Sensorregelung: Verfahren, Messung und Hörbarkeit

Christian Kramer
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Beitrag von Christian Kramer »

Hallo Franz,

dieser Effekt ist mir vor ca. 4 Jahren bei Herrn Kings sofort aufgefallen, dort habe ich zum ersten mal eine geregelte Box gehört.

Grüße Christian
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schauki
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Beitrag von schauki »

@Franz
Ich glaube ich verstehe schon richtig. Nur dass bei meiner/meinen Anlagen seit Jahren schon keinen 11 Uhr Stellung mehr gibt....

Genau das was du beschreibst kenne ich von div. Anlagen. Und dass es an der Regelung liegt, kann ich für mich ausschließen, denn wenn bei mir die keiner in einem unbeobachteten Moment reingefrimmelt hat, dann haben meine Tröten auch keine. Und die spielen in weitem Maße eben pegelunabhängig - so wie du beschreibst.

Bleibt aber noch immer die Frage, warum ich das so empfinde? Denn eigentlich MÜSSTE, wenn der LSP alles richtig macht und mein frequenzabhängiges Lautheitsempfinden nicht "abnorm" ist, zumindest ein tonaler Unterschied vorhanden sein. Denn soooo wenig ists wiederum auch nicht lt. Fletscher-Munson (und weiterführend).

Auf der anderen Seite höre ich ja auch sonst nicht alles, was so geschrieben steht, das man hören müsste. :oops:

mfg
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Liebe Regelungsanhänger,

der Nebenschauplatz "Lautheitsempfinden des menschlichen Gehörs" bringt uns glaube ich nicht weiter. Exakt skalierbares Verhalten des Lautsprechers bei kleineren Pegeln vorausgesetzt, ändert sich natürlich der Frequenzgang des Lautheitsempfindens. Aber das kennt das Gehirn eben genau. Macht man 6dB leiser, empfindet man das - bei einem ideal arbeitenden Lautsprecher - eben nicht als tonale Änderung. Skaliert der Lautsprecher dagegen nicht linear um 6db runter, empfindet man diese Abweichung vom "natürlichen" Verhalten als tonale Änderung. Stellt man einen Steinway auf's freie Feld und stellt seinen Klappstuhl im gebührenden Abstand von 5m neben dem Pianisten auf, erkennt man den tonalen Fingerabdruck dieses Instruments genauso, wie wenn man 10m für gebührend hält.

Ich möchte vielmehr in unserem Ansinnen fortfahren, die Vorgänge in einem geregelten Lautsprecher besser zu verstehen. Und möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass mir dabei jeglicher missionarischer Eifer fehlt. Meine Intension ist vielmehr, diejenigen, die an den technischen Zusammenhängen interessiert sind, sie aber noch nicht so genau kennen, mitzunehmen. Die Skeptiker dagegen, die mit dem siebzehnten Nebeneffekt versuchen, die Unsinnigkeit eines solchen technischen Systems nachzuweisen, dürfen wegen mir sehr gerne weiterhin auf eine Regelung verzichten.

Zunächst habe ich, um in einem weiteren kleinen Experiment die Wirkungsweise zu beleuchten, den bereits vorgestellten Messverstärker einbaut:

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Er sitzt direkt über der Endstufenplatine des 3. Tieftöners, der zweiten senkrecht stehenden Leiterplatte von links. Man sieht das dünne Käbelchen, das die Messsignale links unten nach außen befördert. Abgegriffen habe ich am Eingang in die Regelschaltung des 1. Tieftöners (der oberste der vier 20cm-Chassis der BM20). Es ist wie schon diskutiert ein induktiv geregeltes Chassis. Das Korrektursignal, gleichbedeutend mit dem Eingang in die lineare Regelstrecke, ist der zweite Messkanal. Was dort zu sehen sein wird, ist (von linearen Vestärkungsfaktoren einmal abgesehen) auch die Ansteuerspannung des Chassis, da der Regler selbst ein P-Regler ist - ein linearer Verstärker also.

Ich habe Ulis Acourate-Software benutzt, um die Messungen zu machen. Dazu wurde ein Sinussweep erzeugt von 10Hz bis 1kHz. Höhere Frequenzen machen keinen Sinn, da die Weiche das Signal mit einem Linkwitz-Riley-Tiefpass 4. Ordnung bei 180Hz in meiner Subtraktivweiche begrenzt und deshalb bei noch höheren Frequenzen eh kein vernünftig messbares Signal mehr ankommen wird. Der Sweep läuft in 60s durch dieses Frequenzband. Man sieht folgenden Frequenzgang am Eingang der Regelschaltung:

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Dargestellt ist der Frequenzbereich von 10Hz bis 800Hz. Man sieht, dass das Signal so ca. ab 550Hz anfängt, im Rauschen zu verschwinden (die Linie fängt an zu zappeln). Man muss bedenken, dass ich die Messung bei gemäßigter Lautstärkeeinstellung gemacht habe, ca. 30dB unter Vollaussteuerung. Die gezeigte Kurve habe ich so verschoben, dass das Maximum ungefähr bei 0dB liegt. Dass das Messverstärkerlein gemeinsam mit den angeschlossenen Leitungen dann bei -50dB im Rauschen versackt, ist ok. Bezogen auf Vollausteuerung wäre das ein Signal-Rauschabstand von 80dB.

Was will uns diese Kurve nun sagen? Nun, zunächst sieht man im Frequenzbereich zwischen 20 und 100Hz eine fallende Gerade mit 6dB pro Oktave - das ist der schon diskutierte Integrierer, der notwendig ist, um vom Sollsignal, das eine gewünschte Membranbeschleunigung repräsentiert, zum Sollsignal für die Geschwindigkeit zu kommen, auf die geregelt wird. Am linken Ende des Frequenzbereichs weicht der Frequenzgang davon nach unten ab - das sind zwei hintereinander liegende Hochpässe 1. Ordnung bei ca. 12Hz Einsatzfrequenz. Nein, das ist kein Subsonicfilter in der Box :mrgreen:. Wer meine Beiträge verfolgt hat weiß, dass das Subfilter aus Gruppenlaufzeitgründen weichen musste. Schuld ist vielmehr die Soundkarte, die da unten zumacht.

Ab 100Hz beginnend sieht man den Einsatz des Tiefpassfilters der Frequenzweiche - die Übernahmefrequenz zum Mitteltöner ist bei 180Hz.

Den Frequenzgang von Weiche und Integrierer habe ich in Acourate mal getrennt berechnet. Die rote Kurve ist das Tiefpassfilter der Weiche, die grüne der real eingesetzte Integrierer:

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Man sieht, dass der Integrierer ab 100Hz langsam in eine ebene Gerade übergeht. Das habe ich so gemacht, abweichend vom BM-Original. Um das zu verstehen, muss man sich Folgendes klar machen:

Nehmen wir an, wir hätten ein ideales Chassis, das also bei allen Frequenzen einen gleichbleibenden Schalldruck liefert. Nun machen wir den Integrierer in den Signalweg rein. Dann ist, ohne Regelung, der Frequenzgang des Integrierers im Schalldruck abgebildet. Die Regelung muss nun also dafür Sorge tragen, dass der Frequenzgang des (idealen) Chassis nun mit 6dB pro Oktave steigt, um den Integrierer auszugleichen. Mit zunehmender Frequenz muss sie immer stärker eingreifen, was sie schon wegen des begrenzten Gegenkopplungsfaktors eben nur begrenzt kann. Sie wird mit zunehmender Frequenz also immer weniger dazu in der Lage sein, den Frequenzgang entsprechend hochzuziehen. Dem wirke ich dadurch entgegen, dass ich die Integrationswirkung nach oben hin flacher gestalte. Bildet man nun den inversen Frequenzgang von Weiche und Integrierer,

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kann man diese beiden Signale mit dem Messignal falten und erhält das Eingangssignal vor der Weiche:

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Übrig ist jetzt nur noch der Frequenzgang der Soundkarte. Den rauszurechnen, spare ich mir - übrig bliebe dann ein gerader waagrechter Strich. Diese Rückwärts-Rechnung war dazu gedacht, zu zeigen, wie das Signal vor der Regelung zustande kommt. Oberhalb von 550Hz weicht das Signal vermeintlich von der Geraden ab - wie schon erwähnt, weil wir da bei einem Pegel von -80dB im Rauschen versickern mit dem Messsignal.

Wenn man nun glaubt, die Geschwindigkeitsregelung sei nicht gut geeignet, weil man mit steigender Frequenz immer mehr gegenkoppeln müsste, um die Amplitude konstant zu halten, vergisst man Folgendes: Wir haben ja kein ideales Chassis. Unterhalb der Resonanzfrequenz des im geschlossenen Gehäuse eingebauten Chassis fällt der Frequenzgang sogar mit 12dB pro Oktave ab, was einem Doppelintegrierer als Vorsteuerung entspräche. Der einfache Integrierer, der durch die Geschwindigkeitsregelung zum linearen Frequenzgang führt, stellt somit eine Art mittlere Vorsteuerung über alle Frequenzen dar.

Ich habe nun etwas weit ausgeholt, das ist mir bewusst. Ich wollte aber, bevor ich die Messung der Regelgröße zeige, zunächst einmal das Verständnis für das, was zu sehen sein wird, etwas vertiefen.

Viele Grüße
Gert
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JoergStumpp
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Beitrag von JoergStumpp »

Franz hat geschrieben:...Was mich dann auch noch verblueffte und worauf ich ja sehr gespannt war, war der Effekt dass durch eine Aenderung der Lautstaerke tatsaechlich der Klangcharakter immer gleich blieb! Absolut erstaunlich. Ich frage mich immernoch wie das sein kann. Vielleicht kann der Entwickler da mal Licht reinbringen. Also Franz’s Beschreibung des LS vorab, hat sich mit meinem Hoereindruck absolut gedeckt...
Hallo,

unser Ohr ist sehr empfindlich auf Veränderungen in harmonischen Obertönen. So wird z.B. die pegelabhängige Klirrstruktur eines Verstärkers für die Klangunterschiede zwischen verschiedenen Verstärkern verantwortlich gemacht.

Der Klangcharakter oder besser die Klangfarbe eines Instrumentes ergibt sich aus dem Verhältnis von Grundschwingung zu den Harmonischen Obertönen. Ausdruckstarle Musik entsteht indem der Spieler ständig den Anteil der Obertöne variiert. Schon geringe harmonische Verzerrungen verändern die Klangfarbe ohne dass wir dies als Verzerrung wahrnehmen.

Eine aktive Regelung eines Lautsprechers sorgt nun gerade dafür, dass die Verzerrungen bei steigendem Schalldruck viel schwächer ansteigen, als dies bei einem ungeregelten Chassis gleicher Größe der Fall ist.
Die meisten ungeregelten Lautsprecher ( wenn man Modelle für wirklich hohe Schalldrücke absieht) fangen bei Schalldrücken um 100db schon merklich an nichtlinear zu werden (besonder unterhalb von 100Herz). Das bedeuted z.B auch dass Impulsspitzen schon merklich geglättet werden. Die Verzerrungen können zwischen 80db und 100db durchaus auf den 10 fachen Wert ansteigen.

Ich denke, dass der beschrieben Effekt in erster Linie durch pegelabhängige Verzerrungen erklärt werden kann.

Jörg Stumpp
schauki
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Beitrag von schauki »

Fortepianus hat geschrieben:der Nebenschauplatz "Lautheitsempfinden des menschlichen Gehörs" bringt uns glaube ich nicht weiter. Exakt skalierbares Verhalten des Lautsprechers bei kleineren Pegeln vorausgesetzt, ändert sich natürlich der Frequenzgang des Lautheitsempfindens. Aber das kennt das Gehirn eben genau. Macht man 6dB leiser, empfindet man das - bei einem ideal arbeitenden Lautsprecher - eben nicht als tonale Änderung. Skaliert der Lautsprecher dagegen nicht linear um 6db runter, empfindet man diese Abweichung vom "natürlichen" Verhalten als tonale Änderung. Stellt man einen Steinway auf's freie Feld und stellt seinen Klappstuhl im gebührenden Abstand von 5m neben dem Pianisten auf, erkennt man den tonalen Fingerabdruck dieses Instruments genauso, wie wenn man 10m für gebührend hält.
Dann würde mich interessieren, wie man jemals zu diesen Kurven kommen könnte? Die sind ja aus Hörtests entstanden - inkl. Gehirn - und wenn das immer rausgerechnet würde, dann gäbe es dieses "Lautheitsempfinden" schlicht nicht.

Erhöht man bei 50Hz den Pegel um 40dB, dann ist die empfundene Pegelzunahme eine andere als wenn man bei 1kHz den Pegel um 40dB erhöht. Ich denke bei 6dB Differenz sind die Kurven noch zu gleich, um da nennenswerte Unterschiede zu hören - ich sowieso nicht.

Für 40dB müsste man den Kalppstuhl schon ein ganzen Stück weit tragen...
Ich möchte vielmehr in unserem Ansinnen fortfahren, die Vorgänge in einem geregelten Lautsprecher besser zu verstehen. Und möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass mir dabei jeglicher missionarischer Eifer fehlt. Meine Intension ist vielmehr, diejenigen, die an den technischen Zusammenhängen interessiert sind, sie aber noch nicht so genau kennen, mitzunehmen. Die Skeptiker dagegen, die mit dem siebzehnten Nebeneffekt versuchen, die Unsinnigkeit eines solchen technischen Systems nachzuweisen, dürfen wegen mir sehr gerne weiterhin auf eine Regelung verzichten.
Keine Angst, missionarischer Eifer wird je nach Gusto zugesprochen, und fast immer nur wenn die sachlichen Argumente ausgehen.

Bin übriges kein Skeptiker, nur frage ich eben nach den Größenordnungen. Nur die Theorie dahinter (und die Werbeprospekte der Hersteller) ist mir zu wenig, wäre das genug, gäbe/gibts zumindest so viele ultimative Lösungen wie es Hersteller gibt.

Zum Rest, bin schon seeehr gespannt wie es weitergeht. Optimal wäre , weiß jetzt nicht ob das möglich ist, so eine ähnliche Darstellung wie Acourate macht: Soll - Korrektur - Ergebnis

Aber ich denke, dir wird schon eine geeignete Darstellung einfallen.

mfg
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schauki
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Beitrag von schauki »

JoergStumpp hat geschrieben:...unser Ohr ist sehr empfindlich auf Veränderungen in harmonischen Obertönen. So wird z.B. die pegelabhängige Klirrstruktur eines Verstärkers für die Klangunterschiede zwischen verschiedenen Verstärkern verantwortlich gemacht.

Der Klangcharakter oder besser die Klangfarbe eines Instrumentes ergibt sich aus dem Verhältnis von Grundschwingung zu den Harmonischen Obertönen. Ausdruckstarle Musik entsteht indem der Spieler ständig den Anteil der Obertöne variiert. Schon geringe harmonische Verzerrungen verändern die Klangfarbe ohne dass wir dies als Verzerrung wahrnehmen.
Jup, das ist ein Punkt!
Eine aktive Regelung eines Lautsprechers sorgt nun gerade dafür, dass die Verzerrungen bei steigendem Schalldruck viel schwächer ansteigen, als dies bei einem ungeregelten Chassis gleicher Größe der Fall ist.
Wieviel - das ist z.B. eine meiner Fragen, wo ich bisher nichts gefunden habe.
Hier z.B. von Hifi-Selbstbau die harmonischen nichtlinearen einer Visaton KE25SC Keramik 1" Kalotte:

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Die meisten ungeregelten Lautsprecher ( wenn man Modelle für wirklich hohe Schalldrücke absieht) fangen bei Schalldrücken um 100db schon merklich an nichtlinear zu werden (besonder unterhalb von 100Herz). Das bedeuted z.B auch dass Impulsspitzen schon merklich geglättet werden.
Die Verzerrungen können zwischen 80db und 100db durchaus auf den 10 fachen Wert ansteigen.

Ich denke, dass der beschrieben Effekt in erster Linie durch pegelabhängige Verzerrungen erklärt werden kann.
Wie schon gesagt, solange keine Werte genannt werden wie groß die eingestellten Pegeldifferenzen waren/sind bleibt vieles Spekulation. Für manche sind 80dB schon sehr laut, für manche erst 100db... Und sofern man nicht wirklich so laut aufdreht, dass das Chassis glüht, gibts ja welche die zumindest unter den bekannten üblichen Hörschwellen für Verzerrungen liegen.

Weiters muss man natürlich auch fragen, womit man vergleicht. Einen "gescheit" konstruierten LSP von einen Hersteller der Regelungstechnik einsetzt gegen eine fragliche passive Konstruktion (ala 8" + 1" Kalotte mit 3kHz TF).

Imho wird der Regelung von manchen zu viel "Macht" zugesprochen, sie kann was - keine Frage, aber nahezu alle ihr geschuldeten Klangeindrücke lassen sich zumindest genausogut (wenn nicht besser) auf andere Baustellen übertragen.

mfg
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Richard,
Schauki hat geschrieben:[Lautheitsdiskussion...]Dann würde mich interessieren, wie man jemals zu diesen Kurven kommen könnte?
Das wird doch so ermittelt: Man spielt Dir über Kopfhörer einen sagen wir 100Hz-Sinus ein und fragt Dich dann, wann das doppelt so laut ist. Das macht man nun bei allen möglichen Frequenzen. Wenn Du nun aber ein Spektrum am Ohr geboten kriegst mit verschieden skalierten Lautstärken, kann das Hirn die unterschiedlichen Lautheiten der verschiedenen Frequenzanteile eben wieder zu einem konstanten akustischen "Fingerabdruck" des Signals zusammenfügen. Ich denke, es ist was prinzipiell anderes, ob ich die Lautheit bei einer festen Frequenz beurteilen soll, oder die tonale Zusammensetzung eines Spektrums. Was sich, wenn ich das richtig verstehe, ziemlich gut deckt mit dieser Aussage:
JoergStumpp hat geschrieben:Der Klangcharakter oder besser die Klangfarbe eines Instrumentes ergibt sich aus dem Verhältnis von Grundschwingung zu den Harmonischen Obertönen.
Denn auch das Verhältnis von Grundwelle zu Obertönen würde sich ja mit dem Pegel subjektiv ändern, wenn unser Gehör das mit den Lautheitskurven bewerten würde. Damit wäre der akustische "Fingerabdruck" und damit der Klang des Instruments, wie er empfunden wird, ein anderer.

Zurück zum Thema. Interessant wird nun, wie die Differenz aus Eingangssignal und Sensorsignal verläuft. Dieses Signal ist, bis auf irgendwelche Verstärkungsfaktoren, das Signal, das auf die Endstufe geht. Hätte man das bereits bemühte ideale Chassis, wäre es ein waagrechter Strich im Frequenzgang, da ein ideales Chassis die Ansteuerspannung in einen über der Frequenz konstanten Schalldruck umzusetzen wüsste. Zunächst beide unverarbeiteten Messsignale übereinander, sowohl das im letzten Beitrag diskutierte Eingangssignal in die Regelschaltung wie auch das Korrektursignal:

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Rechnet man nun beide Signale so zurück, wie im letzten Beitrag gezeigt, also Faltung mit der Inversen von Weiche und Integrierer, weiß man, welches vom idealen Chassis abweichende Signal der Tieftöner erhalten muss, um einen linearen Frequenzgang zu erzeugen. Es ist die Differenz zwischen roter und grüner Kurve:

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Schauen wir uns das mal von links nach rechts an. Ganz unten, beginnend bei 50Hz abwärts, hätte das Chassis gerne mehr Leistung, damit was passiert, wer hätt's gedacht :P . Oberhalb 80Hz aber ebenso, der als reinrassiges Basschassis konzipierte Töner sackt da recht zügig ab. Deshalb muss er auch nur bis 180Hz arbeiten, aber auch bei dieser Frequenz gibt's ordentlich was zu regeln, damit der Frequenzgang auf der Höhe bleibt. Oberhalb der doppelten Übernahmefrequenz geht auch schon langsam ein Gezappel los, das dem Entwickler sagt: hier nicht mehr. Der Sensor präsentiert hier gnadenlos die Partialschwingungen der Membran, Reflektionen an der Sicke und was einem sonst noch alles an Unannehmlichkeiten einfallen mag.

Man sieht hier schon bei der einfachen Betrachtung des Amplitudenverlaufs, dass die Regelung ordentlich was zu tun hat. Man kann bei dieser Technik ein Chassis einsetzen, das auf tiefste Resonanzfrequenz im geschlossenen Gehäuse gezüchtet ist und muss nicht mit allerlei Kunstgriffen und Kompromissen verzweifelt versuchen, den Frequenzgang nach oben hin wenigstens noch ein bisschen rauszuziehen. Das macht die Regelung.

Viele Grüße
Gert
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Gert,

besten Dank für diesen Beitrag !! :cheers:

Besonders Dein 2. Diagramm und die sehr gut verständliche Erklärung dazu zeigt nun auch messtechnisch ganz hervorragend die Wirkungsweise der sensorbasierten Regelung eines LS-Chassis auf.

Jetzt kann auch der grösste Skeptiker erkennen, dass unsere jahrzehntelangen Höreindrücke mit sensorgeregelten Lautsprechern nichts mit Einbildung oder gar Voodoo zu tun haben, sondern aus der vielfachen Erfahrung derjenigen resultieren, die wissen wie das "Ding an sich", ein Musikinstrument, eben in Wirklichkeit klingt und wie korrekte Aufnahmen davon wiedergegeben werden sollten.

Gruss Sigi
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Gert,

vielen Dank für die immense Arbeit und die sehr gut nachvollziehbaren Erklärungen!!! :cheers:

Momentan sehen wir die Ergebnisse für den sogenannten eingeschwungenen Zustand (siehe langsamer Sinus-Sweep, man könnte in Annäherung auch sagen "Orgel"), im Frequenzbereich und dass die Regelung für diesen Fall auch schon einiges zu tun hat. Besonders interessant finde ich die Messbarkeit der Rückwirkung von Materialreflexionen, Partialschwingungen usw.!

Ich möchte zwar nicht vorgreifen, aber mich interessiert halt zu brennend, was die Regelung im Falle von Impulsen und Ein-Ausschwing-Vorgängen (also im Zeitbereich, z.B. Schlagzeug) tut, wie sie dort wirkt, wo die Grenzen sind und wie hier der Vergleich mit ungeregelten Lösungen ausfällt.

Wie kann man das darstellen? Mit Sprungfunktion oder ... ?

Gruss,
Winfried
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Gert,

wenn ich mir Dein letztes Bild anschaue hätte ich doch einen Vorschlag:

Stell doch bitte immer Sollwert und Istwert mir richtiger Polarität dar. Ich würde also die gezeigte grüne Kurve lieber eher umgekehrt sehen (Messwert in richtiger Polarität). Mit FD-Functions - Amplitude Difference kannst Du dann auch die Differnz soll-ist einfach rechnen und anzeigen.

Oder seh ich da was falsch?

Grüsse, Uli
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Sigi,
Kienberg hat geschrieben:Besonders Dein 2. Diagramm und die sehr gut verständliche Erklärung dazu zeigt nun auch messtechnisch ganz hervorragend die Wirkungsweise der sensorbasierten Regelung eines LS-Chassis auf.
ich möchte nicht verschweigen, dass man die hier gezeigte Wirkungsweise der Regelung auch gut mit einer Vorsteuerung hinkriegen kann. Wer wüsste das besser als ich - mit analogen Vorsteuerungen habe ich mich lange Jahre intensiv beschäftigt. Auch eine digitale Vorsteuerung kann das natürlich, muss dann aber - wie z. B. bei Uli oder den BM-Line realisiert - für jeden Lautsprecherzweig mit eigenen (FIR-) Korrekturfiltern aufwarten. Die Regelung kann aber über die hier gezeigte grobe Wirkungsweise hinaus noch vieles, was ja Klaus schon sehr gut aufgelistet hat. Diese dynamischen Effekte durch Messtechnik sichtbar zu machen, ist aber ein Aufwand, mit dem ich mir ehrlich gesagt nicht meine Nächte um die Ohren schlagen möchte - wann sollte ich dann mit den geregelten Chassis Musik hören :P ? Mein Ansinnen war eher, die grundsätzliche Wirkungsweise etwas zu erleuchten. In der ersten Messung zu diesem Thema das Zeitverhalten, in der zweiten das Amplitudenverhalten.

Viele Grüße
Gert
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:Ich möchte zwar nicht vorgreifen, aber mich interessiert halt zu brennend, was die Regelung im Falle von Impulsen und Ein-Ausschwing-Vorgängen (also im Zeitbereich, z.B. Schlagzeug) tut, wie sie dort wirkt, wo die Grenzen sind und wie hier der Vergleich mit ungeregelten Lösungen ausfällt.
da sind wir alle sehr gespannt auf die Messungen, die Du uns hier zeigen wirst :cheers: .

Viele Grüße
Gert
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JoeBroesel
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Beitrag von JoeBroesel »

Hi Gert,

ich kann mich dem Sigi nur anschließen.

Jetzt bleibt für mich noch die Frage übrig: Diesen Frequenzgang könnte man ja auch durch eine entsprechend gebaute aktive Weiche erstellen, also rein "gesteuert". Was ist dann der Hauptvorteil der Regelung?

Eliminieren der Serienstreuung?

(Objektorientiert:) Verschieben (abwälzen) der Funktion weg von der Weiche und deren Problemen bez. Phasenverschiebung hin zu einem Verstärker-LS-Objekt, was das abstrahlt, was als elektr. Signal reinkommt (vereinfacht)?

Mehrere Chassis in einem gemeinsamen Luft-Gehäuse: keine gegenseitige Beeinflussung?

Eine einfachere Weiche, weil jeder Frequenzbereich ja nur innerhalb seines Bereichs linear sein muß,
bzw. die überlappenden Bereiche gleiche Pegel aufweisen müssen, und gleiche zeitl. Verzögerung, aber nicht noch innerhalb ihrer Bereiche unterschiedliche "Pegelkurven"?

Bei BM-Line ist der Zylinderwellenstrahler nicht geregelt, sondern nach dem Verfahren "Ermitteln einer Steuerkurve" gesteuert, das ist wegen dem dig. Prozessor mit seinen Möglichkeiten (u.a. der dig. Verzögerung) überhaupt möglich, weil wo sollte hier ein Sensor angebracht sein?

Eigentlich ist die Regelung der sinnvolle Normal-Fall. Man macht sich unabhängiger.

Was nicht passt, wird passend gemacht.

Grüße
J.
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Fortepianus hat geschrieben: Diese dynamischen Effekte durch Messtechnik sichtbar zu machen, ist aber ein Aufwand, mit dem ich mir ehrlich gesagt nicht meine Nächte um die Ohren schlagen möchte - wann sollte ich dann mit den geregelten Chassis Musik hören :P ?
Hallo Gert,

das kann ich gut nachvollziehen.

Nun, wer's immer noch nicht rafft, dem empfehle ich:
Kauft euch eine Konzertkarte einer Aufführung die mitgeschnitten wird, setzt euch auf einen guten Platz im Saal, und erwerbt die CD dieser Aufnahme. Hört euch dann diese CD, die kommen heutzuttage meist schon einige Wochen danach auf den Markt, auf einem sensorgeregelten Lautsprecher bei einem Händler oder einem Foristen hier in aller Ruhe und sehr konzentriert an.

Eine Diskussion des Gehörten während einer solchen Wiedergabe ist immer sehr interessant und führt zu wirklich verwertbaren Ergebnissen....denn "Grau ist alle Theorie" :cheers:

Gruss Sigi
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Fortepianus hat geschrieben:...da sind wir alle sehr gespannt auf die Messungen, die Du uns hier zeigen wirst :cheers: .
Viele Grüße
Gert
Ja! Ich würde höchst gerne soetwas beisteuern, mal sehen ob und vor allem wann ich das schaffe, meine Anlage ist ja immerhin 50 km weit weg und ich komme kaum einen Tag die Woche dorthin... :roll:

Übrigens: Ich wollte Dir, vor allem nach dem was Du aufgebaut, gemessen, an Zeit investiert, uns hier gezeigt und beigebracht hast, mit meinem Beitrag bestimmt nicht zu nahe oder auf die Füsse treten! :oops:

Gruss,
Winfried
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