Hallo Klassikfreunde,
ich habe mich in der letzten Zeit intensiver mit dieser Oper beschäftigt und einige Interpretationen miteinander verglichen: querbeet von 1955 bis 2021 (ohne damit Vollständigkeit suggerieren zu wollen).
Am Ende konnte ich mich für die folgenden 4 am ehesten erwärmen, wobei keine - wie sollten sie auch - alle Aspekte abdecken kann.
Früher war die vielgelobte
Dorati-Aufnahme von 1962 mit der Sängerregie London, Rysanek und Tozzi mein Favorit.
Inzwischen gefallen mir die Tempi nicht mehr so wirklich, so dass mir die Bayreuther
Sawallisch-Live-Aufnahme aus 1959 mit einer ähnlichen Besetzung (London, Rysanek, Greindl, Uhl) besser gefällt. Diese gab es früher nur als "halblegale" Veröffentlichung - inzwischen hat sie Orfeo aber ganz offiziell als 24/96-Mastering herausgegeben.
Sawallisch hat sich dann 1962 selbst Konkurrenz gemacht und mit der Besetzung Crass, Silja, Greindl, Uhl (ebenfalls in Bayreuth) die für meinen Geschmack rollenmäßig noch stärkere Interpretation abgeliefert. Anja SIlja ist für mich die ideale Senta: tolle jugendliche "naive" Stimme (nicht schon so ausgereift wie Rysanek - die dennoch klasse singt) und Crass liefert einen glaubwürdigen Holländer ab.
Wenn wir bei Anja Silja bleiben, dann muss auch die 4. Aufnahme hier im Bunde genannt werden:
Klemperers Studioproduktion von 1968 mit einer Top-Sängerriege Adam, Silja, Talvela, Unger.
Alle 4 Aufnahmen haben ihre Meriten und ich möchte keine davon missen.
Leider reichen von den modernen Aufnahmen (für meinen Geschmack) keine an diese doch "ollen Kamellen" heran. Weder Thielemann noch Nelson oder Barenboim - um nur einige zu nennen. Sinopoli und Janowski dirigieren wunderbar und bei ersterem singt auch eine sehr gut aufgelegte Cheryl Studer. Dann doch eher Konwitschny 1960 mit einem von Wunderlich gesungenen Steuermann und Rudolf Schock als Eric!
Und zu guter Letzt habe ich mir auch noch einmal die letztjährige Bayreuther Holländer-Inzenierung (mit Lyniv als Dirigentin) angeschaut, die Thomas86 hier:
Bayreuther Inszenierung 2021 schon mal erwähnt hatte. Die Inszenierung hat mir am Anfang sehr gut gefallen und schauspielerisch ist das nach wie vor toll gespielt. Mal etwas anderes mit der Idee, die Geschichte als Dorf-Thriller zu erzählen. Aber beim wiederholten Anschauen ist sie doch recht dünn: der Holländer als rachsüchtiger, traumatisierter Sohn einer in den Selbstmord getriebenen Geliebten Dalands, der auf seiner Hochzeit wild in die Dorfgemeindschaft schießt und Brände legt. Mary ist keine Amme, sondern die betrogene Ehefrau Dalands, die nicht ihren Mann, sondern den Holländer erschießt usw.
Aber genug - eigentlich wollte ich nur sagen: der Holländer ist als Oper m.M.n. immer eine Empfehlung wert - auch für Nicht-Wagner-Fans
Viele Grüße
Jörg