Hallo Christian,
ich war zunächst erstaunt, dass die Primär- und Sekundär-Wicklungen verschachtelt sind, weil das eine extrem starke Interwindungskapazität mit sich bringt, die ich bei Netztrafos lieber vermeiden würde.
Diese Schachtelung ist ein bewährtes Merkmal von guten Ausgangsübertragern zur Erzielung großer Übertragungsbandbreite im Audio-Bereich, aber will man eine breitbandige Netzkopplung angesichts der Störungen? Auf den Innenwiderstand gehe ich weiter unten ein.
Das Augenmerk wird hier vorrangig auf die Kopplungskapazität der Primärwicklung zum Kern gerichtet, und es wird suggeriert, dass durch 2 Primärwicklungen, die gegensinnig angeschlossen und entsprechend gewickelt sind, diese aufgehoben werden.
Jac hat geschrieben:I am a graduated engineer on the field power electronics and electric energy, so this topics is my specialty.
Ich finde das sehr spannend, würde gern mal einen solchen Trafo in den Händen halten, bei dem es gelingt, mit beiden ansonsten gleichwertigen Wicklungen, die eine mit der Phase, die andere mit dem Neutralleiter zuerst auf den Kern zu wickeln. Laut Jac gelingt es, die kapazitiven Effekte zu kompensieren. "I1+I2=0" spricht eine eindeutige Sprache, also I1=-I2, die Störungen auf dem Neutralleiter (Null) müssten absolut also gleichartig sein wie auf der Phase. Warum das Ding wohl Nullleiter genannt wurde? Weil er an der Quelle geerdet war. Die Störbelastung des Mittelpuktleiters im Drehstromnetz wird aber von anderen Verbrauchern mitbestimmt, u.a. Schaltnetzteile. Die Oberwellenstruktur ist aus vorgenannten Gründen nicht als identisch mit der benutzten Phase anzunehmen.
Nehmen wir einen einpoligen Netzschalter in die Phaseleitung, wie es sein sollte, ist beim Ausphasen die gemessene Spannung auf der Signalmasse praktisch 0V~, unterbricht der Schalter jedoch den Neutralleiter, geht das Potential hoch, höher als im normalen Betrieb. Man könnte daraus schließen, dass die Störungen von der Phase, aber nicht von Neutral ausgehen.
Ohne den Double C-Core Trafo selbst erlebt zu haben, widerspricht es all meinen Beobachtungen bei anderen Trafos (Schnittband-, Ring-, EI-Kern), sodass ich hier erhebliche Zweifel anmelde, dass die Bedingung I1+I2=0 erfüllbar ist.
Bewährt hat sich bei mir die Schutzerdung des Trafokerns, um die kapazitive Kopplung abzuleiten, natürlich auch eine (bzw. sogar doppelte) Schirmwicklung.
Röhrengeräte haben wegen der hohen Betriebsspannungen ohnehin eine Schutzerdung des Gehäuses, wo der Trafo verschraubt ist, andererseits gibt es bei schutzisolierten Geräten die Möglichkeit, den Trafo vom Gehäuse isoliert einzubauen und den Trafokern allein zu erden. Dann bleibt nur noch die Kopplungskapazität zwischen Kern und Sekundär-, sowie die zwischen Primär- und Sekundär-Wicklungen, gefolgt von Gleichrichtung und Siebkondensatoren, gefolgt von Spannungsreglern, aber das ist ein neues Thema. Da spielen Schwankungen durch Lastwechsel eine untergeordnete Rolle.
Im Röhrenverstärker mit Heizung (filament) der Röhren und der Anodenstromaufnahme haben wir meist recht konstante Bedingungen. Die Heizung ist rein resistiv, nach Erwärmung ist der Heizstrom konstant. Der anfängliche Kaltwiderstand ist zwar niedriger, was einen hohen Anlaufstrom bedeutet, dafür emittieren die Kathoden der Röhren zunächst noch keine Elektronen, der Strom baut sich erst langsam verzögert durch Erwärmung auf. Dann wir die Betrachtung zwiegespalten:
1. Class A bei den Röhren bedeutet konstanter Ruhestrom, überlagert von den Wechselstromsignalanteilen. Vorstufenröhren arbeiten in Class A, bei Auskopplung an der Anode ist das Signal invertiert, was bedeutet, dass jede 2. Röhre das Audiosignal in Gegenphase anliegen hat, die eine Röhre zieht bei positiver Signalhalbwelle mehr Strom, die nächste entlastet praktisch zeitgleich.
Die Stromaufnahme schwankt mit dem Amplitudenverhalten der Audiosignalfrequenz, also überwiegend oberhalb der Netzfrequenz, mit der das Netzteil nachlädt (100Hz bei 2Weg- oder Brückengleichrichtung), aber um das auszuglätten, hat man entsprechend dimensionierte Elkos.
2. Push-Pull bedeutet: 2 Röhren arbeiten im Gegentakt, der eine Zweig zieht mehr Signalstrom, der andere wird zugleich um diesen Betrag entlastet. Symmetrie ist Entwicklungsziel, damit ist die Stromkonstanz durch den Ausgangsübertrager weitgehend gewährleistet.
Die Diagramme zeigen Netzspannungsschwankungen im Bereich von 234V~ ausgehend bis +1,5% und kurzfristig auf -7%.
Mein Röhrenprüfgerät zeigt eine Abhängigkeit des Anodenstroms von der Betriebsspannung, aber die negative Gittervorspannung hat einen weitaus größeren Effekt. Eine geringere Netzspannung bedeutet eine geringere neg. Vorspannung und somit einen erhöhten Stromfluss. Deshalb stabilisiert man mit einer Zenerdiode die neg. Gittervorspannung, bevor es weiter zu den Einstelltrimmern geht. So wird man von Netzspannungsschwankungen unabhängig, und das ist in den meisten Röhrenverstärkern die einzige auffindbare Spannungsstabilisierung.
Das ist kein Thema für Autobias mit entsprechend dimensionierten Kathodenwiderständen, die den Arbeitspunkt stabilisieren, ggf. mit Elkos gebrückt werden, um die Wechselspannungsgegenkopplung gering zu halten. Solches Konstantstrom-Autobias ist bei den Vorstufenröhren üblich, es hat den unschätzbaren Vorteil, dass verschleißbedingte Veränderungen automatisch ausgeregelt werden.
So komme ich zu der Schlussfolgerung, dass ein Röhrenverstärker ein Konstrukt mit relativ gleichbleibender Stromaufnahme ist, was man von Transistorendstufen nicht behaupten kann.
Nun will sich mir speziell beim Röhrengerät die "harte" (weil widerstandsarme) Netzankopplung nicht als nenenswerter Vorteil erschließen.
Bleibt noch der Hinweis, dass bei digitaler Signalverarbeitung die Einkopplung von HF aus dem Netz gar nicht positiv klanglich ankommt. Da würde ich einen Trafo mit Schutzwicklung eindeutig bevorzugen (praktisch nicht realisierbar bei verschachtelten Wicklungen wie bei diesem Lundahl Double C-Core Trafo), oder eine Trennung der Wicklungen in separaten Kammern.
Grüße Hans-Martin