Hallo liebe Mitleser,
am Sonntag war es soweit, ich hatte meinen Termin mit Igl Schönwitz im Amazing Sound Studio in Gottesgab um mir zum einen mal sein Studio anzusehen, aber vor allem um mir mal die sagenumwobenen Strauss Lautsprecher anzuhören. Genauer gesagt, die SE-MF-2.1.
http://www.strauss-elektroakustik.com/p ... 7b12ed.png
Infos vom Hersteller:
http://www.strauss-elektroakustik.ch/pr ... /se-mf-2.1
Hier sieht man das Studio - noch mit den kleineren Strauss Monitoren:
https://www.amazingstudio.de
Gottesgab liegt weit ab von städtischem Leben, idyllisch und ruhig zwischen ein paar Karpfenweihern in grüner Landschaft. Schon die Fahrt dort hin fühlte sich ein klein wenig nach Urlaub an. Natürlich war ich sehr gespannt was mich erwarten würde.
Aus vielen Richtungen habe ich von den Monitoren bereits gehört und es hörte sich immer an wie eine Erweckungsgeschichte. Ist das nun also der ultimative Lautsprecher? Oft fällt man bei so hohen Erwartungen ja in ein tiefes Loch..
Eine Kostprobe für so einen Bericht habe ich hier (im Anschluss) gefunden. Herr Pfeiffer scheint Fan geworden zu sein:
http://www.strauss-elektroakustik.ch/pu ... r_aus_bern
Auch das Interview mit Herrn Strauss ist lesenswert.
Ich würde sagen das Tonstudio mit seinen vielen kleinen verwinkelten und lichtdurchfluteten Aufnahmeräumen ist wirklich ein kleines Paradies für einen Tonschaffenden. Es ist schön sich dort aufhalten zu dürfen.
Aber nun zum Strauss Monitor. Die LSP wurden an einer Strauss Endstufe betrieben, gespeist von einem Stagetec Wandler, der wiederum von einer DAW (ProTools) über ein großes Stagetecpult mit Daten gefüttert wird. Leider können keine Flac Files abgespielt werdend und es gibt auch kein Internet im Studio. So konnte ich meine klassischen Testfiles leider nicht hören. Glücklicherweise hatte ich ein paar wav Files in 44.1kHz dabei. Das ging - wir sind dann auch bei 44.1kHz geblieben. Es gab natürlich auch sonst viel zu hören.
Was man auf den Bildern nicht ahnt - der LSP ist wirklich massiv. Sie stehen erhöht hinter dem Pult und ergeben mit der Erhöhung (einer Art Podest, auch von Strauss) eine Säule von ca. 180 cm Höhe (Schätzung) und wiegen über 110 kg pro Stück. Und: Schön sehen sie nicht aus. Das erkennt man schon auf den Bildern - da gibt es keine Überraschungen. Im Studiokontext passen sie ganz gut - im Wohnzimmer würde es dann aber schon grenzwertig (meine Meinung
![Wink :wink:](./images/smilies/icon_wink.gif)
)
Das herausragendste Merkmal der Lautsprecher ist wahrscheinlich deren Zeitverhalten. Trotz passiver Bauweise scheint es gelungen zu sein ein perfektes Timealignment zu erreichen. Es ist ein 2-Wege System. Das Horn spielt den riesigen Bereich von 400(!) Hz - 26kHz, den Rest macht ein 15 Zöller, der unglaublich schnell und dynamisch anspricht. Und so klingt es dann auch. Der Lautsprecher spielt alles mit Leichtigkeit, Ruhe und einer Auflösung die man selten so perfekt hört. Der Klang ist unglaublich farbig und reich - man taucht sofort ein ohne den geringsten Stress, man wird von schönem Klang eingehüllt und hört sich bei jeder Aufnahme in ein kleines neues Klanguniversum ein. Es ist einfach nur lecker für die Ohren. „Auflösung ohne Hochtonbetonung“ kann dieser Lautsprecher einfach wunderbar. Stundenlanges ermüdungsfreies Hören ist hier kein Problem.
Vielleicht hat jemand mal das Video von Igl S. gesehen (Soundphile Kanal- YouTube) in dem er seine Referenztitel zur Soundbeurteilung vorstellt. Da gibt es "O Sen Sen Sen von Richard Bona Album: Tiki“. Ich muss zugeben, dass ich das Stück zuhause bisher nicht so richtig (als Referenz) verstanden habe. Hier war das anders. Diese vielen klappernden Perkussionsinstrumente werden dermaßen plastisch und scharf abgebildet - es ist die pure Freude. Jedes dieser Instrumente ist klar positioniert und hat seinen Raum mit viel Luft drum herum. Lediglich die Frikative des Gesangs klingen auch hier etwas zu scharf - das scheint tatsächlich der Aufnahme geschuldet. Der Bass spielt zu dem unglaublich trocken und konturiert - festgenagelt an seiner Position.
Egal was wir ansonsten gehört haben - der Lautsprecher kann es souverän. Kleinste Details sind sofort hörbar und es klingt alles sehr ausgewogen, natürlich, transparent und durchhörbar. Insofern musste ich am Ende sagen - ja das könnte er sein, der beste Lautsprecher (wenn es sowas gibt).
Einen kleinen Wermutstropfen gab es leider aber auch doch. Der Abhörraum ist nicht ideal. Es gibt doch einige frühe Reflexionen und auch ein paar Moden usw. Daher denke ich, das das volle Potential der „Zeitrichtigkeit“ der Lautsprecher nicht gehört habe. Das Klangbild - besonders bei klassischen Aufnahmen war nicht wirklich holographisch. (Wie ich es bei Martin erlebt habe)
Es zeigte mir einmal mehr - das die Wiedergabe insbesondere eines großen Orchesters die größte Herausforderung für ein Widergabesystem ist. Während Jazz/Fusion/Pop/Elektronikaufnahmen durch die Bank beeindruckend klangen und einen tiefen weiten Raum aufspannen konnten, spürte man beim Orchester plötzlich diesen Flaschenhals. Man hörte, dass der Lautsprecher mit seiner ganzen Dynamik und Klangfarbenpracht von dem kleinen Raum beschränkt wird. Ausnahme: die erwähnten eher hochfrequenten Percussionselemente - die waren sehr holographisch. In diesem Frequenzbereich ist der Raumeinfluss eben auch unkritischer (auch wegen der
Bündelung des Horns). Stelle ich mir nun vor, dieser Lautsprecher spielte in einem perfekten Raum - ich glaube dann wäre man im audiophilen Himmel angekommen. Den Beweis würde ich aber gern irgendwann nochmal hören.
Es war ein sehr schöner und interessanter Nachmittag. Igl Schönwitz lebt mit Leidenschaft für Sound - das spürt man jede Sekunde. Ich habe viel Neues aus dem Studio Profi Alltag gelernt, zB. wusste ich nicht das verschiedene Wandler besser und schlechter mit TruePeaks umgehen können, oder kannte das Maß "LUFS = Loudness Units relative to Full Scale" noch nicht. Ein wichtiges Maß um die Dynamik einer Produktion zu bewerten. Es gab sehr viel spannendes zu besprechen.
![Smile :-)](./images/smilies/icon_smile.gif)
Er ist der Vertreter für den Vertrieb von Strauss in Deutschland. Wer sich für die Lautsprecher interessiert kann sich also jederzeit bei ihm erkundigen.
Per PN wurde ich mal gefragt warum ich mir den LSP anhöre, die für mich am Ende gar nicht in Frage kommen. Ganz einfach: Es macht mir Spaß gute Sachen zu hören! Zudem: Das eigene Urteilsvermögen hängt extrem von den selbst gehörten Referenzen ab. Man kann eine gute Orchesteraufnahme schwer bewerten ohne je ein gutes Orchester in einem sehr guten Saal gehört zu haben. Man muss selbst erfahren haben wie emotional und einnehmend so ein Erlebnis sein kann. Genau so geht es mir hier auch - ich möchte Wissen wo die Grenze von Stereo wirklich ist. Die letzten Erfahrungen haben hier die Grenze für mich nochmal deutlich verschoben.
Viele Grüße
Sebastian