Hallo Georg,
fftransformation hat geschrieben:Ich hoffe man kann verstehen, das es mir dabei um Grundlagen geht, ob ich das ganze System von Thiel&Small richtig verstanden habe.
Vielleicht kann ich ja etwas Licht ins Dunkel bringen.
Über kurz oder lang solltest du dir, um das elektromechanische System "Lautsprecher" und die ganze Thiele&Small-Modellierung zu verstehen, ein gutes Buch über die physikalischen Zusammenhänge an mechanischen Schwingern zulegen, denn die Gesetzmäßigkeiten sind überall dieselben. Am mechanischen Schwinger habe ich aber vieles irgendwie leichter verstanden, als am elektrischen Schwingkreis. Du wirst an Schwingungs-Differentialgleichungen und deren Lösungen nicht vorbei kommen, wenn du tiefer einsteigen willst (Stichwort: Schwingfall, aperiodischer Grenzfall, Kriechfall).
Die Betrachtung im Frequenz- bzw. Zeitbereich beschreiben letztendlich ein und dasselbe, nämlich dein System Lautsprecher. Je nachdem, für welche Eigenschaften man sich interessiert, ist die eine oder die andere Betrachtungsweise anschaulicher: Beispielsweise ist die Impulsantwort (nicht Sprungantwort!) über der Zeit dieselbe Systembeschreibung wie Amplitude/Phase über der Frequenz. Letzteres aber auf einen Blick viel anschaulicher für bspw. die erste Beurteilung eines Lautsprechers.
Deine Aussage:
fftransformation hat geschrieben:Güte drückt vereinfacht nur aus, wie sich der Frequenzgang während/ nach einer Anregung verhält.
2 Dinge werden dabei laut Literatur beeinflusst:
-Frequenzgang
-Ausschwingverhalten
Ist somit also richtig, da Frequenz(/Phasen-)gang und Impulsantwort letztendlich dieselbe Beschreibung des Systems sind.
Löse dich fürs erste von der realen Lautsprechermembran bzw. sieh diese als unendlich steif an (die Tatsache, dass sie nicht unendlich steif ist, sorgt letztendlich für das Frequenzgang-Gezappel bei hohen Frequenzen, welches von Thiele&Small aber nicht beschrieben wird). Dann bringt die Membran nur noch ihre Masse mit. Zusammen mit der Schwingspule und dem Schwingspulenträger sowie der Luftlast ergibt sich eine gesamte bewegte Masse m. Zusammen mit der Federsteife k der Einspannung und Sicke und der mechanischen Dämpfung D (Verluste, Reibung im System) ergibt sich das schwingfähige System (hier Literatur greifen
), wobei m und k Energie speichern, und D Energie "vernichtet".
Jetzt wird dann vermutlich auch klar, dass das geschlossene Gehäuse die Federsteife des Systems durch die komprimierte Luft erhöht (Resonanzfrequenz steigt) und somit auch die Energie im System (Q wird größer, s. weiter unten) steigt. Die Güte drückt man dann ggf. durch Dämpfungsmaterial (Wolle) wieder runter, ganz einfach weil D durch die "Luftreibung" erhöht wird.
Du wirst feststellen, dass die Güte Q, bzw ihr Pendant, der Dämpfungsfaktor Zeta (= 1/(2*Q)), ganz stark vereinfacht (und nicht ganz wahrheitsgetreu) ein Maß für die vorherrschende "Dämpfung pro Energie" ist.
fftransformation hat geschrieben:Welche Chassisparameter würden dann ein möglichst genaues Folgen des Verstärkersignals begünstigen, würden wir mal die Parameter, die Q beschreiben außer acht lassen?
Geht also so nicht, denn sie bedingen sich gegenseitig. Es ist immer das Zusammenspiel aus vorhandener Energie und deren Bedämpfung und alles wird gegenseitig beeinflusst. Übrigens nicht nur das Resonanzgehabe, sondern auch Wirkungsgrade und vieles mehr.
Maximal schnell ist das System bezogen auf sein Ein-
und Ausschwingen bei einer festen Grenzfrequenz, beim sog. aperiodischen Grenzfall (Literatur). Das entspricht der Güte 0.5 bzw. dem Dämpfungsfaktor 1 (sog. kritische Dämpfung).
Bei näherer Überlegung wird dir dann bezogen auf das Ausschwingen auch auffallen, dass ein noch so astronomischer Dämpfungsfaktor des Verstärkers (Kurzschluss an den Lautsprecherklemmen, wenn kein Signal mehr anliegt) das Chassis nur endlich schnell ausschwingen lässt (auch wenn manchmal das Gegenteil behauptet wird), weil z.B. bei einem 8-Ohm Chassis eben immer noch 5 bis 6 Ohm Schwingspulenwiderstand in Serie liegen und die Dämpfung beim Ausschwingen begrenzen.
fftransformation hat geschrieben:Könnte man aus den Grafen von Uli ableiten, dass die Weiche der limitierene Faktor in der Signalkette darstellt?
Gesetz dem Fall, dass das Chassis in seinem Betriebsbereich annähernd ideal arbeitet (Amplitude konstant, Phase bis auf ein paar Grad an der Nulllinie), was für ein sauber geregeltes/entzerrtes Chassis in guter Näherung gegeben ist, entspricht ja die Übertragungsfunktion dem, was von der Weiche vorgegeben wird.
Insofern also ja.
Man darf aber nicht vergessen, dass letzten Endes die Summe der Einzel-Impulsantworten zählt, und die muss(/sollte
) längst nicht so wüst aussehen.
In der Hoffnung, nicht allzuviel Quatsch verzapft zu haben,
Roman