@Bernd Peter: Nun, woher sollen wir die Gewissheit nehmen, dass dieser Pat besser als alle anderen weiß, was richtig ist? Nur, weil er andere als Idioten bezeichnet? … sein Beitrag wirkt nicht wirklich, als ob er auch nur halbwegs alle relevanten Effekte auf dem Schirm hat.
@Gert: Du weißt, ich schätze Deine Expertise sehr. Du hast auch sicher Recht. Aber wenn ich Dich richtig verstehe, hast Du theoretische Überlegungen angestellt und gemessen. Ich pflege da stets einen anderen Ansatz; ist vielleicht so eine Art „Altlast“ aus meiner Zeit als Experimental-Physiker.
Mitunter steht ganz am Anfang auch eine aus einer theoretischen Überlegung heraus entwickelte Idee. Der völlige Schuss ins Blaue liefert nur mit großem Glück ein bahnbrechende Erfindung; soll jedoch auch schon vorgekommen sein… Dann steht für mich aber erst einmal das experimentelle Ergebnis im Raum, wobei das für Musikübertragung stets heißt: entscheidend ist, was das Ohr dazu „sagt“. Und in dieser Logik war bis heute noch jeder Versuch am Ende pro Übertrager. Man kann es allerdings auch leicht anders konstruieren, z.B. wundert mich eben nicht, dass der AES/EBU-Eingang am DAC8 experimentell am schlechtesten wegkommt, wenn der BNC (werkseitig ohne Übertrager) durch einen externen (besseren) Übertrager versorgt wird.
Es spielen bei diesem Thema viele Komponenten zusammen. Die Filterwirkung ist eine, die, wie Du richtig beschreibst, leider wie jeder Filter das Problem hat, einen Kompromiss zwischen Beschneidung des Nutzsignals und Filterung zu finden. Die leichte „Schrägstellung der Flanken“ ist somit unvermeidlich, ja. Ein anderes Thema ist jedoch beispielsweise die Symmetrie der Leitungsübertragung und damit die CMRR. Von erhöhter Dämpfung von Gleichtaktstörungen profitieren alle Frequenzbereiche.
Das Problem mit Theorien ist schnell, dass das Modell vielleicht nicht alle Komponenten inkl. der richtigen Zusammenhänge umfasst. Bei einem Experiment ist alles drin, auch die Zusammenhänge die ich vielleicht (noch) nicht kenne. Das ist ja oft der Witz der Sache, dass beim Entwickeln einer zum Experiment passenden Theorie so mancher theoretischer Zusammenhang abfällt, den vorher niemand gesehen hat. Nur als Randbemerkung: Gerade seit Erfindung der Digitaltechnik krankt die Audiobranche daran, dass zu vorschnell basierend auf einer nicht umfassenden Theorie Dinge auf dem Papier wegdiskutiert werden, obwohl sie als experimentelle Beobachtung existieren. (Das war jetzt aber nicht an Dich, Gert , gerichtet
)
Der GISO ist so ein schönes Beispiel: Angefangen hat das an ganz anderer Stelle im Studio, beim Einsatz in AES/EBU-Leitungen. Der klangliche Effekt war so superdeutlich positiv, dass ich an dem Einsatz der „selbstgebauten Übertragerkästchen“ nicht einen Moment gezweifelt habe. Die theoretische Erklärung hat mich in dem Moment natürlich gar nicht interessiert und als Tonschaffender brauchte sie mich bis heute nicht zu interessieren. Die Hauptsache es tut wie es tut. Nur wenn daraus mehr werden soll bzw. ähnliches in anderem Kontext gewinnbringend eingesetzt werden soll, dann ist ein Verstehen der Zusammenhänge wichtig. Heute verstehe ich auch wesentlich mehr wie die Wirkprozesse aussehen als damals als ich den positiven Effekt erstmals gehört habe. Aber hätte ich damals den positiven Effekt negieren sollen, nur weil ich ihn damals noch nicht verstanden habe… wäre doch idiotisch.
Sprechen wir nun über „galvanische Trennung“ in digitalen Systemen, sind die Zusammenhänge eben hochkomplex und ein vollumfänglich beschreibendes theoretisches Modell existiert nicht. Wir können allenfalls uns Teilaspekten nähern und eventuell die richtigen Verknüpfungen herstellen. Vielleicht beginnen wir so:
Wir haben eine elektrische Leitungsverbindung über die Daten und Referenztakt übermittelt wird. Die Datenverbindung nehmen wir als unproblematisch an (so schlechte Signalqualität, dass Null und Eins nicht mehr zu trennen sind, ist tatsächlich schwer zu realisieren). Bleibt also noch der Referenztakt als einzige qualitativ relevante Größe. Weiterhin sollten wir überlegen, ob und, wenn ja, welche Nebeneffekte eventuell existieren. Dort kommt der ganze Themenkomplex Störungen mit rein; insbesondere Weil die Quellen der Digitalsignale i.d.R. große Störquellen sind und, wie Gert oben richtig gesagt hat, das Signal selbst ja aus analoger Sicht eigentlich schon eine HF-Störung ist.
Hier würde ich nun persönlich wieder in zwei Themenkomplexe unterteilen: 1. Störungen die in der digitalen Umgebung wirksam werden und 2. Störungen die direkt auf die Analogsignale wechselwirken (wir sollten niemals vergessen, dass am Anfang und am Ende der Kette immer ein analoges Audiosignal steht und auch digitale Signale sind analoge Ströme und Spannungen).
Zu 2. habe ich beispielsweise die Vermutung, dass dies zumindest ein Grund ist, warum der DAC8 auf soviel Maßnahmen reagiert. Dort wird zwar bereits intern reclockt und die gesamte Digitalsektion ist galvanisch von der Analogsektion entkoppelt (wobei das in Anbetracht der Existenz von DA-Chips natürlich nur begrenzt in Reinkultur geht). Die digitalen Eingänge liegen jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft der Analogsektion und der Analogausgänge. Also ab man da das Übersprechen von HF-Störungen direkt auf die analoge Sektion gänzlich ausschließen kann…?
Damit haben die „Idioten“ von Crystal (wie o.g. Pat meint) übrigens in einem recht alten Datenblatt ihre dringende Empfehlung für Übertrager vor ihren AES-Transmittern argumentiert und in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass es bei der AES eine generelle Empfehlung ist und von der EBU sogar vorgeschrieben ist. Von digitalen Einflüssen sprach da explizit niemand und der Begriff Jitter fiel auch nicht. Das schiebe ich aber eher darauf, dass dies in der Anfangszeit generell kein Thema war. Waren ja jetzt nur noch Nullen und Einsen und damit war alles egal, so werden sich manche noch an die Grundhaltung zu Beginn des Digitalzeitalters erinnern.
Gut, mittlerweile sind wir alle schlauer und damit bei Punkt 1: In der digitalen Welt wirken sich Störungen „nur“ indirekt auf die analogen Signale aus. Das „nur“ ist eine vergiftete Abschwächung, denn ich denke gerade hier lauert die eigentliche Schwierigkeit. Da wir die Daten wie gesagt recht beruhigt als perfekt übertragen ansehen können, bleibt als einzige Einflussgröße eigentlich nur der Referenztakt und hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, wie sich Störungen in Taktungenauigkeiten, d.h. Jitter, umsetzen. Aber danach wird es erst noch richtig böse: Welcher Jitter bringt sich wie zu Gehör? Denn was ist schon ein Messwert, die Interpretation ist entscheidend und da wird es mit dem menschlichen Hörsystem eben immer schwierig. Ich habe beispielsweise mit dem allseits beliebten J-test mal alle DACs die ich so herumstehen habe gemessen, weil ich gerade einen besonders schlechten gesucht habe, um die Effekte meiner Entwicklungen vielleicht umso besser messen zu können. Wenn man beispielsweise die Messungen am DAC8 von Zweibrücken anschaut, welche Verbesserungen soll ich da noch messen können… Aber ich höre halt etwas und es macht sich gut, ein Diagramm zeigen zu können, dass dies zeigt.
Dabei hatte ich zwei DACs mit unterschiedlich schaltbaren Betriebsmodi, wo der als besser betitelte auch tatsächlich die besseren Messwerte lieferte. Diese Modi hatte ich für mich aber eigentlich schon lange als die klanglich schlechteren abgehakt. Hmm? ... Bei einem der beiden DACs kenne ich die gleiche klangliche Bwertung zugleich auch von einigen Kollegen, sodass dies nicht nur meine persönliche - womöglich irregeleitete - Präferenz sein kann. Nun genügt jedoch schon ein Gegenbeweis, um diesen Jtest der Untauglichkeit zu überführen. Da wird offenbar etwas des Messwertes wegen gemessen, aber der Messwert sagt noch nichts über die für die Hörwahrnehmung wirklich relevanten Parameter aus. Gerade gestern habe ich nochmal das Kapitel über Übertrager im „Handbook for Sound Engineers“ durchstöbert (da geht es um Audioübertrager) und im Zusammenhang mit Verzerrungen verweist Bill Whitlock in zwei kleinen Absätzen (S.242/243) nebenbei auch darauf, wie wenig aussagekräftig Zahlenwerte bezogen auf die tatsächliche Hörwahrnehmung sind. Dabei sind ja Klirrverzerrungen noch super durchsichtig zu verstehen, verglichen mit dem was digital abläuft. Also ich glaube messtechnisch sind wir noch ganz am Anfang, wirklich zu wissen, was sich wie gut messen muss um sicher zu wissen, das klingt gut und das klingt schlecht. Und solange das nicht ganz hinten im Analogsignal gemessen wird, ist es ohnehin ohne relevante Aussage. Das sind dann bestenfalls alles nur Hilfen auf der technischen Seite beim Entwickeln und Optimieren.
Vergessen darf man zugleich nicht, dass jeder Empfänger mehr oder weniger gut auf die Rekonstruktion des Referenztaktes ausgelegt ist, Stichwort: PLL. Damit müssen wir aber auch den Baustein und dessen Konstruktionsprinzipien mit in die Theorie einbauen. Denn wie gesagt, alleine entscheidend ist das analoge Signal ganz hinten. Und genau hier fängt dann auch das experimentelle Ergebnis an vielleicht doch zur Theorie zu passen. Wir landen dann nämlich bei der Frage, auf welche Arten von Jitter reagiert die PLL wie und gibt es vielleicht Arten von Jitter, die eine PLL sehr gut abfängt und andere Arten, die eine PLL schwer oder gar nicht ausgleichen kann. Der ganze Themenkomplex „Kaskadierung von mehreren Mutecs“ spricht in diesem Zusammenhang doch Bände. Wenn zwei Reclocker mit einem internen Referenztakt von eigentlich unglaublicher Präzision besser sind als einer, beweist das doch zuerst einmal die Untauglichkeit des Konzepts an sich, zumindest in Teilaspekten. Aber insbesondere, wenn trotz drei Reclocker in Reihe immer noch Veränderungen an der Quelle – z.B. unterschiedliche Einstellungen an der Playbacksoftware – wahrgenommen werden, so mahnt das doch dringlich die Suche nach anderen Eiflussgrößen an.
Mein Ansatz – und den sehe ich derzeit mehr und mehr bestätigt – war deshalb recht fix, dass nicht die Präzision des Taktgebers die Baustelle ist, um die sich umfassender zu kümmern ist, sondern der Themenkomplex Noise. Wenn ein Softwareplayer beispielsweise unterschiedliche Dinge tut, wird er ein unterschiedliches Noiseprofil am Rechner erzeugen. Setzt sich aber Noise in der PLL zu Jitter um, überrascht eine klangliche Auswirkung wenig, solange dazwischengeschaltete Einheiten nur den Referenztakt verbessern, nicht aber das Noise entfernen.
Damit sind wir dann wieder am Anfang. Heutige PLL-Schaltungen in DACs haben m.E. nicht das geringste Problem damit die leichte Schrägstellung der Flanken nicht in ihren Ausgangstakt mit einzubeziehen. Deshalb ist der vordergründige „Schaden“ durch die Übertrager letztlich keiner. Die Signalform an sich, wie ich sie nur auf dem Oszi sehen kann, ist doch kein Wert an sich. Einzig entscheidend ist, welche Verformung finde ich im Analogsignal wieder und welche nicht. Die positiven Eigenschaften hinsichtlich Noise setzen sich durch, weil in der Regel im DAC wenig Gegenmaßnahmen vorgesehen sind. So zumindest mein Schluss daraus, was ich experimentell finde bzw. höre.
Viele Grüße
Ralf