Hallo Winfrieddarwols hat geschrieben:Was Can für Einsteiger betrifft: vielleicht das Album `Ege Bamyasi´ (1972) mit Vitamin C und Spoon. Oder `Flow Motion´ (1976), sehr eingängig und mitreißend.
Hans-Martin, Du bist zu beneiden, welche wahnsinnigen Musik-Acts Du live erlebt hast. Die frühen Kraftwerk, und und ... Wow!
FLOW Motion klingt interessant, werde ich mir mal beschaffen. An Spoon kann ich mich noch vage erinnern, vor allem die Cover der LPs waren für mich damals eindrucksvoller als die von anderen Gruppen.
Was Konzerte betrifft, nahm man damals das mit, was in erreichbarer Nähe angeboten wurde, und die nachfolgenden Impressionen sind natürlich von persönlicher Sichtweise geprägt. Jimi Hendrix habe ich live (Love & Peace, 1970) auf Fehmarn gesehen, der Wind blies seitlich die Musik weg, es kamen nur Fetzen zusammenhängend durch, aus der Distanz über das Feld wirkte die Bühne klein (hier ein Ausschnitt einer Dokumentation), aus der Entfernung war das Gesicht bei der Gestalt nicht erkennbar, aber die Stil und der Sound unverwechselbar. 3 Tage Open Air kosteten 36DM. Am Rande des Feldes standen Toilettenhäuschen, unweit davon Richtung Ostsee hatte Beate Uhse einen Werbe/Verkaufscontainer, lange noch hatte ich die dauerhafte Plastik-Streichholzbox mit dem Werbeaufdruck in meiner Schublade. Das Festival ging im Regen unter, von Love habe ich nichts mitbekommen, ich schlief zuhause, gut 20km entfernt, mit dem Peace war es vorbei, als die Hamburger Rockergang für ihre angeheuerte Ordnertätigkeit nicht bezahlt wurde, sie haben angeblich vor Wut die Bühne angezündet, ich habe das aber nicht mitbekommen.
Ob man mich dafür beneiden muss? Bei solchen Massenveranstaltungen ist man entweder einsam und allein mit der Musik, oder aber in der Gruppe, die sich nicht verlieren möchte. Man lebt den Augenblick und die Stimmung vor Ort, und die Musik ist eine nette Nebensache. Glücklicherweise erinnerte sich Barbara, die Tochter des Elektrohändlers, an mein Gesicht und ich konnte mit unter die große PVC-Gefriertruhenverpackungsfolie, auf die nun die Regentropfen knallten, den Rhythmus der Musik von der fernen Bühne unterbrechend. Zwischen den 8 Füßen die große Lambruscoflasche, draußen dämmerte es, der Regen ließ nach, und wir konnten noch einen Rest des Abends Musik unter klarem Himmel erleben, von oben trocken, von unten Matsch.
Diese Erinnerung wurde wieder wach, als ich mein Elternhaus räumte und den Eintrittskarten-3erblock wiederfand. Ich habe bei ebay sage und schreibe den 4-fachen Preis von einem Sammler dafür bekommen. Omas Bedenken, dass meine Abiturvorbereitungen darunter leiden könnten, konnte ich glücklicherweise zerstreuen, das regional nahe Event konnte, wollte, durfte ich mir nicht entgehen lassen, und ihr Sponsoring des Eintrittspreis erwies sich posthum noch als gute Investition.
Kraftwerk kam in unsere Kleinstadt aufgrund einer Einladung eines Klassenkameraden (er war Kulturreferent der SchülerMitVerwaltung), sie spielten sogar ohne oder zumindest für eine unter heutigen Bedingungen lächerlich geringe Gage, wenn ich mich recht entsinne. Auf der Bühne eines Hotelsaals bauten sie ihre mannshohen Gerätschaften auf. Wir waren jung und das Taschengeld war knapp. Manche brachten ihre Lambrusco oder Silberadler 2-liter Weinflaschen mit, was den Wirt aufregte, der den Saal kostenlos zur Verfügung gestellt hatte und auf gute Bierumsätze spekuliert hatte. Wir saßen auf dem Parkett des Saals (es sah so ähnlich aus wie hier) ohne Gestühl, der sicher ausgepägte Nachhall des hohen Saals störte die Musik nicht, wir saßen schließlich nahe den Lautsprechern und mit Verstärkern über 100Watt war wohl zu dieser Zeit noch nicht zu rechnen.
Keith Emerson trat in der Ostseehalle Kiel, auf, ich habe noch viele verwackelte bunte Dias, auch wie er beidhändig Moog und Hammond spielt, dann die Hammond mit rotierendem Lesley bestieg, während des Spiels herumwarf (wie hier bei 13:00), mit einen Dolch malträtierte, die große Bühnenshow mit dem bewegten Tarkus Monster im Bühnenhintergrund und Robert Palmer in seinem Metallkäfig voller Perkussionsinstrumente. In der Pause begleitete Greg Lake seine ruhigeren Songs solo auf der Gitarre, während die beiden Hektiker sich abkühlten.
Wie Keith selbst sagt, der visuelle Eindruck bleibt, die Musik ist irgendwann vergessen.
In Londons Hammersmith Odeon sah ich dann T-Rex und Stackridge, enttäuschend langweilig die einen, umso begeisternder die anderen, die mit ihrer sehenswerten Bühnenshow nachhaltig Eindruck hinterließen. Ihre melodiösen Platten hatte ich alle bis 1975, hier kennt man sie kaum. Jethro Tull habe ich 10 Jahre später in ebenfalls im Hammersmith Odeon gesehen, das Eintrittsgeld war noch erschwinglich, das Konzert war 'modernisiert', mehr ist da nicht zu berichten. Man darf nicht erwarten, dass alles beim vertrauten alten bleibt. Und ein allglatter Brian Ferry im Anzug brachte in Birmigham die Frauenherzen zum Schmelzen. Ich war froh, eine Bierdose in eine Zeitschrift gewickelt an der Personenkontrolle vorbeigeschmuggelt zu haben, indem ich die Rolle in die Luft hielt, während mein Körper abgetastet wurde. Solche 1-Personen-Auftritte habe ich danach nie wieder besucht.
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Wendy Carlos, eine Frau, die sich damals nur unter einem männlichem Pseudonym Chancen im Markt ausrechnete, hat mich mit Switched on Bach auch so fasziniert, dass dies meine erste Bach-LP war. Die drehte sich oft auf meiner 'Töpferscheibe'. Irgendwann kam sie heraus, ich war verblüfft, denn es stimmte, die Szene wurde doch sehr maskulin dominiert.
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Ich hoffe mit diesen Reminiszenzen an die späten 1960er bis 1980er deinen Vorstellungsthread nicht unangemessen überbeansprucht zu haben.
Grüsse Hans-Martin