Der Mythos vom harmonischen Klirr
Verfasst: 25.07.2017, 14:15
Aktuelle Untersuchungen haben mich dazu veranlasst, mich einmal näher mit dem Thema Klirr zu befassen. Dabei zeigte sich im "positiven" Sinn ein höherer Anteil an k2 und ein niedrigerer Anteil an k3 und weiteren ungeradzahligen Harmonischen. Da muss doch alles prima sein. Oder etwa nicht?
Sengpiel sagt dazu zum Beispiel:
Und tatsächlich findet sich denn auch an vielen Stellen die Aussage, dass sich der k2 positiv bemerkbar macht.
Ich habe mir dazu denn einmal die Frage gestellt, ob man denn nicht durch Hinzumischen eines k2-Anteils zu einem gegebenen Track etwas Positives bewirken kann. Also so die landläufige Vorstellung, dass mit dem k2 eine zweite Stimme hinzukommt, die eine Oktave höher spielt, damit perfekt mit der Grundharmonischen zusammenpasst und sich so etwas Wunderbares ergibt.
Nun, Sengpiel zeigt denn auch gleich noch schön, wie denn die Verzerrungen anhand nichtlinearer Kennlinien entstehen. Und man kann auch ein wenig Mathematik dazu ansetzen, um eine passende Kennlinie zu erzeugen. Ausgehend von der cos-Formel des doppelten Winkels (die doppelte Frequenz überstreicht in derselben Zeit den doppelten Winkel):
ergibt sich eine Kennliniengleichung als Polynom zweiter Ordnung
Die Gleichung lässt sich so deuten: zum ursprünglichen Signal wird nun ein quadrierter Signalanteil und eine Konstante dazuaddiert, multipliziert mit dem Klirrfaktor f.
Die Umsetzung per DSP ist kein Problem und es lässt sich anhand eines Sinussignals schnell überprüfen. Für eine 1.5 kHz-Schwingung bei Abtastrate 96 kHz ergibt sich als Frequenzgang
Zur grün dargestellten Spektrallinie 1.5 kHz kommt noch die rote Linie bei 3 kHz dazu, hier mit -40 dB als vorgegebenem Faktor f = 0.01
Und wie schaut es aus bei einem Frequenzgemisch bestehend aus 375 Hz, 1.5 kHz und 12 kHz gleicher Amplitude?
Da treten neben den gewünschten k2-Frequenzen 750 Hz, 3 kHz und 24 kHz plötzlich noch weitere Frequenzen auf, die gar nichts mit Harmonie zu tun haben. Die Ursache zeigt sich beim Aufdrisseln der Formel z.B. bei einem Summensignal bestehen aus zwei Frequenzen mit x=a+b
In diesem Ausdruck kommt das Produkt 4fab vor, gleichbedeutend also mit einer Multiplikation von zwei Frequenzen (oder auch mit der Amplitudenmodulation einer Frequenz mit einer anderen Frequenz). Und solch eine Modulation generiert nun eben genau diese unerwünschten Nebenfrequenzen, deren Pegel sogar um 6 dB höher liegt als die gewünschten doppelten Frequenzen.
Und man ahnt es bereits: Musik besteht nicht nur aus einer Frequenz, auch nicht aus der Summe von zwei oder drei. Sondern aus einem beliebigen Frequenzgemisch. Und so lässt sich vermuten, dass da nix ist mit den netten Harmonischen.
Um das einmal zu demonstrieren ein Beispiel. Damit es noch ein wenig realer ist anhand der Klirrkurve eines Plattenspielers, ermittelt mit einem Logsweep auf einer Messplatte:
Es zeigt sich, dass der k2 dabei über den Frequenzbereich nicht konstant ist, sondern unter 100 Hz und über 10 kHz noch ansteigt. Aber auch das lässt sich simulieren.
Wer mag, kann sich einmal drei kurze Tracks anhören (spannend die Damen ):
1. Original http://www.acourate.com/freedownload/k2 ... ginal.flac
2. der reine k2-Anteil mit konstantem f = -20 dB (wegen Hörbarkeit) http://www.acourate.com/freedownload/k2/Test_k2.flac
3. k2 frequenzabhängig wie LP http://www.acourate.com/freedownload/k2 ... boost.flac
Idealerweise wäre das dieselbe Musik, quasi per Pitch-Shifting um eine Oktave erhöht. Wer also reinhört wird schnell feststellen, dass der harmonische Klirr ein Mythos ist.
Dass die ungeradzahligen Klirrs zusammen mit dem Original noch dissonanter klingen, ändert nichts daran.
Stay well tuned
Uli
PS: ich denke, dass der Beitrag auch prima Einblicke zu der aktuellen Diskussion über die Silbersand Delphi gibt. Genau dort wird ja versucht dem k2 entgegenzusteuern.
PPS: beim Bearbeiten von Tracks per DSP hinsichtlich Klirr muss man aufpassen. Simple Frequenzvervielfachungen führen schnell zur Verletzung des Nyquist-Kriteriums. Bei den Beispieltracks wurde demzufolge das Signal ordnungsgemäß tiefpassgefiltert. Ansonsten wird es durch Aliasing noch schlimmer!
Sengpiel sagt dazu zum Beispiel:
Und tatsächlich findet sich denn auch an vielen Stellen die Aussage, dass sich der k2 positiv bemerkbar macht.
Ich habe mir dazu denn einmal die Frage gestellt, ob man denn nicht durch Hinzumischen eines k2-Anteils zu einem gegebenen Track etwas Positives bewirken kann. Also so die landläufige Vorstellung, dass mit dem k2 eine zweite Stimme hinzukommt, die eine Oktave höher spielt, damit perfekt mit der Grundharmonischen zusammenpasst und sich so etwas Wunderbares ergibt.
Nun, Sengpiel zeigt denn auch gleich noch schön, wie denn die Verzerrungen anhand nichtlinearer Kennlinien entstehen. Und man kann auch ein wenig Mathematik dazu ansetzen, um eine passende Kennlinie zu erzeugen. Ausgehend von der cos-Formel des doppelten Winkels (die doppelte Frequenz überstreicht in derselben Zeit den doppelten Winkel):
Code: Alles auswählen
cos(2a) = 2*cos(a)² - 1
Code: Alles auswählen
y = x + f*(2x² - 1)
Die Umsetzung per DSP ist kein Problem und es lässt sich anhand eines Sinussignals schnell überprüfen. Für eine 1.5 kHz-Schwingung bei Abtastrate 96 kHz ergibt sich als Frequenzgang
Zur grün dargestellten Spektrallinie 1.5 kHz kommt noch die rote Linie bei 3 kHz dazu, hier mit -40 dB als vorgegebenem Faktor f = 0.01
Und wie schaut es aus bei einem Frequenzgemisch bestehend aus 375 Hz, 1.5 kHz und 12 kHz gleicher Amplitude?
Da treten neben den gewünschten k2-Frequenzen 750 Hz, 3 kHz und 24 kHz plötzlich noch weitere Frequenzen auf, die gar nichts mit Harmonie zu tun haben. Die Ursache zeigt sich beim Aufdrisseln der Formel z.B. bei einem Summensignal bestehen aus zwei Frequenzen mit x=a+b
Code: Alles auswählen
y = a+b + f*(2(a+b)² - 1)
-> y = a+b + 2fa² +2fb² + 4fab -f
Und man ahnt es bereits: Musik besteht nicht nur aus einer Frequenz, auch nicht aus der Summe von zwei oder drei. Sondern aus einem beliebigen Frequenzgemisch. Und so lässt sich vermuten, dass da nix ist mit den netten Harmonischen.
Um das einmal zu demonstrieren ein Beispiel. Damit es noch ein wenig realer ist anhand der Klirrkurve eines Plattenspielers, ermittelt mit einem Logsweep auf einer Messplatte:
Es zeigt sich, dass der k2 dabei über den Frequenzbereich nicht konstant ist, sondern unter 100 Hz und über 10 kHz noch ansteigt. Aber auch das lässt sich simulieren.
Wer mag, kann sich einmal drei kurze Tracks anhören (spannend die Damen ):
1. Original http://www.acourate.com/freedownload/k2 ... ginal.flac
2. der reine k2-Anteil mit konstantem f = -20 dB (wegen Hörbarkeit) http://www.acourate.com/freedownload/k2/Test_k2.flac
3. k2 frequenzabhängig wie LP http://www.acourate.com/freedownload/k2 ... boost.flac
Idealerweise wäre das dieselbe Musik, quasi per Pitch-Shifting um eine Oktave erhöht. Wer also reinhört wird schnell feststellen, dass der harmonische Klirr ein Mythos ist.
Dass die ungeradzahligen Klirrs zusammen mit dem Original noch dissonanter klingen, ändert nichts daran.
Stay well tuned
Uli
PS: ich denke, dass der Beitrag auch prima Einblicke zu der aktuellen Diskussion über die Silbersand Delphi gibt. Genau dort wird ja versucht dem k2 entgegenzusteuern.
PPS: beim Bearbeiten von Tracks per DSP hinsichtlich Klirr muss man aufpassen. Simple Frequenzvervielfachungen führen schnell zur Verletzung des Nyquist-Kriteriums. Bei den Beispieltracks wurde demzufolge das Signal ordnungsgemäß tiefpassgefiltert. Ansonsten wird es durch Aliasing noch schlimmer!