Ein Hallo den Antireflexionisten und insbesondere den Dipolisten
Die frühen Raumreflexionen sind lästig. Unter den üblichen Verdächtigen* figurieren die durch den Fussboden/die Raumdecke bedingte Reflexion, die durch die Frontwand hinter den LS und die durch die Rückwand hinter der Hörposition. Um diese zu minimieren, resp. möglichst auszuschalten, können Massnahmen getroffen werden wie z.B. Absorption, Diffusion und Weglenkung. Die Wirksamkeit, resp. die Grenzen dieser drei Prinzipien sind, wie bereits in Forum anderswo erwähnt, in einen BBC-Paper sehr schön dargestellt:
http://downloads.bbc.co.uk/rd/pubs/reports/1995-04.pdf. Dipole, so wie auch Hornlautsprecher, ermöglichen ein viertes Prinzip der Nicht-Anregung. So strahlt das Horn in der Regel nicht nach hinten, der Dipol nicht zur Seite hin.
Nun mache ich seit einigen Wochen mit zwei Quad ESL63 Versuche, u.a. unter Ausnützung deren Dipol-Abstrahlcharakteristik die frühen Raumreflexionen möglichst zu minimieren. Wenn gelingt, ein Dipol entsprechend in der Hörachse leicht drehen und zu neigen, dann kann das Intensitätsverhältnis von Direkt- zu reflektiertem Schall verbessern. Ein anderer Gedanke wäre es, ein Dipol so zu drehen, dass dessen Null-Stelle mit dem Reflexionsstahl identisch wird. Dann wird die entsprechende Reflexion durch ein Null angeregt. Ich werde im Folgenden vom DS/R-Verhältnis sprechen in Anlehnung an das S/N-Verhältnis. In diesem Fall nicht Signal/Noise, aber Direktschall/Reflektion.
Ein erster theoretischer Versuch, ob die Theorie der Nicht-Anregung von Reflexionen mittels der Dipol-Nullstelle praktisch Sinn macht: In diesem Setup wird sowohl der Dipol, als auch das Mikrofon in 1m von der Wand aufgestellt. Der Abstand zwischen Dipol und Mikrofon beträgt dabei 2 m. Das Dipol wird nun in 45°-Schritten gedreht, mal zur Wand hin, mal von der Wand weg. Im Setup ist auch eine reflektierende und absorbierende Platte aus PET-Gewebe erkennbar, welches die Bodenreflexion teils absorbiert und teils weglenkt.
Zuerst das Resultat für die Dipolachsen von -90° - 0° - +90° (bezogen auf die Mic-Position):
Alle Impulse wurden auf den Wert 1 normalisiert, um die DS/R-Verhältnisse vergleichbar zu gestalten. Die blaue Kurve ist die frontal gemessene 0°-Kurve. Es zeigt sich eine kleine Reflexion nach 2.3ms, entsprechend dem Umweg von 80cm über die Wand. Das DS/R-Verhältnis ist recht passabel mit einem Verhältnis von ca. 10:1. Um die Theorie zu überprüfen, die beiden anderen Extrempositionen von +90° und -90° in grün und schwarz. Hier strahlt tatsächlich praktisch nichts zum Mikrofon hin, während das Dipol im Abstrahlwinkel von 45° zum Mikrofon hin als Reflexion gegen die Wand strahlt. Das DS/R-Verhältnis ist entsprechend katastrophal schlecht: Kein Nutzsignal, und blosse Reflexion. Das, wie gesagt, zur erfolgreichen Überprüfung der Theorie. Kein noch so Bedepperter würde sowas im regulären Hörbetrieb aufstellen.
Dann das Resultat für die Dipolachsen von -45° - 0° - +45°:
In Blau wiederum das 0°-Achsenresultat. In Braun die Position, in welcher der Dipol bei 45° Drehung zum Miktrofon und mit dem Dipol-Null gegen die potenzielle Wandreflexion hin: Bestens! Die Wandreflexion findet tatsächlich nicht statt: Wo nichts hingestrahlt wird, kann auch nichts reflektiert werden. Das Mikrofon hingegen wird aus der 45°-Achse des Dipols bestrahlt. Im gegenteiligen Fall, bei einer maximalen Bestrahlung der Wandreflexion (graue Kurve), ist diese denn auch Maximal und der Pegel des direkten Pfades aus der 45°-Achse des Dipols entsprechend abgeschwächt. Die Praxis stimmt auch für die 45°-Versuche also in etwa mit der Theorie überein.
Dann noch ein praxisnahes Experiment mit einem Setup als Stereo-Dreieck. Gemessen wurde ausschliesslich am rechten Dipol, welcher in leicht nach oben strahlend, geneigter Stellung auf einem kleinen USM-Gestell steht. Bei diesem Experiment wurde versucht, drei frühe Reflexionen möglichst zu minimieren/eliminierenn unabhängig von den spezifischen Abstrahleigenschaften von Dipolen. Das folgende Experiment dürfte deshalb auch für Monopole Gültigkeit haben.
1. Die Bodenreflexion: Diese wird mittels einer 24mm-echopanel-Platte
http://www.wovenimage.com/brands/echopanel/ep-24mm.html einerseits wegreflektiert, andererseits absorbiert, aber auch partiell durchgelassen. Der W-Basskubus unter der Platte ist nicht angeschlossen und dient lediglich als statisches Element, um die Platte gegenüber dem Fussboden leicht schräg anzuheben. Durch die Schrägstellung muss der Strahl die Platte zu zwei verschiedenen Laufzeiten passieren, wobei er sich jedes Mal abschwächt.
2. Die Reflektion an der Frontwand (hinter den Dipolen): Diese soll mittels einer akustisch spiegelnden Fläche weggelenkt werden. Da ich keine entsprechende Gipskartonplatte in meiner Wühlkiste hatte, musste dafür ein Spiegel herhalten. Dieser ist mittig in den Strahl plaziert, welcher von der Dipolmitte über die Wand zur Hörposition (zum Mikrofon) hin laufen würde. Die Fläche ist leicht angewinkelt, sodass der Strahl von der Hörposition idealerweise weggelenkt wird. Im praktischen Betrieb müsste die Breite wohl etwas breiter bemessen werden, damit diese als akustisches Hindernis bis zur unteren Grenzfrequenz des Dipols wirksam sein könnte.
3. Die Reflexion an der Rückwand: Versuchsweise wurde eine 80mm-Fiberform 62T-Matte (
https://www.vibraplast.ch/de/schall-lae ... kloesungen) vertikal unmittelbar hinter dem Mikrophon aufgestellt.
Nun zum Lohn der Bemühungen:
Der Dipol wurde exakt auf die Messposition hin ausgerichtet. Gemessen wurde mit einem Sweep von 150Hz ... 20kHz. Schwarz ist die Kurve ohne jegliche Massnahmen, Rot die Kurve mit den 3 zuvor beschriebenen Flächen. Ohne Gegenmassnahmen zeigen sich auf der schwarzen Kurve deutlich die Bodenreflexion nach ca. 1.3ms mit DS/R von ca. 6, die Frontwandreflexion nach 4.7ms mit DS/R von ca. 5 und die Reflexion von der Rückwand nach 8.2ms mit DS/R von ca. 8. Die rote Kurve zeugt vom Erfolg. Boden- und Frontreflexion sind nicht mehr nachweisbar. Die Intensität der Reflexion von der Rückwand beträgt noch ca. 1/3 deren Intensität ohne die Absorber-Matte, das DS/R-Verhältnis beträgt nun ca. 20.
An diesen Experimenten hat mich erfreut, wie es gelingen kann, mit relativ bescheidenen Mitteln frühe Reflexionen loszuwerden. Besonders erstaunt hat mich die Wirkung des relativ kleinen Spiegels hinter den Quads. Das ebenso wirksame Schanzenkonstrukt gegen die Bodenreflexion wird sicherlich noch ein Hörraum-taugliches Facelift erhalten müssen. Und gegen die Rückwandreflexion werde ich mal einen kleinen, flachen Keil an die Rückwand stellen.
Bei all diesen Experimenten würde ich die Möglichkeit der Messung als Diagnostikum und als Erfolgskontrolle nicht missen wollen.
Entreflexierte Grüsse
Simon
Als PS eine kurze (1'), filmische Nachspeise zum Thema übliche Verdächtige: *
https://www.youtube.com/watch?v=HXuBnz6vtuI