erst einmal vielen Dank für die von Dir verlinkten Arbeiten, die ich zwar noch nicht kannte, die aber mit meinem Hornsystem und den mit meinem Raum verbundenen Erfordernissen nichts zu tun haben, wie schon aus dem ersten Absatz der letztgenannten Arbeit hervorgeht. Ich zitiere: "Die Entwicklung moderner Beschallungsanlagen stellt eine höchst komplexe Aufgabe dar. Neben der Erzielung maximaler Wirkungsgrade und einem linearen Schalldruckfrequenzgang auf Achse, muss ein moderner Beschallungslautsprecher in der Lage sein einen genau definierten Raumwinkelbereich zu beschallen. Erst so kann eine Clusterbildung, das Kombinieren mehrerer Lautsprecher zur Beschallung eines größeren Raumwinkels, ohne Interferenzbeeinträchtigung durchgeführt werden. Aber auch die Entwicklung von Line-Arrays, Lautsprecheranordnungen mit dem Verhalten einer Linienquelle, erfordert ein genau definiertes Verhalten der einzelnen Strahler."
- Ich betreibe bei mir kein Cluster, möchte auch nicht mehrere Lautsprecher kombinieren oder Line-Arrays entwickeln. Ich betreibe mein Hornsystem artig und allein bei mir zuhause und nicht im knapp vier Kilometer entfernten Volkspark-Stadion. Ich möchte demzufolge auch nicht Menschenmassen breitflächig beschallen, sondern als einzelne Person im Sweet spot sitzen, dort dann aber einen Logenplatz haben. Auch wenn ich es im Gegensatz zu Dir daher leider nicht "hoch interessant" finde, weil es mich einfach nicht betrifft, gehe ich weiter unten trotzdem noch auf einige in dieser Arbeit postulierten Erkenntnisse/Erfordernisse für einen Hornlautsprecher ein.
Bei all meinen Erläuterungen beziehe ich mich explizit auf JMLC-Hörner (E-JMLC, "normale" JMLC und von Jean-Michel Le Cléac'h neu gerechnete Iwata-Hörner), von CD-Hörnern war bisher nirgendwo in meinem gesamten Thread die Rede, weil mich deren vermeintliche "Vorteile" trotz der heute allgemein üblichen Anwendung bei Studiomonitoren bezogen auf mein eigenes, sehr spezielles Anforderungsprofil nicht überzeugt haben, da dieses von dem Lastenheft der industriellen Hersteller professioneller Monitore erheblich abweicht. Da ändern auch die von Dir verlinkte Dissertation und der Artikel zur Hornoptimierung insbesondere deswegen nichts, weil sich die diesen Arbeiten zugrundeliegenden Gedanken und Annahmen nicht auf meine Erfordernisse (z.B. Sweet Spot als Einzelperson, kein den Klang erheblich beeinflussendes Mischpult vor der Nase, keine Einschränkung hinsichtlich der Gestaltung des Raumes und daher Verwendung großer, in Studios nicht einsetzbarer Hornsysteme etc.) als nicht professioneller Anwender beziehen.
Es gab hinsichtlich der Vorteile/Nachteile von JMLC-Hörnern versus CD-Hörnern schon ellenlange Diskussionen zwischen Jean-Michel Le Cléac'h und Earl Geddes im Thread https://www.diyaudio.com/community/thre ... ns.140190/, in dem es zwischen den beiden Herren teilweise hoch herging. Dieser Thread ist 91 Seiten lang und umfasst pro Seite ca. 20 Posts, die Argumente pro und contra sind ziemlich abgegrast. Die von Jean-Michel Le Cléac'h angeführten Vorteile von JMLC-Hörnern gegenüber den von Earl Geddes propagierten CD-Hörnern haben mich davon überzeugt, für mein Projekt die entsprechenden JMLC-Hörner zu verwenden, die in Anlehnung an schon lange bekannte Kugelwellenhörnern mit einer von Jean-Michel Le Cléac'h eingeführten Methode neu berechnet wurden: "In fact my contribution should be looked more as a method to calculate horns than rather a new expansion."
Dein angeführtes Argument, dass die meisten professionellen Monitore heutzutage nur drei Wege und davon nur einen Weg oberhalb 700 Hz verwenden, hat ja auch etwas mit dem speziellen Anforderungsprofil professioneller Anwender zu tun: Man ist eben gezwungen, mit so wenig Wegen wie möglich ein homogenes Schallfeld im Near- oder Midfieldbereich des Studios zu erzeugen und dem Ideal der Punktschallquelle zu entsprechen. Ich aber höre an exakt einem Punkt, dem Sweet spot und habe einen Raum vor mir, den ich im Rahmen der vorgegebenen Architektur und des Familienfriedens völlig frei gestalten kann. Ich habe also kein Studio und brauche daher auch keinen Studiolautsprecher. Wohl habe ich, wie auch Du und viele andere in diesem Forum, einen akustisch behandelten Raum, der hervorragende Nachhallzeiten innerhalb der EBU-Norm für Studios hat, aber es ist trotzdem ein Wohnzimmer.
Ich bin auch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Horngrößen und ggf. damit einhergehenden Kohärenzproblemen unterworfen, wie von Dir angeführt, auf die ich übrigens an mehreren Stellen meiner Texte eingegangen und von denen ich explizit gesprochen habe: Je mehr Wege, desto mehr Probleme, mein Reden. Ich sage auch nicht, dass ein Lautsprecher mit drei Wegen nicht "funktioniert" und keine Freude bereitet. Ich sage lediglich, dass ein 6-Wegehornsystem mit mehreren "JMLC"-Wegen und ergänzendem 469 cm langem Eckhorn und Midbass-Horn mit einer Größe des Hornmundes von 74,5 cm H x 118 cm B und einer Tiefe von 140 cm bei einem Gewicht von ca. 180 kg, so sie denn kompromisslos untergebracht werden können, noch etwas besser funktioniert als ein 3-/4-/5-Wegehornsystem. Und ich vermute, dass sich diese Aussagen auch auf andere Horntypen übertragen lassen, kann aber diesbezüglich keine verlässliche Aussage machen, weil ich diese eben nicht ausprobiert habe! Eben gerade, weil im Internet so viel erzählt wird und oft keine Vergleichbarkeit vorliegt, habe ich bekanntermaßen verschiedene Horntypen und Setups eigenhändig ausprobiert, um mir mein eigenes Urteil zu bilden. Durch mein "Basteln" hatte ich eben die Option, verschiedene Konstellationen zu erproben und war daher nie auf Fertigprodukte eines Herstellers angewiesen. Und außerdem hatte ich das große Glück, hinreichende Unterstützung durch kompetente Menschen zu erfahren, die ich im Verlauf der Zeit kennengelernt habe.
Und da interessieren mich heute (industriell gefertigte) "Fertigprodukte", die immer irgendwelchen Kompromissen folgen müssen und die ich natürlich auch Jahrzehnte besessen habe, relativ wenig. Das mag vielleicht für den einen oder anderen überheblich klingen, aber es entspricht der Tatsache. Theoretische Vorstellungen und Dissertationen sind das eine, die abgeleitete Praxis ist das andere. Du bist gern eingeladen, das Hornsetup mit den theoretisch bestehenden Schwierigkeiten eines 6-Wegesystems, die aber in der Praxis mit entsprechender Fleißarbeit zu lösen sind, einmal in realitas anzuhören! Constant directivity hin oder her, the proof is in the pudding.
Die aus der Korrektur abgeleitete eigentliche Sprungantwort des ganzen Hornsetups, die auch die Kohärenz des ganzen Systems trotz der vielen Treiber/Chassis widerspiegelt, hält am Hörplatz auf 350 cm Abstand zur Mundöffnung des Midbasshorns und 550 cm zur Mundöffnung des Tieftonhorns bezogen, meines Wissens jeder Gegenüberstellung zu vergleichbaren anderen Lautsprechern stand.
Zeitkorrigierte Sprungantwort des 6-Wegehornsystems nach Testconvolution:
Auch das bis auf den Tiefbass linearisierte Phasenverhalten stellt sich harmonisch dar:
Lauthörer hat geschrieben: ↑22.04.2022, 11:40Dort laufen die CD-Hörner alle so ab ca. 700 - 800 Hz bis oben durch, natürlich mit passendem FIR-Filterdesign. Ich habe bei mir noch nie Probleme mit der Directivity festgestellt, weder gemessen noch gehört. In soweit würde ich deinen Beitrag so nicht allgemeingültig stehen lassen.
Es gilt das oben Gesagte: Die Aussagen beziehen sich auf eigene Erfahrungen mit JMLC-Hörner. Wie Du weißt, ist die Directivity aus dem Frequenzgangverlauf am Sweet spot gemessen auch nicht ableitbar, sie wäre es aber, wenn wir Messungen unter verschiedenen Winkelgraden durchführen würden. Führst Du diese wirklich immer durch? Dann Chapeau. Könntest Du uns eine Deiner derartige Messungen und ggf. auch noch die Sprungantwort dazu bitte mal in Deinem Thread zeigen? Ich kann es leider nicht, da das gesamte Setup aufgrund der Abmessungen dafür nur äußerst schlecht geeignet ist, und ich es für meine Konstellation auch gar nicht für nötig halte, da ich allein im Sweet spot sitze. Und meiner Ansicht nach ist nur das vergleichende Hören A-B entlarvend und nicht das Hören eines Lautsprecherpaars. Außerdem, wenn alles perfekt und man superzufrieden ist, muss man nichts ändern. Glückwunsch Dir und anderen Musikliebhabern, die das erreicht haben!
Nun möchte ich noch, wie oben versprochen, auf einige Punkte der zweiten Arbeit des Herrn Michael Makarski aus dem Institut für Technische Akustik der Uni Aachen eingehen. Ich zitiere jeweils wortwörtlich und antworte direkt darunter:
"So ist es Aufgabe des Entwicklers durch den Einsatz geeigneter Horntrichter die Directivity zu formen, um den Lautsprecher für den jeweiligen Einsatzzweck nutzbar zu machen."
Stimmt, sehe ich auch so. Ich bin zwar kein Entwickler, sondern nur Bastler, aber die gewünschte Directivity am Sweet spot und damit der Einsatzzweck ist perfekt erreicht.
"Analytische Berechnung
Zweifelsohne wäre die analytische Berechnung die exakteste und mächtigste Beschreibung eines Trichters alle akustischen Eigenschaften aus einer Formel in Abhängigkeit der Geometrie ableiten lassen könnten. Lösungen der Differentialgleichung zur Berechnung der Wellenausbreitung sind jedoch nur für rotationssymmetrische Trichter bei bestimmten Wuchsmaßen (konische Trichter, Exponentialtrichter, hyperbolische Tricher, Kugelwellenhorn, etc.) bekannt."
Und eben die verwende ich bekanntermaßen.
"Ziel bei der Entwicklung von Beschallungsanlagen im professionellen Bereich ist eigentlich immer in einem möglichst großen Frequenzbereich ein Maximum an Wirkungsgrad zu erzielen."
Ich habe keinen professionellen Bereich, aber ein Maximum an Wirkungsgrad ist bei einem Hornsetup mit vier Kompressionstreibern und Wirkungsgraden zwischen 105 dB - 112 dB/Watt und zwei mit Konustreibern bestückten langen Hörner für den Midbass und den Tiefbass sicherlich gegeben. Der Übertragungsbereich ist auch ausreichend, wie nachfolgende Grafik zeigt.
"Betrachtet man die Quellimpedanzen verschiedener Horntreiber in Abbildung 4.4, so ist ersichtlich, dass eine optimale breitbandige Anpassung nur näherungsweise zu erreichen sein wird, oder nur in einem schmalen Frequenzband der maximale Wirkungsgrad erreicht werden kann."
Dem kann ich mich anschließen. Unter anderem deswegen arbeite ich mit mehreren Wegen.
"7. Hornoptimierung mit BEM
Wird als Ausgangspunkt für eine Entwicklung ein bereits existierendes Horn mit bekannten Eigenschaften verwendet und durch gezielte Modifikationen an der Geometrie eine bestimmte Eigenschaft verbessert, so spricht man von Hornoptimierung. Als Beispiel dient im Folgenden der Kugelwellentrichter, der bekanntermaßen ab einer unteren Grenzfrequenz eine perfekte Anpassung an das Schallfeld bietet. Dies zeigt sich im geraden Verlauf der Hornhalsimpedanz (Abbildung 7.1) und einer von Einbrüchen und Überhöhungen völlig freien Schalldruckübertragungsfunktion."
Die von mir verwendeten Hörner werden sogar meist erst eine Oktave oberhalb dieser unteren Grenzfrequenz eingesetzt (siehe meine Posts weiter oben), weil sie dort perfekt laden.
"Leider ist die Directivity des Kugelwellenhorns aufgrund der Rotationssymmetrie für viele Anwendungsfälle nicht gut geeignet. Ziel der hier beschriebenen Hornoptimierung ist es, die Directivity zu manipulieren, ohne die gute Anpassung an das Schallfeld zu zerstören. In einem ersten, kleinen Entwicklungsschritt sollte zunächst die Mundfläche von rund auf quadratisch verändert werden."
Für meinen speziellen Anwendungsfall ist sie aber perfekt geeignet (siehe oben) und der "kleine Entwicklungsschritt" von rund auf eckig ist zum Glück nicht notwendig.
Lauthörer hat geschrieben: ↑22.04.2022, 11:40Was die Anzahl der Wege anbelangt, so ist es für mich auch kein Zufall, v.a. aber auch kein Sparzwang, dass man sich bei allen o.g. Monitoren für nur einen Weg oberhalb von 700 Hz entschieden hat. Mangelndes Knowhow wird es nicht sein. Es ist, wenn man mit Fachleuten spricht, ein Optimierungsproblem. Viele Wege haben spezifische Vorteile, dagegen sprechen aber Konsistenz und Kohärenz. Eine einzige Punktschallquelle oberhalb von 700 Hz scheint in der professionellen Entwicklung von hochwertigen Studiomonitoren auf Hornbasis ein dominierendes Kriterium zu sein.Auf Grund meines Anwendungsgebietes mit dezidiertem Sweet Spot habe ich mich für JMLC-Hörner entschieden.
Eben, weil es ein Optimierungsproblem für den spezifischen Fall in einem Studio, aber nicht für zuhause ist. TAD- und GPA-Treiber sind hochgradig konsistent, wie Du aus meinem Vergleich zwischen zwei TAD-Treibern TD-2002 erkennen konntest. Die Kohärenz ist am Sweet spot sicher nicht so schlecht, wie das nette Treffen mit u.a. den Tonmeistern des NDR gezeigt hat, die übrigens sowohl im Studio als auch in der Elphie mit Neumann Monitoren KH 420 arbeiten. Sonst hätten wir auch Markus Wolff gar nicht einladen dürfen!
Viele Grüße
Holger