Martin (DIY Array-System)

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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

schoko-sylt hat geschrieben: 14.06.2023, 09:23
Kannst Du bitte einmal Deinen Gedankengang und Deine Erfahrungen erläutern, dass Du ab 1 kHz bewusst ein bündelndes Verhalten erzielen möchtest? Bei Hörner erzeugt Bündelung ja ein zunehmende Schärfe im Klangbild, die man zu vermeiden sucht, allerdings auch eine besondere Fokussierung. Geht es Dir um diese bessere Fokussierung?

Bei den von Dir abgebildeten Frequenzgängen auf Achse, unter 30° und 60° wäre ich fast geneigt, die Lautsprecher so aufzustellen, dass der Zuhörer am Sweet spot auf 15° - 30° sitzt, weil dieser Frequenzgangverlauf mit dem Hochtonabfall dem natürlichen Abfall im Raum folgt und Acourate weniger zu korrigieren hätte, da die Target sich wahrscheinlich mit dem gemessenen Frequenzgangabfall decken würde. Aber auch das hast Du bei dem ganzen betriebenen Aufwand sicherlich schon probiert und für schlechter befunden.

Dann würde mich noch interessieren, wo und mit welchen XO's Du den Bass vom Array trennst.

Gern würde ich Dein System einmal hören. Das ist sicherlich total spannend und ein besonderes klangliches Vergnügen.


Herzliche Grüße

Holger
Lieber Holger,
Das Eckhorn klingt am knackigsten mit einer Bessel R und L Weiche 2. Grades bei 115 Hz.
Die Flankensteiheit trifft sich dann ziemlich gut mit dem natürlichen Rolloff der Breitbänder.

Trotz knapp 100% Luftfeuchtigkeit habe ich deinen Vorschlag mit dem Einwinkeln ausprobiert:
Bei 30 Grad Eindrehung nach innen sieht der Frequenzgang so aus: (grüner Graph)
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Am Hörplatz ist der mittlere Treiber nur knapp 2 cm näher am Ohr als die beiden oberen und unteren.

Nach erfolgter Korrektur war das erhörte Ergebnis aber weniger gut: leicht unschärfere Konturen, weniger Details, flachere Abbildung.

Ein Effekt , der auch auftritt wenn die beiden auf den Hörplatz ausgerichteten Lautsprecher auch nur um 2 cm unterschiedlich aus dem Lot stehen.
Daher ist hier beim Ausrichten der Lines auf unebenem Dielenboden besondere Sorgfalt erforderlich. Mit einem Laserpointer, Bleistift und mehreren Wasserwagen ist das aber nach einer guten Stunde! geschafft. :(

In der Horizontalebene haben die Arrays ein übliches Bündelungsverhalten, bündeln also in der Summe nicht so stark wie ein Horn, oder?
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Um die Bedeutung des horizontalen Abstrahlverhaltens empirisch zu erfassen habe ich spasshalber mal zwei Multipolstrahler gebaut:
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Die Multipols stehen gut 2 m von jeder Wand entfernt. Mit Acourate entzerrt und im Nahfeld mit sehr stumpfwinkligen Hördreieck, also fast zwischen den Lautsprechern sitzend, wieder über Eck mit dem Eckhorn als Sub ergibt sich eine äusserst plastische greifbare Wiedergabe, komplett losgelöst von den Lautsprechern, die einfach nicht zu orten sind. Seltsamerweise bieten die Line Arrays, obwohl das Rundstrahlverhalten naturgemäß weniger stark als bei den Multipols ausgeprägt ist einen ähnlichen Eindruck. Die Multipols weisen allerdings eine weniger dynamische, weniger präzise, Details einebnende Wiedergabe auf. Auch gibt es bestimmte Klangfarben, die nicht passen. Ich denke das liegt an der Tatsache, daß die einzelnen Chassis wieder verschiedene Laufzeiten bis zum Ohr aufweisen und an der geringeren Anzahl der verbauten Chassis.
Auf Dauer wäre das nichts für mich, weil mir die aufnahmeseitigen Informationen doch zu wichtig sind und ich beim Hören nichts "suchen" möchte.
Ich konnte erkennen, daß die in räumlicher, zeitlicher und dynamischer Hinsicht richtige Dosis Diffusschall essentiell für ein überzeugendes Hörerlebnis ist und ein horizontal breit abstrahlender Lautsprecher bei meinen räumlichen Verhältnissen (und nur das kann ich beurteilen) von Vorteil ist. Ebenso wie ein starkes bündeln in der Vertikale. Meiner Ansicht nach tragen Boden- und Deckenreflexionen nicht zu verbesserter Plastizität bei und sollten immer vermieden werden.
Wobei ich hinzufügen möchte, daß die Lines über eine besonders ausgeprägte eine "Höhenabbildung" (wie funktioniert das eigentlich bei Stereo?) z.B. bei Vogelgezwitscheraufnahmen verfügen. Das hat bei mir aber garantiert nichts mit den Deckenreflexionen zu tun, weil die ja stark unterdrückt sind. Es muss also schon auf der Aufnahme drauf sein. Diesen Effekt kann ich mir noch nicht erklären -Psychoakustik??

Wer sich das mal anhören will, immer gerne - ich habe noch ein paar Termine :cheers: frei

Gruß Martin
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Martin,

das sind aufschlußreiche Beobachtungen hinsichtlich der Raumakustik, weiter so. :cheers:

Gruß

Bernd Peter
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

cornoalto hat geschrieben: 22.06.2023, 18:01 Wobei ich hinzufügen möchte, daß die Lines über eine besonders ausgeprägte eine "Höhenabbildung" (wie funktioniert das eigentlich bei Stereo?) z.B. bei Vogelgezwitscheraufnahmen verfügen. Das hat bei mir aber garantiert nichts mit den Deckenreflexionen zu tun, weil die ja stark unterdrückt sind. Es muss also schon auf der Aufnahme drauf sein. Diesen Effekt kann ich mir noch nicht erklären -Psychoakustik??
Hallo Martin, es ist ein Effekt des Außenohrs mit der Pinna. Man nimmt die Höhen unter einem Winkel von oben intensiver wahr, im Umkehrschluss denken wir, dass mit mehr Höhen das Schallereignis auch von weiter oben kommt.
2 Experimente dazu:
Bei einem vertikal jeweils querliegenden LS-Paar erwartet man, dass die Lokalisation eines Mono-Signals in der Mitte erfolgt, das ist aber nicht so, die obere Box setzt sich mehr durch.
Bei einem üblichen Stereo-Paar mit gleicher Höhe senkt man den Kopf beim Hören und versucht die Ortung der LS-Höhe. Ich (wollte eigentlich man schreiben) stelle dabei fest, dass der Höreindruck nicht den Erwartungen entspricht, stabil ist etwas anderes...

Es gibt einen netten Nebeneffekt: Die Zischlaute einer Stimme lassen diese oberhalb der LS-Gehäuse im Raum "stehen".
Filtert man diese zwischen 6-10 kHz weg (De-Esser), sinkt die Stimme etwas nach unten. Wenn mehr Höhen da sind, lokalisieren wir räumlich höher. Auch wenn die LS den Hochtöner unter dem Tiefmitteltöner haben (inverse Chassis-Anordnung, wie z.B. bei einigen Mission-LS).
Da wird auch das Becken über die Toms und Basedrum projiziert. Vermeintlich, aber eben nur Psychoakustik.
Grüße
Hans--Martin
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo Hans Martin,
danke für die aufschlussreiche Erklärung!
Wenn ich also das oberste Chassis in den Höhen als intensiver empfinde als das unterste, wundert es mich nicht, daß die gesamte Abbildung bei den Arrays leicht nach oben geschoben ist. Meine Vermutung, daß da doch irgendwelche Deckenreflexionen hereinspielen ist demnach und vom Abstrahlverhalten her sowieso eher abwegig, oder?
Der vorgelagerte Teppich schluckt natürlich in einem ganz bestimmten Frequenzband- das könnte auch eine Auswirkung haben. Der Raum ist etwa 1.2 m höher als die Arrays.
Da mich die zu hohe Abbildung aber stört, habe ich diesen mittlerweile aus Isobond bestehenden Schallschirm provisorisch gebastelt:

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Er löst das Problem aber dennoch seltsamerweise zuverlässig, obwohl er den Direktschall garnicht abschirmt . Die Abbildung ist dann wieder auf Ohrhöhe. Wenn es mir gerade Spass macht kann ich auch etwas vom Direktschall abschirmen und dann eine Perspektive wie in manchen Konzertsäälen einnehmen. Aber normalerweise befindet sich der Schirm waagrecht über dem Kopf und schirmt Diffusschall, der von oben her über und hinterhalb des Kopfes kommt ab 1000 Hz leicht ab. Mit dem Schirm klingt es ausserdem noch wärmer und echter und so viel besser, daß ich nicht mehr ohne den Schirm hören möchte. Der klangliche Effekt ist (nur zur Einordnung) ähnlich stark wie die Verbesserung beim Hören mit korrekter Polarität. Kannst du Dir (oder besser mir) diesen Effekt erklären?

Viele Grüße
Martin
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schoko-sylt
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Beitrag von schoko-sylt »

cornoalto hat geschrieben: 22.06.2023, 18:01
Wer sich das mal anhören will, immer gerne - ich habe noch ein paar Termine :cheers: frei

Gruß Martin

Lieber Martin,

schon beachtlich, was für eine Mühe Du auf Dich genommen und welche Erkenntnisse Du mit den mal eben neu gebauten Lautsprechern dazugewonnen hast! Diese allein waren es schon wert, bei knapp 100 % Luftfeuchtigkeit zu arbeiten, auch wenn Du das Setup letztlich nicht verändert, sondern beibehalten hast. - Auch eine wichtige Erfahrung im Ausloten etwaiger neuer Wege, die die vorherigen Gedankengänge bestätigt. Melde mich schon mal zum Musikhören bei Dir an, weiß jedoch noch nicht, wann ich komme. Ist aber keine leere Versprechung, bin ja Rentner mit fahrbarer Behausung.

Ich kenne das "sommerliche" Problem und arbeite bei diesen hohen Temperaturen und soviel Class A nur mit Bermuda-Shorts. Acourate als Software der Gefahrenklasse I, die zu diesen Messaktionen und -marathons bei potentiell Gefährdeten auch in den Sommermonaten verleitet, soll daher in Zukunft gegen einen kleinen Aufpreis mit entsprechender Messbekleidung und kleinem gestickten Audiovero-Logo ausgeliefert werden. :wink:

Wenn ich Deine dargestellten FG-Kurven und Deine klanglichen Beobachtungen/Beschreibungen so betrachte, würde ich wahrscheinlich nochmals bei 15° Einwärtsdrehung messen. Oder es eben lassen, wenn ich mir sicher wäre, dass das klangliche Ergebnis in meinen Räumen voraussichtlich nicht in die richtige Richtung geht. Aber das kannst nur Du entscheiden.

cornoalto hat geschrieben: 22.06.2023, 18:01In der Horizontalebene haben die Arrays ein übliches Bündelungsverhalten, bündeln also in der Summe nicht so stark wie ein Horn, oder?

Stimmt. Wobei eine breite horizontale Abstrahlung je nach räumlichen Gegebenheiten (ggf. frühzeitige Reflexionen von der Seitenwand) auch unerwünscht sein kann. Bei Deinen Platz- und Raumverhältnissen geht es aber sicherlich sehr gut. Bei mir würde es wahrscheinlich schlechter gehen, weil links der Kamin dicht am Lautsprecher steht, während der rechte Lautsprecher freier von der Abstrahlung ist.

cornoalto hat geschrieben: 22.06.2023, 18:01Ich konnte erkennen, daß die in räumlicher, zeitlicher und dynamischer Hinsicht richtige Dosis Diffusschall essentiell für ein überzeugendes Hörerlebnis ist und ein horizontal breit abstrahlender Lautsprecher bei meinen räumlichen Verhältnissen (und nur das kann ich beurteilen) von Vorteil ist. Ebenso wie ein starkes bündeln in der Vertikale. Meiner Ansicht nach tragen Boden- und Deckenreflexionen nicht zu verbesserter Plastizität bei und sollten immer vermieden werden.

Die richtige Dosis Diffusschall unter den von Dir genannten Kautelen halte ich ebenfalls für essentiell und das insbesondere auch bei Hörnern, die naturgemäß je nach Horntyp mehr oder minder stark richten. Diesbezüglich habe ich ja zur Unterstützung des Diffusschalls schon vor langer Zeit viele Experimente mit nach hinten abstrahlenden Hochtönern gemacht, wobei sich die Zuhörer ausnahmslos für die Wiedergabe mit den zusätzlichen HT entschieden haben. Aber das hat eben auch etwas mit subjektiver Wahrnehmung zu tun, objektive Kriterien dafür gibt es nicht. - Ich habe auch noch eine weitere Untersuchung mit einer Variation des nach hinten abgestrahlten Schalls durchgeführt, über die ich vielleicht irgendwann berichten werde.

Decken- und Bodenreflexionen sind bei üblichen Lautsprecher-Setups nur sehr schwer vermeidbar, es sei denn, man benutzt wie Du ein Array oder wählt den Teppich auf dem Fußboden ausreichend hoch wie bei Teppich Kibek, wo 50 Teppiche übereinander im Verkaufsraum liegen. :wink: Dass sie primär nicht zum musikalischen "Wohlbefinden" beitragen, sehe ich genauso wie Du.


Grüße aus Hamburg und viel Spaß weiterhin beim Experimentieren

Holger
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,

gestern war ich bei Martin zum Gegenbesuch.

War ein praxisbezogener Unterricht in Sachen Raumakustik und ihre Auswirkungen.
Sehr sehr empfehlenswert!

Bei mir stehen ja die Lautsprecher schon frei im Raum, gleiches gilt für meinen Hörplatz.
Damit sind Klangbildstörungen durch Reflexionen stark reduziert.

Aber ... andererseits:

Wir brauchen Raumreflexionen. Allerdings die Richtigen, die Guten!
Diese erzeugen die Räumlichkeit, das lebendig Dynamische, das Atmen der Musik.

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Martin weicht ja von der üblichen Aufstellung ab, indem er die Lautsprecher über Eck stellt. Der rückwärtige Schall trifft vom Lautsprecher eckzugewandt somit auf die erste querseitige Wand, von dort rüber zur gegenüberliegenden Wand und dann irgendwann auch Richtung Hörplatz. An den betreffenden Stellen sind zudem noch Diffusoren in Form von Holzkästchen angebracht.

Der rückwärtige Schallanteil des Lautsprechers eckabgewandt hat dagegen keine nähere Hindernisfläche, die nächste Raumecke ist mehrere Meter entfernt. So endet das Klangbild direkt am Lautsprecher, außer die Aufnahme selbst (wie bei Roger Waters "Amused to death") beinhaltet entsprechende Effekte.

Aber der Raum innerhalb der beiden Lautsprecher wird zu einer Klangbildecke der ganz besonderen Art.
Holographisch! Gruselig echt bei Liveaufnahmen wie "Stimela".

Durchhörbar, sauber gestaffelt und angenehm präzise. Masekelas Sängerstimme als Person im Raum.
Schön aus der Tiefe, aber nicht aufdringlich, nicht überpräsent.

Wow.

Fazit: hervorragende Geräte sind ein Muss, aber nur die halbe Miete.

Es grüßt


Bernd Peter

Habe die Bilder etwas aufgehellt. Martins Lautsprecher haben es verdient! Gruß, Rudolf
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo zusammen, servus Bernd,

die seltenen und stets hochwillkommenen Hörbesuche nehme ich gerne zum Anlass, über weitere Fortschritte zu berichten, die sich im Lauf der Zeit so ergeben haben. Nur teile ich mittlerweile das Schicksal vieler Mitforisten, daß die Nachrichtenlage immer dünner wird, weil sich aufgrund hoher Zufriedenheit nur noch wenig verbessern lässt.

Doch der sommerliche Besuch von Horst gab mit den Anstoß mich nun doch noch mit dem softwareseitigen Optimierungspotential des Audio-PC auseinanderzusetzen. Sprich: Installation eines Ramdisk-Server-2016-Betriebssystems und weitere Optimierung durch Reduzierung der Dienste auf 16 Stück, Windows-Shutup und Heruntertakten auf 0,7 GHz. Fidelizer und Primocache wurden nicht mehr installiert. Vielen Dank, lieber Horst, nochmals für deine großartige Hilfestellung hierbei! Und ich muss zugeben, daß ich mir bis dato nicht wirklich vorstellen konnte, wie viel Potential mit einem unaudiophilen Betriebssystem doch verschenkt wird. Nun - man lernt eben nie aus.

Derart gerüstet war es nun an der Zeit, das ganze Geraffel mal dem in PC-Wiedergabedingen auch sehr erfahrenen Bernd vorzuführen. Und erstaunlicherweise wurde während des sechsstündigen Besuchs eine weiteren PC-Optimierung von Bernd gar nicht mehr thematisiert, weil es sich zu meiner großen Erleichterung wohl nicht mehr aufdrängt. Bernd sagte nur gelegentlich während des Anhörens klassischer - genauer impressionistischer - Musik in seinem unnachahmlichen Dialekt: "Ja, so kann man Musik hören". Und ich nahm es mit Genugtuung zu Kenntnis. Wir unterhielten uns stattdessen über Gott und die Welt und natürlich über akustische Phänomene.

Dazu möchte ich zum Thema Wahrnehmung noch eine eigene Beobachtung ergänzen: Die "Echtheit" und Greifbarkeit der der Akteure, die auf der Imaginären Bühne zwischen den Lautsprechern vorhanden sind, wird meiner Meinung nach vollständig erst durch die Reflexionen des Hörraums erzeugt. Links-rechts-Ortung und Tiefenstaffelung funktionieren zwar auch im schalltoten Raum, aber es fehlt das absolut Echte. Das Echte, wie es eine Aufnahme und Wiedergabe eben hergibt - wirklich echt ist natürlich nur die Realität. Mit trinaural könnte das schon gut gehen. Oder eben mit einem besonders dichten und zwingend zeitlich vom Direktschall entsprechend separierten Diffusschallfeld, das sich z.B. bei einer über Eck-Aufstellung mit viel Platz und breitem Abstrahlverhalten der Lautsprecher von alleine ergibt. Daher - man möge es mir verzeihen - halte ich die allzu oft vorzufindende Konstellation: Lautsprecher linke Ecke - Flachbildschirm - Lautsprecher rechte Ecke und alles in einer Ebene und 0,75 m vor der Wand für wenig geeignet zum Erhören aller aufnahmeseitigen Informationen und zum aufwandslosen Eintauchen in die Musik. Natürlich geht es oft aus Platzgründen nicht anders, was sehr bedauerlich ist.

Um die große Macht einer Sekundärschallquelle für unsere Wahrnehmung zu demonstrieren, kann man sich testweise ein Objekt, z.B einen Reisekoffer in etwa 1,2 Meter Entfernung auf Ohrhöhe mittig vor dem Hörplatz hochkant und mit dem Griff zur Seite auf einen Stuhl stellen. Die entstehenden Sekundärschallquellen an den Kanten des Objekts lassen eine mittig (mit geringen Mikrofonabstand) aufgenommene Stimme glaubhaft aus dem Koffer heraus singen. Die Kofferreflexionen kommen ja nicht spät genug am Ohr an, um sie vom Direktschall zu separieren. Der LS- Direktschall ist aber anscheinend nicht laut genug, um die Stimme weiter hinten, zwischen den Lautsprechern zu orten. Komisch. Liegt es daran, daß ich mich innerhalb des Hallradius der Sekundärschallquelle "Koffer" und außerhalb des Hallradius der Lautsprecher befinde?

Ein ganzer Reigen von Diffusoren, 2-5 Meter hinter den Lautsprechern wie in meiner Konstellation entfernt, bewirken aber Ähnliches, allerdings wird dann ein großes Orchester nach hinten, eigentlich zu den Diffusoren verlagert und sozusagen plastifiziert. Die wahrgenommene Vorne-Hinten-Ortung existiert dennoch einfach aufgrund der bei gutem Equipment vorhandenen Möglichkeit zur Darstellung der dynamischen Unterschiede in der Aufnahme, welche wiederum durch schlechte Raumakustik allzuleicht eingeschränkt wird.

Wenn ich das Objekt nun z. B. bei einer Violinsonate, Geige halb links - Klavier rechts an die virtuelle Position der Geige etwa auf Lautsprecherebene stelle, wird auch diese noch glaubhafter dargestellt, bleibt aber an seinem Platz. Man kann einen Akteur also näher zum Hörplatz oder weiter weg positionieren und ihm vor allem zusätzliche Körperlichkeit zu verleihen, indem ein Reflexionsopjekt zwischen den Lautsprechern entsprechend axial verschoben wird. Die links-rechts-Ortung bleibt davon relativ unberührt. Sobald aber zu frühe Reflexionen aufgrund beengter Platzverhältnisse vorhanden sind, funktioniert das Experiment nur noch eingeschränkt. Mache ich einen Denkfehler oder gibt es eine gute Erklärung für das Phänomen?
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,
Die "Echtheit" und Greifbarkeit der Akteure, die auf der Imaginären Bühne zwischen den Lautsprechern vorhanden sind, wird meiner Meinung nach vollständig erst durch die Reflexionen des Hörraums erzeugt.
was wird nicht alles über Highend gesagt und diskutiert und dann diese Feststellung. :roll:

Es grüßt

Bernd Peter
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Thomas86
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Beitrag von Thomas86 »

Hallo Martin,

herzlichen Dank für deinen Bericht, den ich sehr gerne gelesen habe. Da ich das Glück hatte, deinen "Klangraum" erleben zu dürfen kann ich mir in etwas vorstellen, wie es bei euch gewesen sein muss.

Deine Überlegungen zu Reflexionen, bzw. Raumakustik finde ich höchst spannend. Bitte mehr davon!
Da ich in den nächsten Woche das Glück habe, (endlich) ein eigenes Musikzimmer zu bekommen, ist mein Vorsatz ohne Kompromisse die Raumakustik anzugehen. (ich noch viel zu lernen hier habe.)

Ganz profan bleibt das Problem mit dem Flachbildschirm. Eine Suche nach eventuellen Deckenliftern, welche die Reflexionsfläche TV nach oben klappen könnten, ergab leider kein zufriedenstellendes Ergebnis.

Viele Grüße
Thomas
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Martin,
hier eine unvollständige Auflistung von Betrachtungen zu den von dir geschilderten Phänomen:
Damit ein Objekt vor der Ebene der LS lokalisiert wird und sich vom Hintergrund abhebt, muss der Direktschall stark, der Nachhall schwach und deutlich verzögert eintreffen.
Wenn der Nachhall schnell dem Direktschall folgt, zudem annähernd ähnlichen Pegel hat, lokalisiert man das Ereignis entfernt (oder nimmt den Aufnahmeraum als klein/kurz wahr.

Wenn jemand vor den LS durchgeht, ändert sich an der Lokalisation der Musik wenig, aber die Klangfarbe des jeweils betroffenen LS ändert sich in dem Moment.
In der Breitenstaffelung setzt das Gehirn die Töne <800 Hz von Laufzeitunterschieden und die Töne >1600 Hz aus Intensitätsunterschieden zusammen.
Die größeren Wellenlängen bei den Grundtönen werden am Hindernis gebeugt. Um (rückwärts) reflektiert zu werden, rechnet man die 5-fache Wellenlänge der Frequenz.

Kommt seitlich oder am Boden(auch Decke) eine starke frühe Reflexion zustande, die schnell dem Direktschall folgt, werden beide als ein Ereignis wahrgenommen ( innerhalb 2ms, Summenlokalisation, ein wesentliches Arbeitsprinzip von Stereo). Dann rückt die Schallquelle in Richtung Reflexionszone, es bildet sich eine neue Phantomschallquelle.
Ein Störobjekt ändert daran wenig.

Ich vergleiche deine Beschreibung mit diesen Aspekten.
Wir hatten schon einen Thread, in dem ausführlich diskutiert wurde, wie der Schall sinnvoll an den ersten Reflexionspunkten mit Absorbern bedämpft, an den späteren Reflexionspunkten im Nachhallbereich durch Diffusoren gestreut werden sollte.
Grüße
Hans-Martin
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo zusammen,
Hans-Martin, ich war mir absolut sicher, daß du dich zu meinen Ausführungen einbringen wirst und danke dir dafür. :cheers:
Wer mag ist eingeladen, wie oben beschrieben vor dem Hörplatz ein Objekt zu plazieren: Einmal einen Gymnastikball (ohne Kantenreflexionen) und dann eine Platte mit scharfen Kanten (40x60cm). Wie ist eure Wahrnehmung?
Oder: jetzt direkt vor der Nase ein flaches Kissen aufrecht und mit der schmalen Seite zum Gesicht halten und dann beobachten was passiert, wenn man den Kopf zur Seite dreht ohne das Kissen zu bewegen.
Ich bin gespannt!

Lieber Thomas, zum Flachbildschirm fällt mir nur ein: Bündelnde Lautsprecher im Nahfeld benutzen und/oder den Bildschirm bei Nichtgebrauch mit einem Absorber akustisch unschädlich machen. Es sei denn er ist 2-3 Meter hinter der Lautprecherebene... :( :Oder kippen?

Grüße
Martin
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Thomas

nur ganz kurz, da hier wohl eher der falsche Thread dafür:
Thomas86 hat geschrieben: 14.11.2023, 10:19 Ganz profan bleibt das Problem mit dem Flachbildschirm. Eine Suche nach eventuellen Deckenliftern, welche die Reflexionsfläche TV nach oben klappen könnten, ergab leider kein zufriedenstellendes Ergebnis.
Wenn du ohnehin deinen Raum optimierren musst, wirst du vermutlich auch hinter den Boxen die Wand behandeln, am ehesten mit Diffusoren. Dann könntest du dort auch den TV einlassen (und der ganze TV-Kabelkram verschwindet auch gleich hinter der - abnehmbaren - Wand). Bei reinem Musikhören (also ohne TV) könnte dieser mit dem gleichen Diffusorenmaterial unsichtbar abgedeckt werden. Ob manuell oder mit einem Klappmechanismus wäre Feintunig und abhängig von der Größe des FlatScreens.

Viele Grüße
Jörg
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