Hallo,
Kardioide Bassabstrahlung wird nur von wenigen Herstellern beherrscht, vermutlich fehlt den meisten die Erfahrung. Ich wüsste auch gern mehr darüber, habe schon viel gehört und darüber gelesen (und nicht alles wurde auch korrekt interpretiert).
In Materie ist die Schallübertragung meist schneller als in Gasen, oft 10-mal so schnell.
Aber die Schnelle wird in den Faserstrukturen reduziert.
Das Prinzip Kardioid kann man erzeugen durch 2 Tieftöner, einen im geschlossenen Gehäuse und einen auf offener Schallwand, wo der inverse Schallanteil nach hinten frei austreten kann. In der Summe kommt vereinfacht betrachtet, nach vorn Doppelt, nach hinten Ausgelöscht.
Bei dem Geithain-Konzept fasst man das in ein Gehäuse zusammen. Da der rückwärtige (inverse) Schall und der vorn omnidirektional abgehende Schall etwa gleiche Wege zurücklegt.
Wenn hier gleichbleibende 160° genannt werden, halte ich das für einen Übertragungsfehler, 180° entspräche dem rückwärtigen Schall, wenn die Austrittsöffnung größer/gleich Membranfläche ist. Eine Verengung führt zu einer weiteren Verschiebung um bis 90° (ich habe das
Experiment von Norbert Schäfer (ex-Phonogen, Translife) nachvollzogen, eine Kiste mit Tieftöner, Rückwand mit gleichgroßer Öffnung, über die ich eine Platte schieben konnte. 2 Mikrofone, eins vor der Membran, eins hinten im Gehäuse zeigten vorn gleichbleibenden Phasenbezug zur Ansteuerung, hinten die zu erwartende Verpolung bei offenem Gehäuse, bei geschlossenem drehte die Phase um 90°, mit Zwischenwerten, die die Veränderung der Austrittsöffnung wiederspiegelten.
Ich bezweifle, dass das Dämmaterial selbst die gleichbleibende Phasenverschiebung bewirkt. Bei einer Oktave darüber, also doppelter Frequenz, halbiert sich die Wellenlänge, also müsste die Phasenschiebewirkung nur die halbe Zeit bewirken.
Das eingesetzte Dämmaterial sollte resistives Verhalten haben, dem Zweck dienlich angepasst.
Ich interpretiere Kieslers Worte so, dass es durch Materialmix gelungen ist, über 3 Oktaven (30-60-120-240Hz) Gleichmäßigkeit für den Gesamtlautsprecher zu erreichen, dessen Tieftöner bei 300Hz schon anfängt, weniger omnidirektional nach vorn zu strahlen, was entsprechend weniger Schallaustritt hinten entpräche.
Angenommen, ein Fließwiderstand hätte Phasenschiebung zur Folge, würde ein Impuls beim Duchgang in seine spektralen Anteile zerlegt. Ein Widerstand in einer Übertragungsstrecke hat aber keine mit Spulen und Kondensatoren vergleichbare Wirkung auf das zeitliche Verhalten, in einer Frequenzweiche gibt es im Zusammenspiel mit L und C (und den Äquivalenten im LS-Ersatzschaltbild) impedanzabhängige Nebenwirkungen.
Ich bezweifle, dass das von Dynaudio einst propagierte Variovent mit dem Kieslerschen Strömungswiderstand vergleichbar ist, ich hatte in der Erinnerung, dass das Variovent, wie sein Name sagt, in beiden Durchflussrichtungen unterschiedliche Widerstände aufweist, wie die Stoßdämpfer bei meinem Motorrad.
Ich glaube nicht, dass man bei ME Geithain für den rückwärtigen Schall eine Charakteristik modelliert hat, die die adiabatischen Bedingungen im Gehäuse für die Frontabstrahlung berücksichtigen und gleichzeitig rückwärtig synchronisieren.
Vergleicht man Musikmaterial korrekter Polarität mit dem invertierten Signal, wird letzteres als diffuser, ausgedehnter wahrgenommen. Siegfried Linkwitz empfiehlt nach vorn konkret, nach hinten diffus abzustrahlen.
S.L. hat sich 2017 zurückgezogen und befindet sich laut seiner Webseite 2018 im Hospiz (Endstadium Prostatakarzinom). Eine unschöne Entwicklung bei einem Zeitgenossen, der uns viele Erkenntnisse beschert hat.
Grüße Hans-Martin