniert?
Wieder n = 2. Der Hauptbass sendet die Hälfte (sigma =1/2) seines Schalls von links nach rechts, die andere Hälfte von rechts nach links, wo es zu früher Reflexion an der Hauptwand kommt.
Hier habe ich viele verschiedene Varianten gerechnet. Ich zeige hier eine, bei der der Gegenbass immer dann feuert, wenn ein Haupt-Bass-Signal bei ihm ankommt. Zunächst reagiert er auf das direkte Signal dann auf das von der Hauptwand reflektierte. Die Intensität ist dabei immer so groß wie diejenige des bei Gegenbass ankommenden Signals.
Zunächst die Darstellung bei der Haupt- und Gegenbass addiert werden, ohne Reflexionen im Raum zu berücksichtigen. Dieser Korrekturversuch zieht offenbar nicht. Die Resultierende verhält sich deutlich ungünstiger als bei der zuletzt betrachteten Konstellation (Bass auf 1/6, Gegenbass an Gegenwand)
Entsprechend führen Reflexionen zu einem sehr schnellen Aufschaukeln der Raummode, ganz ählich wie bei der Situation ohne DBA:
Nun könnte weiterhin am Zeitpunkt gedreht werden, wann der Gegenbass feuert. Es hat sich bei meinen Simulationen gezeigt: je weiter der Gegenbass von der Gegenwand entfernt ist, umso stärker wird die Raummode „gefüttert“und die Resultierende aus Signal und Reflexion schaukelt sich bei jedem Durchlauf immer weiter auf. Der DBA „divergiert“. Steht der Gegenbass nahe an der Wand (q klein wenn auch nicht Null), so ist dieser Effekt nicht so stark und der DBA führt zu einem verbesserten Ergebnis gegenüber dem reinen Bass ohne Gegenbass.
2.5 Bass auf p = 1/6, Gegenbass an Gegenwand, Gegenbass feuert zwei Signale eines zu einem früheren und eines zu einem späteren Zeitpunkt.
Einem anderen Korrekturversuch auf p = 1/6 zu reagieren liegt folgende Idee zugrunde: Der direkte (nicht reflektierte) Teil des Signals, der vom Haupt-Bass kommt wird, führt zu einem früheren Feuern des Gegenbasses. Der später eintreffende Anteil vom Hauptbass wird vom Gegenbass durch erneutes Feuern zu einem späteren Zeitpunkt „in Empfang genommen“.
Wieder n = 2. Der Hauptbass sendet die Hälfte (sigma =1/2) des Schalls von links nach rechts, die andere Hälfte von rechts nach links, wo es zu früher Reflexion an der Hauptwand kommt. Der Gegenbass feuert mit Intensität sigma, sobald das frühe Haupt-Bass-Signal bei ihm ankommt. Später feuert der Gegenbass nochmals, sobald der an der Hauptwand reflektierte Anteil des Hauptbass-Signals bei ihm ankommt - diesmal mit der Intensität ((1 – sigma)*rho).
Zunächst die Darstellung bei der Haupt- und Gegenbass addiert werden, ohne Reflexionen im Raum zu berücksichtigen. Die Resultierende wirkt wiederum wie festgenagelt an den Wänden. Die Raummode wird nur minimal angeregt.
Dies führt bei der Darstellung mit Bass und Gegenbass unter Berücksichtigung der Reflexionen wieder zu einer idealtypisch guten Funktionsweise des DBA:
Fazit:
- (1) Wenn der Hauptbass von der Hauptwand weggerückt wird (p > 0) tut es dem DBA gut, wenn zwei verschiedene Signalverzögerungen berücksichtigt werden.
- (2) Sofern der Gegenbass nicht in die Gegenwand eingebaut werden kann, wird von diesem Idealbild jedenfalls abzuweichen sein. Weitere Simulationen zeigen aber, dass für kleine q (Gegenbass nahe an der Gegenwand) die Raummoden zwar etwas stärker bevölkert werden als für q=0, der DBA als solches aber immer noch gut bis sehr gut funktioniert.
3. Praktischer Versuch
Ich habe – neben diesen theoretischen Überlegungen einen praktischen Versuch gemacht.
Hierzu folgende Kette: G-ADS1 → Behringer DCX 2496 → RME Fireface UC → Lautsprecher.
Dabei
Behringer Kanal 1+2 mit Allpass versehen auf Fireface Eingang Kanal 1 und 2
Behringer Kanal 3 und 4 mit Tiefpass-Filter und zeitlicher Verzögerung zur Reaktion auf das frühe Bass-Signal sowie Inversion auf Fireface Eingang Kanal 3 und 4
Behringer Kanal 5 und 6 mit Tiefpass-Filter und zeitlicher Verzögerung zur Reaktion auf das späte Bass-Signal sowie Inverion auf Fireface Eingang Kanal 5 und 6
Fireface Kanal 1 auf Hautp-LS links, Kanal 2 auf Haupt-LS rechts
Fireface Summe der Kanäle 3 + 5 auf Gegenbass links
Fireface Summe der Kanäle 4 + 6 auf Gegenbass rechts
Damit habe ich versucht, Phasendrehungen von Behringer und Fireface zu vermeiden. Fireface macht ja eine gewisse zeitliche Verzögerung, daher alles über Fireface, damit sich das "rauskürzt".
Ergebnis: Ein audiophiles Highlight war das nicht gerade, was die Signalqualität betrifft. Aber der DBA ist „eingerastet“ wie ich das bei mir noch nicht gehört hatte.
4. Schlussfolgerung
Aus meiner Sicht ist das zweimalige Feuern des Gegenbasses wichtig, wenn die Haupt-LS nicht direkt an der Hautpwand stehen (bei mir 1/6 der Raumlänge davon entfernt).
Konkret heißt das für meinen DBA Aufbau: Ich verwende den Behringer DCX2496 um das Gegenbass-Signal zeitlich zu verzögern. Um nun zwei Signale zu generieren, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten feuern, benötige ich unterschiedliche Kanalstränge des Behringers, die am Ende wieder addiert und den Gegenbässen zugeführt werden. Der Behringer hat sechs solcher Stränge, die mit unterschiedlichen Verzögerungen arbeiten können; das funktioniert also. Allerdings kann der DCX diese Stränge von Haus aus nicht mischen und es würde einen zusätzlichen analogen Mischer brauchen.
Gert hat sich freundlicherweise bereit erklärt, sich den Behringer nochmals vorzunehmen und einen solchen Summierer entsprechend einzubauen.
Beste Grüße
Harald