Hallo Kantohren
Fujak hat geschrieben:
All das ist jedoch nicht Thema dieses Threads, sondern hier geht es um die Dämpfung von Kantenreflektionen anhand von geeigneten Mess-Designs.
Ich versuche mal, etwas in diesem Sinne beizutragen
wgh52 hat geschrieben:
Ist das getan wollte (und möchte) ich (immernoch) Gegenmaßnahmen identifizieren und zwar für bestehende Lautsprecher. Von daher sind Ullis Brettchen sicher eine von mehreren Möglichkeiten, wobei andere Experimente (Danke für Simons anschauliche Darstellung und Bericht!) aber weniger erfolgreich gewesen zu sein scheinen.
Meine Versuche mit Dipolen waren durchaus erfolgreich, wenigstens in Bezug auf ein einzelnes LS-Chassis, und in Bezug auf den Gewinn an Erkenntnis. Verzweiflung hob dann an, als ich versuchte, gleich alle drei Chassis möglichst ideal in Bezug auf die entsprechend geformte Schallwandkante zu placieren. Und auch im Moment der Erkenntnis, dass Schallwandmodifikationen bloss für einen einzigen Messwinkel ideal sind.
Konkreter: Bei meinen Versuchen war es möglich, mit einer geeigneten Kantenkontur einen äusserst präzisen Einfluss auf den Frequenzgang zu nehmen, wenigstens auf einer Achse, d.h. der der Messung. Es ist mir z.B. gelungen, den Frequenzgang eines Audax-13er allein mit der Form der Schallwand auf eine Butterworth-Charakteristik 2.ter Ordnung auf +-0.25dB (!) der Zielcharakteristik hin zu optimieren. Ausserhalb der Optimierungsachse jedoch machte das System logischerweise irgendwas. Und deshalb waren alle Optimierungsversuche denn auch für eine sinnvolle Umsetzung in die Praxis nutzlos.
wgh52 hat geschrieben:
Ich gehe vereinfachend davon aus, dass ein LS-Chassis bei der Analyse von Impulsantworten als Punkschallquelle betrachtet werden kann. Diese Annahme hat sich in meinen Versuchsreihen zumindest empirisch nicht als grundlegend falsch erwiesen. An der Schallwandkante entsteht nun gerell ein Abfall der Intensität des Schalldrucks; beim Monopol etwas weniger ausgeprägt als beim Dipol. Diffraktionseffekte an der Schallwandkante zeigen sich deshalb als Einbruch in der Impulsantwort.
Nehmen wir modellhaft nun auch an, dass die vorliegende Messung von einem Dipolsystem stammt (einfach deshalb, weil ich mit Dipolsystemen Erfahrungen habe, mit Monopolen aber nicht).
0.18ms=60mm Peak
0.215ms=72.5mm Dip
0.25ms=85mm Peak
0.30ms=102mm Dip
0.35ms=119mm Peak
0.395ms=135mm Dip
0.44ms=150mm Peak
Keine der Anomalien mit einer Laufzeit von <0.24=80mm sind mit konstruktiven Massnahmen am Gehäuse angehbar, da das LS-Chassis einen Radius von 80mm aufweist. Die Senke bei 0.30ms=102mm ist hoch suggestiv für das erste Auftreten von Diffraktionseffekten an der Schallwand. Wenn ich diese Senke nun mit konstruktiven Massnahmen versuchsweise wegbügeln möchte, würde ich auf Höhe des Chassis lateral zwei Kreissegmente mit dem Radius von 119mm an die Schallwand ankleben. Dann nochmals messen, und schauen, ob die Senke bei 0.30ms=102mm tatsächlich etwas eingeebnet worden ist, und dadurch auch gleich der Peak bei 119mm neutralisiert wurde (letzteres dürfte zu erwarten sein, da ein nun eine neue potenzielle Senke bei 119mm entsteht, welche die zuvor bestehende Überhöhung präzise überlagern, resp. neutralisieren könnte).
Die potenziellen Auswirkungen solcher Schallwandmodifikationen auf den Frequenzgang lassen sich komfortabel mittels Acourate simulieren. Das geht ganz einfach innerhalb der Time-Domain-Funktionen, d.h. mittels [linear interpolation between markers]: Im konkreten Fall im Fenster für die Impulsantwort den ersten Marker vor die Senke setzen, den zweiten hinter die Überhöhung, [TD]-[linear interpolation between markers] et voilà ... immer mit den angebrachten Vorbehalten.
Diese iterativen trial-and-error Spiele an der Schallwandkante mögen die Impulsantwort und den Frequenzgang etwas hübscher aussehen lassen. Ob sich das jedoch psychoakustisch grndsätzlich lohnt, steht auf einem ganz anderen Blatt - ich vermute eher nicht. Denn dem Gehirn würde im vorliegenden Beispiel nach wie vor im kritischen Zeitintervall on 0...0.7ms etwas vorgesetzt, was in der freien Wildbahn potenziell als Richtungsinformation interpretiert wird. Deshalb meine aktuelle Strategie, gleich auf 600mm Schallwandbreite zu gehen, um das (Ortungs-)Glück dort zu suchen. Meinetwegen dann vielleicht mal in der Wohnraumversion optisch mit feinen, mattierten Plexiglasblenden um eine zentrale Trägereinheit herum verhübscht. "Klein, aber fein" erscheint mir aus meiner heutigen Optik in Sachen Schallwand leider ein NoGo.
Illusionslose Grüsse
Simon