Analoge Regelung und digitale Steuerung

wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Rudolf hat geschrieben:Der Phasenverlauf wird doch für den Signalweg jedes einzelnen Chassis' und nicht etwa für das Gesamtsignal korrigiert (oder etwa doch?).
Hallo Rudolf,

ich kann nur sagen was ich verstanden habe, dass BM anbietet:
Ein Gerät mit (Stereo) AD Wandler, DSP und (Stereo) DA Wandler, daran wird die unveränderte Box angeschlossen. Die Weiche, der ganze LS bleibt also unverändert, wie sie ist.

Wenn ich jetzt die Phasenmessung (mit Mikrofon) mache, messe ich das "LS-Ausgangssignal" und linearisiere das in der Phase. Was sich dazwischen "abspielt" oder zwischengeschaltet wurde, ist unerheblich, denn ich verändere das Eingangs-Signal ja so, dass es am Mikrofon "stimmt". Ob da jetzt ein x-Wege-System oder Breitbänder läuft ist egal! Prinzip "Black-Box".

Wo ich mein Verständnisproblem habe, ist hier:
Jeder B&M-Boxentyp hat einen verschiedenen Phasengang. Wie schafft B&M es also, mit einem Gerät alle Typen anzudecken?
Meines Erachtens ginge das nur mit "schaltbaren" Parametersätzen für den DSP, so wie es in digitalen Frequenzweichen und Equalizern gemacht wird, d.h. der Nutzer schaltet "am Gerät" oder per Fernbedienung oder PC Anschluss auf z.B. BM 10 oder BM 18 usw.

Gruss,
Winfried
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

So, ich habe mich an "amtlicher" Stelle schlau gemacht - auf der Hompage des "Entzerrungs-Papstes" Anselm Goertz: www.anselmgoertz.de

Und in der Tat: Es können sowohl das Gesamtsignal als auch die einzelnen Signalwege entzerrt werden (natürlich nur bezogen auf den Hörplatz, denn an anderen Plätzen sind die Verhältnisse logischerweise anders).

Nun kann ich beruhigt schlafen. Nichts anderes (minimalphasige Gesamtsignal-Entzerrung) macht nämlich mein Lyngdorf DPA-1. Da brauche ich nicht auf den "digitalen Phasenentzerrer" zu warten. Und das Beste ist: ich brauche nicht mehrfach zu wandeln, weil ich bereits digital in den Lyngdorf hineingehe. :D

Viele Grüße,
Rudolf
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Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Rudolf,
Es können sowohl das Gesamtsignal als auch die einzelnen Signalwege entzerrt werden (natürlich nur bezogen auf den Hörplatz, denn an anderen Plätzen sind die Verhältnisse logischerweise anders).
Und genau das ist es, was mich ein wenig daran irritiert. Es ist eigentlich nur optimal in einem schmalen Bereich direkt am Hörplatz. Bewegt man sich aus dem sweet spot, fällt das Klangbild in geradezu dramatischer Weise auseinander. Ich hab nun den Lyngdorf noch nicht erleben können, aber den Tact-Prozessor und den in Verbindung mit einer FM 501. Das hat am Hörplatz tatsächlich zu einer stimmigeren performance geführt, aber wie gesagt nur dort. Man konnte noch nicht einmal den Kopf seitlich bewegen - schon war der positive Effekt dahin.

Ich will nichts Negatives gegen dieses Raumkorrektur-Programm sagen, aber ich halte mechanische Raumoptimierung für effektiver, wenn man es gezielt macht. Trotzdem komme ich sehr gerne mal bei dir vorbei und überzeuge mich selbst von den Möglichkeiten. Interessant ist das allemal.

Gruß
Franz
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Franz,

optimal kann die Entzerrung nur am Hör- bzw. Messplatz erfolgen. Es gibt aber inzwischen sehr gute Algorithmen, die aus mehreren Messpunkten eine "durchschnittliche" Entzerrung berechnen.

Wir reden hier auch eigentlich nicht so sehr von der Entzerrung aufgrund von Raumeinflüssen (die Messungen sollten sinnvollerweise in einem reflexionsarmen Raum erfolgen), sondern aufgrund von Chassiseinflüssen.

Viele Grüße,
Rudolf
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Franz
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Beitrag von Franz »

Ja, hast schon Recht. Ich mess den Raumeinflüssen stets größere Bedeutung zu.

Gruß
Franz
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Ja! Seht's einfach mal andersherum:

Ohne Phasen-Linearisierung ist's selbst am Hörplatz nicht optimiert!
(ob B&M oder Lyngdorf ist da egal)

Gruss,
Winfried
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Freunde,

ich habe noch etwas im Netz gefunden:
Friedrich Müller(?) hat geschrieben:
Filtertechnik bei einer Aktivbox

Filter haben die Aufgabe, das gesamte Frequenzspektrum in einzelne Bereiche aufzuteilen, die von den einzelnen Chassis unter mechanischen und abstrahlungsgeometrischen Gesichtspunkten optimal übertragen werden können.

Es gibt Filter mit verschiedenen Übergangsfrequenzen, Flankensteilheiten und Dämpfungen (kritische Dämpfung, Bessel, Butterworth, Tschebyscheff...). üblicherweise gibt es für die ansteigenden und für die abfallenden Flanken jeweils eigene Netzwerke, die so berechnet sind, dass die Summe aus beiden möglichst genau wieder dem ungefilterten Signal entspricht.

Auch bei korrekter Berechnung und genauester Auswahl der Bauteile ergibt sich dabei aber eine zeitliche Verschiebung zwischen den Signalen der beiden Kanäle, die zu einer teilweisen gegenseitigen Auslöschung des Schalldruckes führt. Durch geschickte Überlappung der beiden Bereiche kann dieser Verlust teilweise wieder kompensiert werden. Diese Kompensation funktioniert aber nicht exakt und gilt nur für bestimmte Punkte im Raum. Geregelte Aktivboxen beschreiten mit dem Subtraktivprinzip einen anderen Weg: es wird nur ein Kanal (zum Beispiel der Tieftöner) konventionell mit der gewünschten Filtercharakteristik abgesenkt und der nächsthöhere Kanal durch Subtraktion des gefilterten von dem ungefilterten Signal gewonnen.

Statt zweier frequenzbestimmender Netzwerke mit einer zeitlichen Verschiebung zwischen deren Ausgangssignalen gibt es also nur noch ein einziges Netzwerk und zusätzlich eine mathematische Operation ohne jede Phasendrehung, nämlich die Subtraktion des abgesenkten von dem nicht abgesenkten Signal. Indem das aktive Subtraktivfilter die von verschiedenen Chassis abgestrahlten Frequenzen zeitlich richtig zusammenfügt ist es gewissermaßen der Apochromat unter den Frequenzweichen.

Hörbar wird der technische Vorteil einer geregelten Aktivbox als ein besonders homogenes Klangbild und eine genaue räumliche Abbildung sowohl in der Tiefe als auch in der Breite.
Quelle: http://www.aktivbox.pillbox.de

Da diese Seite auf die Hompepage von Silbersand verweist, gehe ich davon aus, dass Friedrich Müller als Autor verantwortlich zeichnet. So es denn sei, stellt der zitierte Text die Zusammenhänge sicherlich richtig dar und es wäre meines Erachtens geklärt, dass auch analoge (Subtraktiv-)Filtertechnik Phasendrehungen vollständig eleminieren kann.

Viele Grüße,
Rudolf
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Rudolf,

ganz so einfach ist das alles leider dann doch noch nicht vollständig geklärt.

Das beschriebene Frequenzweichenkonzept verbessert das Phasenverhalten der Frequenzweiche und die Sauberkeit des Übergangs, linearisiert aber nicht den Phasengang des Lautsprechers insgesamt.

Subtraktivfilter stellen (durch nur ein Filternetzwerk) sicher, dass zwischen den Zweigen der Frequenzweiche keine Phasenunterschiede bestehen können. Insofern ist der Artikel völlig korrekt und nicht zu bezweifeln!!

Aber: Die Phasendrehungen, die das LS Chassis SELBST hinzufügt, sind noch da... Das LS Chassis ist, vereinfacht gesagt ein Bandpass mit unterer und oberer Grenzfrequenz (also Frequenzgang) plus Resonanz und dadurch entsprechendem Phasengang.
Die durch das Chassis selbst verursachten Phasendrehungen werden durch eine Frequenzweiche (egal welche Bauart!) nicht "kompensiert", ja nichteinmal verändert und sind immernoch da. Und das führt zurück zu dem Phasenlinearisierer vor dem Chassis oder dem Gesamtlautsprecher...

Wie oben gesagt: Subtraktivfilter verbessern, sind aber keine Gesamtphasenlinearisierer!

Tut mir Leid, dass das alles so kompliziert ist, aber ein LS (passiv oder aktiv) ist extrem komplex, wenn man in die Details geht.

Gruss,
Winfried
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Franz
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Beitrag von Franz »

Ja, das stimmt. Und ich als eher technischer Laie wäre froh, wenn man diese Zusammenhänge einmal so beschreiben könnte, daß ein normal gebildeter Mensch sie auch verstehen kann. Ich kann jedenfalls mit diesem Fachchinesisch wenig anfangen. Warum das immer so sein muß, weiß ich nicht. Gerade Herr Müller hat die Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten beschreiben zu können, Stichwort: anschauliche Sprache.

Wäre nett, wenn er sich hier mal einmischen und aufklären könnte.

Gruß
Franz
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BM Fan
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Beitrag von BM Fan »

Wenn ich es recht verstanden habe, dann verursacht die Phasendrehung eine Senkung oder Überhöhung im Frequenzgang? Das heisst selbst wenn der Übergang von Tief zu Hochpass phasenrichtig ist, kann das Chassis in seinem Frequenzbereich Phasendreher haben und somit den Frequenzgang beeinflussen.
Damit jetzt aber die Phasenentzerrung die richtige Wirkung erzielt, müssen doch die Chassisparameter bekannt sein. Setzen wir den Idealfall voraus, daß das Chassis schon linear arbeitet; was macht dann die Phasenentzerrung mit dem Chassis?
Das was ich bis jetzt über DSP-Module gelesen habe, setzt bei einer Entzerrung Chassisparameter voraus.
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Leute,

Der Impedanzverlauf spielt bei Aktivlautsprechern eine insignifikante Rolle, das führt meines Erachtens nach zu weit weg vom Thema...

Phasendrehungen "können" den Frequenzgang des Gesamt-LS verändern, speziell im Übergangsbereich zwischen den Wegen.

Für die Einstellung der digitalen Phasenentzerrung brauche ich keine Chassisparameter, denn ich kann den Amplituden- und Phasenverlauf messen. Wenn die Chassis schon linear arbeiten und die Filter schon linear arbeiten und die Regelung schon linear arbeitet ... dann brauche ich KEINE Phasenentzerrung. Keine der drei genannten arbeitet aber phasenlinear.

Ich plane, mich auch mit DSP-Modulen auseinanderzusetzen. Mein Verdacht ist, dass mit Chassisparametern gearbeitet wird, weil den meisten Leuten die Messmittel fehlen dürften oder um Anfangswerte für die Einstellung der Algorithmenparameter zu haben. Aber das weiss ich noch nicht.

Also: Mit einem DSP kann man grundsätzlich Frequenzgang und Phasengang voneinander getrennt behandeln (Stichwort Finite Impulse Response Filtering), sprich z.B. eine Frequenzweiche ohne Phasendrehung darstellen. In der Analogtechnik geht das nicht oder nur beschränkt. Leider bin ich nicht Fachmann genug um das auf der digitalen Ebene alles genau auseinanderzufieseln.

Berechtigterweise(!) zeigen sich bei der geneigten Leserschaft erste Überforderungserscheinungen. Wir müssen diesen Diskurs nicht unendlich fortsetzen...

Bei meinen Antworten ging es mir eigentlich nur darum, das Verständnis der technischen Möglichkeiten zu verbessern und nicht zuletzt darum, Missverständnisse sowie unzulässige Vereinfachungen aufzuklären. Das dabei nicht mehr alle mitkommen und mitwollen ist nur zu verständlich.

Ich sage allen, die bis hierher mitgemacht und nachgehakt haben "Danke", denn ich habe hier auch dazugelernt!

Ich überlege ernsthaft als nächste Optimierungsschritte meiner selbst aktivierten LS:
1. Phasenbegradigung der LS-Chassis (wahrscheinlich analog)
2. Phasenbegradigte, digitale Frequenzweiche (FIR)

Beides wird teuer, aber billiger als zwei Mittelklasse BMs, von Silbersand ganz zu scheigen...

Gruss,
Winfried
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BM Fan
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Beitrag von BM Fan »

Hallo Winfried,
was mir bloss spanisch vorkommt, ist der Umstand das die Phase nie ein Thema war. Plötzlich wartet jeder auf eine Phasenentzerrung. Gerade die verbauten Filter sollen ja die Phasenverzerrung minimieren.
Ich denke Du weißt was ich meine.
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Ja, ja, OK, jetzt sind wir beieinander...

Es stimmt! Entsprechend konstruierte Filter minimieren Phasenverzerrungen. Aber eben nicht alle! Sondern nur die aus dem Filter resultierenden... Und es ist schwer (wie beschrieben) ein "LS Chassis" phasen-zu-begradigen und darum behandelt man vielleicht auf Herstellerseite eher andere, leichter und billiger handhabbare "Themen" und verwendet diese dann auch in der Werbung... :wink:

BM treibt diesen extremen Aufwand (auf ihre eigene Art) und dabei kommt was Teures, aber (wie schon anderweitig hier im Forum veröffentlicht) gut Funktionierendes, heraus.

Gruss,
Winfried
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Aktives Hören
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Beitrag von Aktives Hören »

Friedrich Müller verteilt ein Lob an Winfried (und den Rest von uns :oops:):
Friedrich Müller hat geschrieben:Winfried hat Recht: ein Lautsprecherchassis ist ein Bandpass und hat eine Resonanzfrequenz mit entsprechendem Phasengang. Das ist für eine Sensorregelung aber eine der leichtestesten Übungen. Da wird nämlich die Eigenfrequenz nicht etwa nur reduziert (das kann auch ein aktiv angekoppelter Verstärker mit niedrigem Innenwiderstand), sondern die Eigenfrequenz verschwindet tatsächlich völlig. Bedingung ist nur, dass der Dämpfungsterm in der Schwingungsgleichung so groß ist, dass es sich nicht mehr um ein schwingungsfähiges System handelt. Und diese Bedingung ist bei einer konsequent angewandten Regelung mehr als erfüllt.

So wichtig "Phase" ist, so ist sie doch nur eine Sekundäreigenschaft, die für Ingenieure zur Berechnung eines Systems hilfreich ist, deren Ursachen aber stets woanders liegen. Und diese Ursachen sind oft ganz elementar und damit auch für Laien nachvollziehbar. Man denke nur an die "phasenkorrigierten" Schallwände, die selbst Passivboxen zu einem exakten Verhalten verhelfen sollten. Das waren einfach Abstufungen im Gehäuse, mit denen der z.B. der Tieftöner etwas nach vorne gesetzt wurde, damit alle Membranen etwa in der gleichen Ebene liegen.

Das Forum hat eine so schöne Diskussionskultur, dass gerade die Technikexperten aufgerufen sind, immer auch an die Nicht-Techniker zu denken. Offenbar hat aus Höflichkeit noch niemand die sehr berechtigte Frage gestellt: "Was ist eigentlich Phase?" Die Antwort könnte sein: Begriffe wie "Laufzeit" und "Frequenz" sind wissenschaftlich genauso exakt wie "Phase", aber anschaulicher.

Viele Grüße!
Friedrich Müller
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Beitrag von Franz »

Vielen Dank für diese Erläuterungen, Herr Müller. So gefällt mir eine Diskussion, die von technischen Sachverhalten handelt, außerordentlich gut. Da kann ich was von lernen. Weiter so!

Gruß
Franz
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