Lieber Hans-Martin,
lieber Eberhard,
liebe Forenten,
ich möchte kein Spielverderber sein, aber sind das nicht alles bekannte Rezepte? Anders herum formuliert ist es doch mehr oder weniger zu erwarten, dass etwas vorzeig- und vorhörbares dabei herauskommt, sofern der Konstrukteur kein Scharlatan ist. Dann wäre es reiner Zufall.
Wir erinnern uns
In den 80ern war das Problem des linearen Frequenzgangs durch: dazu gab es seit den 60ern intensive Entwicklungen, die schließlich dazu geführt hatten, dass sich zwar unterschiedliche Klangcharaktere -- Jürgen (shakti) würde es wohl Klangsignaturen nennen -- am Markt etablieren konnten, Boxen mit girlandenförmigen Frequenzgängen aber ausstarben. So weit, so gut.
In den 80ern dann trat eine völlig neue Eigenschaft in den Mittelpunkt des Interesses: die perspektivische Abbildung. Stereo war den Kinderschuhen entwachsen und der kindisch-experimentell-begeisterte Umgang der ersten Jahre -- man höre sich nur mal Aufnahmen der Beatles an -- wich einer erwachseneren Art. Es war die Zeit, in der wir Taunus-Sound-Hörer alle unsere Canton GLE 100 vertauschten, die linke Box also nach rechts und umgekehrt umgekehrt stellten: war in der Aufstellungsanleitung noch zu lesen, dass zur Verbreiterung der Stereobasis die Boxen so aufzustellen seien, dass die Hochtöner außen lägen, fand nun die Erkenntnis allgemeine Anerkennung, dass die Hochtöner innen zu liegen hätten, um eine schöne Bühne zu erzeugen. Fast 40 Jahre her. Und heute? Man sehe sich nur die AGM 9.4 an, dann sieht man, was davon übrig ist: alles. Bis heute machen es immer noch alle so. Und das ist bestimmt kein Zufall.
Mit den Boxen passierte für Außenstehende seltsam scheinendes, für Interessierte einleuchtendes: die Chassis wurden plötzlich in einer lotrechten Ebene angeordnet und manchmal sogar auf einer lotrechten Linie, was die Schallzentren betraf; bei Cabasse sogar schon seit den 70ern; beides. Um Kantenrefexionen möglichst unbedeutend zu mahen, wurden die Schallwände zugleich immer schmaler, was glücklich mit der lotrechten Anordnung zusammenfiel. Da liegt es auf der Hand, wenn man die Basschassis an die Seiten verlegen würde, doch dazu mussten noch einige Jahrzehnte ins Land gehen. Bis auf weiteres behalf man sich mit Kegelstumpf-Formen, für welche die JBL 2000 ti wohl der berühmteste Vertreter sein dürfte.
Und heute?
Heute tragen diese Ideen immer noch. Der technische Fortschritt -- vor allem in Form immer billiger werdender Verstärkerleistung und immer leistungsfähiger werdender Einzelchassis -- macht nun möglich, wovon schon damals die Kegelstumpf-Fraktion geträumt haben dürfte: Mitteltöner kann man inzwischen derart tief ankoppeln, dass man die Basschassis einbauen kann, wo man möchte, eben auch an den Seiten. Damit steht erstmals die Möglichkeit offen, die Gehäuse derart schmal zu machen, dass sie, zumindest in Kombination mit abgerundeten Kanten, akustisch immer weiter in den Hintergrund treten.
Zwodoppelvier hat geschrieben:
Ein wenig wird dies nur dadurch konterkariert, daß bei der Gehäusegestaltung der (m.E. unsägliche) Trend schmaler und sehr tiefer Formate aufgenommen wurde. Abseits von Präsentations- oder Hifi-Testaufstellungen - im richtigen Leben also - ist ein Gehäuse wie z.B. das der Manger MSMs1 doch deutlich angenehmer in ein vorhandenes Wohnzimmer integrierbar.
Mir gefällt der Trend gut, da ich hinter den Boxen eh nichts neues mehr anfange und dann können die Boxen auch gerne tiefe Gehäuse haben. Eine schmale Schallwand finde ich vorteilhaft, weil sie weniger auffällt als eine breitere. Das ist aber alles Geschmackssache, gar keine Frage.
Und hier?
Was KiAudio mit der gut beleumundeten Ki Three macht, kann Genuin Audio schon lange, so scheint es: diese einfachen Grundregeln werden hier mehr oder weniger konsequent umgesetzt. Treten Handwerk und Messungen hinzu, kann das etwas werden. Scheint hier so zu sein, wobei die Unterschiedlichkeit der Klangeindrücke von uns Forenten bisher nur ein Schlaglicht ist, dem also nicht entgegenstehen muss. Mal sehen, welches Bild sich mit der Zeit bei uns herausschält.
Hier allerdings
Hans-Martin hat geschrieben:
ich denke, die Zukunft wird uns noch mehrere ähnliche Modelle bescheren.
Koaxiale Lautsprecher sind schon seit Tannoy geschätzt wegen ihrer räumlichen Abbildung.
Ein Hochtonhorn mit seiner wirkungsgradbedingten Schnelligkeit schafft eine schöne Zeichnung und die gewünschte Bündelung mittels Mitteltonmembran als Waveguide.
wird mir denn doch ein wenig schwindlig: sind denn die Forschungen bezüglich der exakten Form einer Schallführung von eher untergeordneter Bedeutung und ich kann, ohne nennenswerte Verluste befürchten zu müssen, genauso gut eine Lautsprechermembran nehmen? Alle Bemühungen bezüglich einer stabilen, massiven Schallwand sind Vodoo, weil schwingende Membrane keine erwähnenswert schlechtere Waveguides sind? Hierüber nachzudenken erscheint mir lohnend.
Quintessenz
Zu dem angesprochenen Bericht im fidelty-magazin:
https://www.fidelity-magazin.de/2018/06 ... tsprecher/
von einem großen Erneuerer zu sprechen, scheint mir daher eher Clickbaiting als sachgerecht zu sein. Das ist erlaubt. Alles schon mal dagewesen trifft es wohl eher. Ich finde das sehr beruhigend: letztlich kochen alle nur mit Wasser: nicht nur die Hersteller, nein, sogar die Fachpublikationen. Wer hätte das gedacht?
Danke für Euer Interesse
Peter