Dayno hat geschrieben:Wenn die Ortbarkeit ausserhalb der LS sehr gut nachvollziehbar ist, prima ... meine früheren Erfahrungen mit Dipolen waren damals nur bedingt präzise nachvollziehbar. Beim Kunden aufgestellt habe ich ca. 20 Paar Mirage M1 und M 3 sowie einige Martin Logan und 1 Paar MBL Radial-Strahler mit Subwoofer. Trotz der nicht ganz präzisen Bühnen-Abbildung in der Breite war das Musikhören für die Kunden mit diesen LS wegen der räumlichen Tiefe schon beeindruckend. Der Sweet Spot mit den MBL Radial-Strahlern war extrem groß. Mir persönlich fehlte es bei dieser LS Gattung aber auch an Direktheit und Livehaftigkeit der Musikwiedergabe, ist vielleicht Geschmack-Sache.
Hallo Norbert
Mirage M1 und M3 sind Bipole, die strahlen nach hinten wie vorne mit gleicher Polarität ab. Noch konsequenter sind darin die MBLs, die kennen keine Schallwandkantenbeugung, verlangen aber nach viel Wandabstand, sonst nimmt die Diffusität überhand, alles spielt unaufdringlich zurückgezogen und ein Vorne-Eindruck bleibt völlig aus.
Selbst bei Aufnehmen, wo die Sängerin mit ihren Lippen am Mikrofon klebte, will sich der V-E partout nicht einstellen, Beweis dafür, dass bei der Wiedergabekette etwas Grundlegendes nicht stimmt, vermutlich ein im Raum falsch aufgestellter oder unpassender Lautsprecher.
Die Martin Logan Elektrostaten sind prinzipiell Dipole (nicht im aktiven oder passiven Subwoofer), aber die konvexe Wölbung der großen Membran sorgt für eine Unsymmetrie im Dipol-Abstrahlverhalten. Das ist auch nicht ganz ohne bei der Aufstellung.
Mit dem Chesky Jazz Sampler Vol. I sollte man die Breiten-Abbildung der Bühne links und rechts sehr sehr genau nachvollziehen können. Die Stimme ausserhalb der LS sollte den gleichen Abstand und die gleiche Größe zum LS haben, wie die Mitte links und Mitte rechts Abbildung innerhalb der LS. Und genau hier kommt der Hörraum und die Einwinkelung stark ins Spiel. Nach meinen Erfahrungen ist die Ausrichtung auf den Hörplatz ein Muss für eine sehr präzise Breiten-Abbildung. Weniger Anwinkeln führt zu einer erheblich breiteren Bühne ausserhalb der LS, einhergehend mit einer höheren Diffusität.
Um diese Dinge bewerten zu können, müsste man genauestens wissen, welches Mikrofonarrangement Chesky verwendet hat. In dieser Zeit des ersten Jazz-Samplers war bei Chesky oft die Rede von MS, also ein zentrales Mono-Mikrofon und ein quer darüber angebrachtes 8-er. Diese Koinzidenzanordnung von 2 Mikrofonen, die mMn verschiedener nicht sein können, liefert keine Laufzeitunterschiede, die im Grundtonbereich für die Ortung (Breitenstaffelung) so wichtig wären/sind. Bei dieser hier vorliegenden Intensitätsstereophonie ist das Obertonspektrum weitgehend frei von Kammfiltereffekten, und die damit einhergehende Präzision bringt eine schöne Darstellung der Raumtiefe (dafür gibt es auf den Chesky Samplern mehrer Beispiele mit konkreter Entfernungsansage). Ab einem Öffnungswinkel von 46° im Stereodreieck bis zu den üblichen 60° wird dieser Bereich geprägt von mangelhafter Ortungsschärfe, weil Grundton und Oberton der instrumente nicht zur Deckung kommen.
Was also korrigierst du bei der Aufstellung, wenn du dich auf Chesky verlässt? Ist diese Lautsprecheraufstellung dann auch für Telarcs geeignet, wo bevorzugt breit aufgestellte Kugelmikrofone (AB, Laufzeitstereophonie) zum Einsatz kommen?
Kopfhörer, die ich gerne als Vergleich in Sachen Präzision zu Rate ziehen, können die ausserhalb der LS liegenden Schallquellen leider gar nicht wiedergeben.
Das ist auch kein Wunder, wenn die Ortung von Schallereignissen außerhalb der Lautsprecher ein reines Zufallsergebnis ist. Per definitionem kann bei koinzidenten / Intensitätsstereofonen Aufnahmen eine Ortung außerhalb der Boxen nicht stattfinden, denn dazu wäre eine phaseninvertierte Information auf dem anderen Kanal erforderlich, d.h. gegenüber dem M-Mikro müsste das S-Mikro dominieren. Das sollte aber ausgeschlossen sein, denn es wäre ein Indiz, dass die Matrix defekt ist, mit der L und R aus M und S errechnet werden.
So bleibt der Grad an hinzugefügter Diffusität durch Seitenwandreflexionen individuell Geschmackssache a la Bose. Das bedeutet, man hört Dinge, die auf der Aufnahme gar nicht drauf sind!
Ich halte es mit der Seitenwandreflexion so: Sobald die Vorneortung der Stimme zurückgeht, ist ein kritisches Maß an Diffusität überschritten. Wie weit man das dann zulässt, ist Geschmackssache, und es kann mit den Plattenlabels variieren, je nach Mikrofonierung und im Studio zugefügter Hallsoße.
Für die Tiefenortung ist entscheidend, mit welchem zeitlichen Abstand der Nachhall dem präzisen ersten Direktschall folgt. Die Gefahr ist groß, dass man mit Überlagerung von Diffusanteilen aus dem eigenen Raum die aufgezeichnete Raumtiefe der Aufnahme mit eigener Raumtiefe und Begrenzung verwässert.
Aus dem wahrgenommenen Abstand des Solisten nach vorn aus der Boxenebene heraus kann man auf die Diffusität schließen, die entweder im Hörraum entsteht oder im Studio wie auch immer entstanden ist, beabsichtigt oder nicht. Die Linearität der Breitenstaffelung mag vielleicht abbildungsscharf bei der Äquivalenzstereofonie stimmen, aber m.E. niemals, wenn entweder (ausschließend) Intensität ohne Laufzeit oder Laufzeit ohne Intensität die Aufnahme und Lokalisation bestimmt, theoretische Ausnahmen bilden Instrumente, deren Obertongehalt 100Hz nicht erreicht, oder Instrumente, deren Grundton oberhalb 1500Hz beginnt.
Sämtliche mir bekannte Chesky-CDs sind ausgezeichnet aufgenommen, allerdings invertiert, was die unbeabsichtiget Diffusität in der Wahrnehmung fördert. Auch wenn ich mich hier wiederhole, die Abbildung wird mit FLOW schärfer, weil der Mangel an Laufzeitunterschieden in der Ebene der Intensitätsunterschiede frequenzabhängig korrigiert wird.
Grüße Hans-Martin