FST hat geschrieben: ↑14.01.2023, 09:00 Mein Gesprächspartner war sehr überrascht und meinte, dass ein normaler LS für eine so Häufige Testtonwidergabe nicht konzipiert ist und durchaus Schaden nehmen kann. Muss ich mir hier um meine 901 Sorgen machen?
Gibt es eine Faustformel, wie oft man einen Lautsprecher der Prozedur gefahrlos aussetzen darf?
Hallo Fabian,
ganz einfach: das eine Mal, welches zur Zerstörung führt, ist das eine zuviel.
Der zitierte Gesprächspartner kann ja nur auf seine Erfahrungen in der Vergangenheit zurückgreifen.
Weiter unten schildere ich, wie ich mit Messung einen Hochtöner beschädigt habe, innerhalb der üblichen Regeln, was Belastbarkeit betrifft.
Tinitus hat geschrieben: ↑14.01.2023, 10:26aber wo ist denn der Unterschied zwischen Testton und Musik für ein Lautsprecherchassis? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Chassis merkt Huch da kommt ein reiner Sinus jetzt verschleiße ich mehr.
Hallo Uwe,
genau das habe ich schon erlebt, indem ich mit einem Tongenerator von Hand gesteuert den Frequenzbereich langsam vor und zurück abgefahren habe, um bei einem alten Brüel&Kjaer Amplituden-/Frequenzanalyzer (noch mit Röhren) auf dem Bildschirm (Kathodenstrahlröhre) die Resonanzstellen zu sehen. Das war in den 1980er Jahren, bevor Computer die Messtechnik übernahmen (AudioPrecision gab es schon, kostete an DM 20000).
Zumal deine LS ja Limiter haben. Ist bei mir schon vorgekommen, dass bei einer Messung der Limiter anging, dann halt den Pegel etwas zurücknehmen.
Ich denke, es ist nicht nur der angemessene Pegel, sondern auch die Zeitdauer einer diskreten Frequenz, wie lange sie auf das Chassis wirkt. "Cone breakup" auf Deutsch: Partialschwingungen, dazu kommen schmalbandige Resonanzstellen mit Gütefaktoren bei über 40 (vor gut 50 Jahren bei der BBC festgestellt). Es ist nicht allein die anregende Amplitude, sondern vor besonders die Frequenz, die das Glas zerspringen, die Brücke aufschaukelt und brechen lässt.
Ich habe schon viele Hochtöner mit Gewebekalotte gesehen, die nach vielen Jahren rundum einen Ring beschädigter Fasern aufwiesen, während die Schwingspule unversehrt war, also eine Überlastung im klassischen Sinne auf elektrischer Ebene nicht stattgefunden hatte. Sie waren auch nie irgendeinem Messton ausgesetzt. Stetes Tropfen hölt den Stein... Auch Hochpass-gefilterte Musik kann Schäden verursachen, und in meinem oben geschilderten Fall klang der Hochtöner nicht mehr wie ein zweites Exemplar, während vorher eine gute Stereomitte bei Monosignal von der Gleichartigkeit der Chassis zeugte.
Bei den aktiv angesteuerten (ursprünglich Passiv-) Lautsprechern, die ich vor 30 Jahren hatte, habe ich nach 8 Jahren Gebrauch die Hochtöner-Schwingeinheiten ersetzt und nach 24/7 Einspielphase ein dynamischeres Klangbild bekommen als zuvor nach Gewohnheit erlebt.
Das noch ungeglättete Messergebnis zeigt meist viele Dips und Peaks auf, welches mit Glättungsalgorithmen zu einem "begreifbaren" Ergebnis gebracht wird, das gilt für Logsweep wie auch für Messung mit Dirac-Impuls, Chirps (oder das unstete PinkNoise, welches ich für die unzuverlässigste Methode halte, wenn es dem Zufallsgenerator überlassen wird).
Bei meinen Mikrofonkalibrierversuchen (mit Dirac-Impulsen) konnte ich feststellen, dass der Messpegel keinen nennenswerten Einfluss auf das Ergebnis hatte (die quantisierten Werte hatte ich in eine Excel Tabelle eingepflegt und die Pegeldifferenzen bei gleicher Frequenz waren kleiner als 0,1dB nach Berücksichtigung der Pegelverschiebung um 20dB). Man kann vermutlich mit einem niedrigeren Messpegel Ergebnisse erzielen, die in der Genauigkeit nicht bezweifelt werden brauchen, sofern genügend Abstand zu den Nebengeräuschen im Raum bleibt. Notfalls hilft ein Vergleich mit einem zeitversetzten zweiten Messdurchgang.
Zusammengefasst kann ich sagen, das dass sowohl bei Musik wie auch bei Messsignalen Chassis ihre Eigenschaften ändern können. Beschädigung eingeschlossen (nicht primär gemeint sind Überlastung der Schwingspule, die gerade bei Hochtönern schnell geschehen können, wenn man meint, mit 8V bis 20kHz langsam messen zu müssen). Es fällt mir aber schwer, den durchlaufenden Logsweep dafür verantwortlich zu machen, weil bei Resonanzen mit hoher Güte die durchlaufende Sweepfrequenz als Anregung sich schneller fortbewegt als die Schwingung sich beschädigend aufschaukeln würde.
Ich denke, Uli wird sich bei der Gestaltung seines Acourate-Messsignals über derlei Aspekte lange Gedanken gemacht haben, mit welchem Tempo ein Sweep durchlaufen kann, ohne die Genauigkeit zu opfern, den Kompromiss mit der Belastbarkeit im Auge.
Bedenkt man, dass man bei 75dB mit etwa 0,1W messen kann, hinreichend Abstand zur Belastbarkeitsgrenze, aber immerin viel lauter als die üblichen Obertöne in Musik üblicher Strukturen bei den meisten Abhörpegeln ('gute' Zimmerlautstärke).
Mit Audacity kann man eine Spektralanalyse der favorisierten Musikstücke machen und sehen, wie krass der Pegel oberhalb 1kHz abfällt. Nicht weit entfernt von PinkNoise. Weshalb ein Hochtöner nur einen Bruchteil der Bassenergiemenge zu ertragen hat. Ein LogSweep deutet mit Log=logarithmisch schon an, dass die Zeitspanne pro Oktave etwa gleich bleibt, weshalb ich meine, dass davon eher keine Gefahr ausgeht, wohl eher vom Benutzer.
Grüße
Hans-Martin