Malte hat geschrieben:Mich würde mal interessieren, wie die Center-Berechnungs-Matrix des Trinaural-Prozessors eigentlich funktioniert. Ich habe da so meine Bedenken, insbesondere wenn man "moderne" Aufnahmen mit hohem Mischanteil Intensitäts/Laufzeitstereophonie darüber hören will.
Hallo Malte,
Die Trinaural-Matrix ist rein statisch, "dumm", nicht gesteuert. Die Gleichungen sind:
L' = L - 0.5R
R' = R - 0.5L
C = 0.5(L+R)
Der Center ist also identisch zum M-Kanal bei der M/S-Matrizierung.
Das ist eine feste eingestellte Version der
Optimum Linear Matrix (US.Pat.#5610986) von Micheal Miles (
http://www.milestech.com), mit Parameter k=0.5:
L' = L - kR
R' = R - kL
C = (1-k)(R+L) = R'+L'
Für k=0.5 ergeben sich rechnerisch optimale Verhältnisse (maximale Trennung der einzelnen Kanäle von 6dB und am weitesten an 2-Kanal-Wiedergabe angelehnte Verhältnisse beim Energieeintrag in den Raum (welcher ja dort schon sehr kompromissbehalftet ist) -- die Raumanregung, modal wie reflektiv, ist aber deutlich anders.
Wenn ich das Konzept von Bongiorno richtig verstanden habe, geht es ihm vor allem darum, "doppelte" Signale in L und R bzw. anschließend in L, C und R zu elimnineren. Das ist bei rein intensitätsgemischten Aufnahmen ein hervorragender Ansatz, der ja bei Prologic 2 recht gut funktioniert, wenn man die Center-Balance vernünftig einregelt. In dem Moment, wo wir aber rein laufzeitbasierte Stereoaufnahmen haben, muss ein solches Vorgehen scheitern.
Vielleicht kann jemand darüber berichten, wie typische "Überbreit-A/B"-Aufnahmen, etwa One-Point-Recordings, über den Trinaural-Prozessor klingen? Meine Versuche mit anderen Matrixverfahren (egal ob R-M, Prologic2 etc.) waren da ernüchternd, heftige Interferenzen und "Phasing".
Das ist in der Tat eine Schwachstelle, reines A/B mag Trinaural nicht wirklich. Zwar heben sich im Sweetspot die Phasing-Anteile im Direktschall theoretisch weitgehend (d.h. bis zu mittleren Frequenzen) wieder auf, aber im Diffusanteil schlagen die Kammfiltereffekte, speziell des Centers, voll durch. Trinaural mag am liebsten X/Y ("panned Mono") und gutes Äquivalenzstereo, reines (Klein-)A/B (welches aber auch selten ist) ist sehr heikel und HRTF-basierte Effekte (Q-Sound, Ambisone etc) funktioniert prinzipiell nicht (sind aber ebenfalls in der Minderzahl der Aufnahmen in relevanten Mengen vorhanden), weil das auf der klassischen 2-LS-Anordnung schon konzeptionell beruht. Ich hatte in der Testphase nur wenig Material mit erkennbaren Q-Sound-Schnipseln etc, und diese wurde dadurch einfach nur diffuser, unortbarer. Da ich aber eine eigene Version einer solchen auf HRTF-basiertem Cancelling beruhenden Verbreiterung entwickelt habe, weiss ich schon rein rechnerisch dass es nicht funktionieren kann, und diese HRTF-Geschichten ezeugen auch immer ein verzerrtes Diffusfeld (es wird zu dunkel und phast auch etwas), was dann durch Tri noch deutlicher werden muss, weil der eigentliche Effekt weg ist, die Projektion dafür nicht passt. Überbasiseffekte in natürlichen Aufnahmen (z.B. durch X/Y bzw Blumlein mit Achten, oder rückwärtiger/seitlicher Schall bei Äquivalenzanordnungen mit Mikrofoncharakteristiken jenseits der einfachen Niere) schätze ich aber wesentlich unkritischer ein, weil dort es ja quasi nur gelegentlich und "durch Zufall" zu Signalkonstellationen kommt, die sich ähnlich auswirken (aber sehr frequenzspezifisch) wie echte HRTF-basierte Manipulationen. Müsste man mal gezielt untersuchen, das Testmaterial -- nach dL-dT-Verhältnissen und in der Frequenz gestaffelte "Impuls-Rauschtürme" -- habe ich eigentlich im großen und ganzen (bzw baue es mir "ambulant"), jedoch leider aktuell kein Tri-Setup, LS-mäßig)
Was mich noch interessieren würde: Bongiorno empfiehlt, auch gemäß den alten Spezifikationen aus den 50ern, ein "Stumpfes" Dreieck mit +-45 Grad aufgestellten Fronts (ähnlich übrigens die Quadro-Verfahren der 1970er). Wie groß sind bei trinaural gehörten Aufnahmen die Unterschiede im Vergleich zum +-30 Grad System von Stereo?
Es wird dadurch in der Tat etwas breiter. Die 30° sind nun nicht wirklich festgenagelt (und kommen mW historisch ja auch vom Loch, dass sich bei reinem A/B dann auftut in der Mitte wenn es deutlich mehr ist), ich bin z.B. bei mindestens 35°. Für das "Vektorgeschiebe" bei Tri sind die 45° günstiger als 30°, es geht aber auch mit weniger Winkel, durch Änderung des k-Parameters (besser hat man sogar zwei Parameter einstellbar, denn Center-Pegel getrennt vom Subtraktionsanteil in den Seitenkanälen). Bei kleinem Winkel wird jedoch der Diffusanteil der Seitenkanäle etwas höher, was diese etwas überbetonen kann.
Generell muss man also schon sagen, dass die Aufnahme gewisse Eigenschaften haben muss, damit Trinaural ohne Komplikationen funktioniert. Bei der Mehrzahl der Pop/Rock/Jazzaufnahmen ist das der Fall, bei Klassik ist das u.U. problematischer (Ich höre kaum Klassik, von daher für mich kein Faktor). Ideal wäre natürlich Aufnahmen, die schon bei der Produktion auf Kompatibiltät mit Trinaural überprüft werden, denn eben 100% kompatibel und 100% gleich in der Phantomquellenabblidung sind beide Verfahren nicht. Die üblichen (empirischen) Gesetze von Pegel- und Laufzeit-Differenzbeziehungen sind bei Tri leicht verschoben, ebenso der Schärfeeindruck der verschiedenen Phantomquellentypen -- scharfes (X/Y, speziell mittiges, z.B. Solisten) wird noch schärfer, diffuses (unkorreliertes(!) A/B, also Hallfahnen etc) noch diffuser, was idR sich künstlerisch sinnvoll auswirkt, aber nicht immer. Das war auch der wesentliche Gewinn von Tri gegenüber konventioneller Wiedergabe meiner leider nur temporären Testphase, sowie der Umstand, das die "Bühne" bei Kopfbewegung und vor allem -Drehung kaum zusammenfällt, ein in der Tat frappierender Effekt
Grüße, Klaus