Subtraktionsweichen

Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Uli,

danke für den Link.
uli.brueggemann hat geschrieben:zu Subtraktionsweichen siehe auch hier. Der Autor weist dabei auch auf negative Aspekte hin!
Dort sind aber nur die reinen Subtraktivfilter beschrieben, also z. B. Tiefpass beliebiger Ordnung kombiniert mit einem Subtrahierer. Das gibt immer nur 6dB/Oktave Flankensteilheit auf dem subtrahierten Kanal (im Beispiel dem Hochpass). Das hat natürlich enorme Nachteile, erstens die niedrige Flankensteilheit, und zweitens die Pegelüberhöhung auf dem subtrahierten Kanal. Das wird dann mit einem LR-Filter verglichen, das im Vergleich viel besser aussieht.

Es werden aber nicht die S-Filter betrachtet, die mit Allpässen arbeiten. Bei denen wird das Signal, vom dem das Tiefpasssignal abgezogen wird, mit einem Allpass verzögert, und zwar nicht einfach einem Delay, sondern einem Allpassfilter, das exakt die gleichen Koeffizienten hat wie der Tiefpass, der subtrahiert wird. Nimmt man ein Linkwitz-Riley-Filter für den Tiefpass, sieht das bzgl. Amplituden- und Phasenverlauf bei zwei Wegen exakt gleich aus wie das im Link gezeigte LR-Filter. Wo liegt jetzt der Vorteil der S-Weiche gegenüber LR-Filtern? Ganz einfach, sobald es mehr als zwei Wege gibt. Da stimmen die Phasenverläufe bei den LR-Filtern nämlich nicht mehr überein für alle Chassis, bei den S-Weichen (mit Allpässen) dagegen schon.

Viele Grüße
Gert
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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo Uli,

Elliott weist zu Recht darauf hin, daß es ohne phasenschiebende Allpässe nicht vernünftig klappt. Seiner Einschätzung, die S-Weiche sei unnötig komplex ohne einen entsprechenden Benefit muß man aber nicht unbedingt folgen.

Welche Weichenstruktur man auch immer bevorzugt: der Knackpunkt liegt m.E. wie gesagt darin, daß die Phasen der Chassis bei Fü passen müssen oder im Fall, daß dem nicht so ist, durch einen weiteren Phasenschieber angepasst werden müssen. Insofern gehe ich davon aus, daß mein Ergebnis im ersten Anlauf suboptimal ausfallen wird und letztlich nur durch Messen und Nacharbeiten auf den Punkt gebracht werden kann.

Viele Grüße
Eberhard

edit: Gert war schneller...
Aber wenn ich es richtig verstanden habe, ist in dem von mir angedachten 2-Wege-Fall tatsächlich kein Benefit der S-Weiche gegeben.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Na, da hat doch mein kleiner Test geklappt. Die Wächter der subtraktiven Weichen sind aufmerksam. :mrgreen:

Bei Kreskovsky gäbe es ja mehr zu lesen. Und ich selbst verwende mit Acourate ja ausschliesslich subtraktive Weichen. Da diese linearphasig sind, gibt es von vornherein keine Probleme.

Grüsse, Uli
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Eberhard,
Zwodoppelvier hat geschrieben:...Aber wenn ich es richtig verstanden habe, ist in dem von mir angedachten 2-Wege-Fall tatsächlich kein Benefit der S-Weiche gegeben...
Mit diesem Schluss wäre ich vorsichtig. Wir bewegen uns hier im Bereich SEHR hochwertiger Wiedergabe, wo einige Leute schon kleinste Unterschiede oder Verbeserungen hören. Grundsätzlich gilt meines Erachtens: Je besser die Phasenverhältnisse unter Kontrolle sind (also die Wege gleichen Phasengang haben und beide Kanäle möglichst identisch) umso besser die Wiedergabe!

Die Amplituden-/Phasenverläufe der Treiber sind hier natürlich auch noch im Spiel. Ich kenne den Phasengang des Manger SW nicht, darum nehme ich geregelte Chassis als Beispiel: Dadurch, dass bei letzteren die Phase im Arbeitsfrequenzbereich der Regelung recht gut linearisiert ist, können sich die linarisierten Phasenverhältnisse der S-Weiche gegenüber konventioneller Weiche nur verbessernd auswirken! Das sollte auch bei 2 Wegen so sein...

Gruss,
Winfried

PS: Es mag hier zwar nicht in Frage kommen, aber mir gingen bei den letzten Beiträgen gerade digitale FIR Filter und Convolver durch den Sinn...

1920
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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo Uli,

wenn ich mal Zeit und Ruhe hätte, würde ich mich direkt in die ganze Literatur zu Acourate einlesen wollen. Denn wenn ich Deinen Hinweis recht verstehe, könnte dann Weichenfunktion und Raumakustik auf einen Rutsch erledigt werden ? DAS wäre es natürlich...

Also abwarten, bis der nächste Workshop etwas näher K/Bn stattfindet!

Viele Grüße
Eberhard
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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo Winfried,

nicht daß ich jetzt etwas falsch verstanden habe: wenn die Chassis einen - im mathematischen Sinne - stetigen Phasenverlauf aufweisen, sollte das doch reichen - oder?

Dann müßte man "nur" noch dafür sorgen, daß bei der Übernahmefrequenz die gleiche akustische Phase herrscht, sofern nötig (wahrscheinlich meistens), indem ein Chassis ein weiteres, der S-Weiche nachgeschaltetes Delay bekommt. Oder ohne Elektronik durch abgestufte Schallwand, aber das gibt ja gerne Probleme mit Beugungseffekten.

Gruß Eberhard
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Eberhard,
Zwodoppelvier hat geschrieben:Aber wenn ich es richtig verstanden habe, ist in dem von mir angedachten 2-Wege-Fall tatsächlich kein Benefit der S-Weiche gegeben.
das gilt nur theoretisch bei idealen Bauteilen. In der Praxix hat die Zweiweg-S-Weiche den großen Vorteil, dass die Übernahmefrequenzen von Hoch- und Tiefpass prinzipbedingt gleich sind. Das ist bei den üblichen Toleranzen insbesondere von Kondensatoren nicht zu unterschätzen.

Viele Grüße
Gert
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Eberhard,
Zwodoppelvier hat geschrieben:...wenn die Chassis einen - im mathematischen Sinne - stetigen Phasenverlauf aufweisen, sollte das doch reichen - oder ?
ich sehe stetigen Phasenverlauf eher als "Voraussetzung für korrekte (akustische) Weichenfunktion" denn als "ausreichend" an. Es geht ja nicht nur um Trennung allein, sondern auch um die "akustische Summe" der Frequenzbereiche (am Hörplatz).
Zwodoppelvier hat geschrieben:...Dann müßte man "nur" noch dafür sorgen, daß bei der Übernahmefrequenz die gleiche akustische Phase herrscht, sofern nötig (wahrscheinlich meistens), indem ein Chassis ein weiteres, der S-Weiche nachgeschaltetes Delay bekommt. Oder ohne Elektronik durch abgestufte Schallwand, aber das gibt ja gerne Probleme mit Beugungseffekten...
Leider ist das nicht so einfach wie es scheint, denn es gibt einen "Übergangsbereich" in dem die Chassis ähnlich laut sind und darum die "akustische Summe" stimmen muss! Warum? Frequenzweichen sind nicht beliebig steil, darum müssen (akustischer) Frequenz und Phasengang der Zweige und Chassis in einem von der Weichensteilheit abhängig breiten Frequenzbereich zu unverfälschter (akustischer) Summe führen. Dass bei einer 2-Weg S-Weiche Frequenz und Phasengang beider Zweige prinzipbedingt mathematisch als Summe "1" ergeben hilft da schon sehr!

Räumlicher Versatz der Treiber ist ein probates Mittel, die akustischen Treiberzentren in die gleiche Ebene zu rücken. Die konstruktive Ausführung kann Beugungs- und Refelktionseffekte sicherlich zum gewissen Grade minimieren. Laufzeitangleichung geht (mit aktivem Allpass) auch analog, das hab ich in den 80ern recht erfolgreich an meinen BM-3en mit (nicht S-)Linkwitzweiche gemacht. Gert weiss das viel besser, aber ich glaube diese Allpasslösung ist nicht phasenlinear (das ginge nur mit digitalem Delay).

Wie schon oft von vielen in vielen Foren gesagt: Mit jeder Optimierung in eine Richtung handelt man sich wahrscheinlich einen Kompromiss woanders ein. :wink:

Gruss,
Winfried

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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo Winfried,

mit Deinem Hinweis, die Phase im gesamten Übergangsbereich betrachten zu müssen, hast Du natürlich völlig recht; da habe ich im Eifer allzu sehr vereinfacht.

Was nun interessant wäre, sind Messergebnisse ganz normaler (also ungeregelter) Chassis, die vielleicht schon einmal jemand zusammengetragen hat. Beispielsweise Tief-, Mittel- und Hochtöner einer 3-Wege-Kombination. Irgendwo habe ich noch eine Veröffentlichung, aber selbst wenn sie hier passen würde, kann ich sie wegen des Copyrights nicht zeigen - sehr schade. Ich merke schon: um die Anschaffung einer Minimalausstattung kommt man nicht herum.

Gruß Eberhard
(der aber trotzdem "ins Blaue schießen" und dann berichten wird, wie sich das Ergebnis ganz subjektiv anhört...)
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Dass mit der Subtraktivweiche ohne Phasenschieber nur asymmetrische Weichen realisiert werden könnten ist ein Gerücht, das sich hartnäckig hält und von Leuten wie Rod Elliott leider immer wieder verbereitet wird. Mit zunehmender Ordnung handelt man sich allerdings andere Probleme ein.

Reine Subtraktivweichen haben nicht nur Vorteile (ein grosses Problem ist Lobing), sind aber einer der sehr wenigen rein analogen Möglichkeiten, zu einem minimalphasigen Gesamtsystem zu kommen.

Der Frequenzgang einer Phasensubtraktionsweiche kann übrigens 1:1 auch anders erzeugt werden.

Gruss

Charles
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Mal eine ganz blöde Frage.

Hat man eigentlich das Gruppenlaufzeitverhalten auch noch im Blick behalten? die ist nämlich bei den hier beschriebenen Weichen nicht so dolle.

Ralph Berres
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Ralph Berres hat geschrieben: Hat man eigentlich das Gruppenlaufzeitverhalten auch noch im Blick behalten? die ist nämlich bei den hier beschriebenen Weichen nicht so dolle.
Hallo Ralf,

man versucht definitiv, bei Subtraktionsweichen die GLZ im Blick zu behalten, deswegen macht man das ganze Spiel ja. Wenn sich die Phasen und Amplituden korrekt addieren, dann hat das auf die GLZ einen positiven Einfluss.

Natürlich ist das bei realen Bauelementen nicht einfach zu realisieren. Besser gelingt es bei FIR-Filtern, siehe Bild mit einem Beispiel von linearphasigen Neville-Thiele-Filtern 2ter Ordnung:

Bild

Da addiert sich alles perfekt (blaue Kurve), die GLZ ist konstant, der Amplitudengang flach und gerade, der Sprung ein Sprung.

Grüsse, Uli
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Uli

Bei den oben beschriebenen Subtraktionsfilter sind zwar die Phasen im Übergangsbereich gleich aber in der Summe ist das Sprungverhalten trotdem nicht gut.

Das FIR Filter sieht ja gut aus. Wie kann man sowas denn mit analogen Filtern realisieren?

Ralph Berres
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Ralph Berres hat geschrieben: Bei den oben beschriebenen Subtraktionsfilter sind zwar die Phasen im Übergangsbereich gleich aber in der Summe ist das Sprungverhalten trotdem nicht gut.
Das FIR Filter sieht ja gut aus. Wie kann man sowas denn mit analogen Filtern realisieren?
Ralph,
das mit dem Deiner Ansicht nach nicht guten Sprungverhalten musst Du mir bitte mal erklären und begründen :D

Eine Beschreibung für analoge Neville-Thile-Filter gibt es z.B. hier, allerdings sind dem gegenüber die FIR-Filter klar überlegen. Der Vorteil der FIR-Filter als Subtraktionsfilter ergibt sich aber auch klar bei den üblichen Weichen (Butterworth, Linkwitz-Riley, Bessel) bis hin zu den analog gar nicht mehr darstellbaren Horbach-Keele-Filtern.

Grüsse, Uli
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Kannst du mit LT Spice dateien was anfangen? Mir gelingt es leider nicht screenshots von diesen dateien zu machen. Ich würde dir dann mal die von mir simulierte Subtraktionsweiche sowohl Frequenzgang, als auch Impulsantwort mal reinstellen, oder sie dir direkt per PN senden.

Ralph Berres
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