Hallo Thorben - willkommen bei den Aktiven
powerohr hat geschrieben:Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass eine absolut lineare, leicht abfallende Zielkurve gehörmäßig nicht unbedingt perfekt ist und nur der erste Schritt beim Einstellen sein kann. Mir persönlich fehlt es dabei meist im oberen Bassbereich.
Geht mir genauso.
Welche Zielkurve bzw. einfacher gefragt, welche Anpassungen im Frequenzverlauf werden bei den Forumsteilnehmer als gehörmäßig optimal empfunden, wenn man einmal individuelle Raumanpassungen außen vor lässt.
Ich fühle mich da als Forumsteilnehmer, TacT und Lyngdorfuser (Acourate auf dem Rechner, aber noch nicht konkret eingesetzt) mal angesprochen und stelle mal meine Zielkurve (nicht Acourate!) vor:
5. Bereich oberhalb 10kHz. Da mein Messmikrofon wie üblich ein Freifeldmikrofon mit Kugelcharakteristik (definiert bei 1000Hz, darüber tendenziell zunehmend leichte Eiform) keinen Diffusfeldaufsatz hat, ist mit einem starken Abfall oberhalb 10kHz zu rechnen. Um keine Fehler zusätzlich zu überlagern, folgt meine Zielkurve der Messung in diesem Bereich, womit die Korrektur praktisch deaktiviert wird.
4. Unterhalb 10kHz bis etwa 800Hz sind beide Kanäle trotz verschiedener Standorte zweier Lautsprecher mit leichten Exemplarstreuungen nahezu gleich, was mich zu der Frage bringt, ob wir eigentlich wissen, was wir da messen. Bedingt durch Wandreflexionen und Möbel (Diffuser) fällt der Schallpegel leicht ab, ca 3 dB auf 150Hz bezogen bei mir. Die Zielkurve folgt der Messung so genau wie möglich.
3. Zwischen 150 und 800Hz weichen beide Kanäle durch unterschiedliche Seitenwandreflexionen voneinander ab, da man die Auslöschungen (Dips) nicht korrigieren kann, versuche ich sie mit Raumakustikmassnahmen zu minimieren, ansonsten gestalte ich die Zielkurve so, dass sie einen Kompromiss zwischen glatt und den Dips darstellt. Die gemeinsame Zielkurve hat einen schönen Einfluss auf die Lokalisierbarkeit des Sängers, kanalgetrennte Zielkurven sind nicht mein Ding.
2. Unter 150Hz geht es wegen der Raummoden auf beiden Kanälen ähnlich auf und ab, da wird geglättet und gekappt. Der Allisondip (auch 1/4-Wellenlängenauslöschung genannt) ist bei einem Vollbereichslautsprecher nur zu vermeiden oder in den uninteressanten Bereich zu verschieben, wenn man fast 3m in den Raum hineinstellt, oder ein 2.2 System mit wandnah aufgestellen Subwoofern aufbaut. Ansonsten muß man hier auch die Zielkurve dem Dip nachfolgen lassen, um eine Überkorrektur zu vermeiden. Schließlich führt mehr Pegel nur zur Überlastung, denn mehr Pegel wird durch Wandreflexion ebenso ausgelöscht und ist keine Lösung des Problems. Ich denke, Acourate kappt alles, was bei der Korrektur zu stark anhebt.
1. Unterhalb der Raumresonanz hört man keine Töne, sondern empfindet sie nur, deshalb schneide ich hier ab, dem natürlichen Verlauf des Lautsprechers folgend, nachdem die Resonanzstelle gestutzt wurde.
Natürlich hat jeder sein eigenes Hörempfinden und auch eigene Vorlieben, dennoch gibt es bestimmt Gemeinsamkeiten, die ich gerne herausfinden möchte.
Ich persönlich habe bei zu fetten Tiefbässen keine guten Empfindungen, sie lösen bei mir Übelkeit aus. Die Abwesenheit von Raumresonanzen führt zu einem schlankeren und schnelleren Bass. Sie ist ungewöhnlich und beim Abmischen kann der Tonmeister nicht davon ausgehen, dass eine solche besondere Konstellation beim Hörer vorliegt. Deshalb halte ich es für legitim, die Zielkurve zwischen 50 und 80Hz zwischen 3-5dB anzuheben, um dann zu 150 Hz abzufallen. Diese Anhebung vermittelt zwischen dem Wunsch nach absoluter Neutralität und den wohnraumüblichen Bassanhebungen durch Resonanzen, nur mit dem Unterschied, dass jetzt Gleichmässigkeit dominiert.
Ergänzend muss ich hinzufügen, dass TacT ein großes Zeitfenster für die Messung benutzt, Acourate dieses frequenzabhängig verkürzt, um Direktschall und Diffusschall bessser zu kontrollieren. Ich benutze für meine TacT Korrektur Ulis GoodVibration Software, eine frühe Vorstufe zu Acourate, in der eine psychoakustische Auswertung der Messung zu einer hörbaren Verbesserung führt.
Da wir 2 Ohren haben, ist auch die Frage, wieviel Glättung braucht die Messung, bis die eine Mikrofonposition für beide Ohrpositionen angewandt werden darf. Meine Punkte 4 +5 berücksichtigen dies.
Auch schließe ich die Frage an, bei welcher Lautstärke wurde die Aufnahme abgemischt? Manche Aufnahmen klingen lauter besser, andere leiser. Den komprimierten neumodischen Kram möchte ich aus der Diskussion heraushalten, da ist sowieso jegliche Korrektur vergeblich. Ich meine, keiner kann sich den Kurven für gehörrichtige Lautstärke entziehen, die bei kleiner Lautstärke nach Bassanhebung verlangen, die bei größerer Lautstärke zurückgeht.
Die alte Jennifer Warnes The Hunter würde ich lauter hören, die kürzliche Remasterversion geht leiser.
Wenn im Studio laut abgehört wurde, sagt das Empfinden des Tonmeisters zu viel Bass, der Hörer zuhause sagt dann zu leise oder zu wenig Bass. Deshalb ist es denkbar, verschiedene Basskurven für verschiedene Abhörlautstärken (oder Aufnahmen) anzulegen.
Ich kann aber gleich davor warnen, zu glauben, man könne auf der Grundlage der IEC-Kurven (früher Fletcher-Munson) eine Schar von Kurven anlegen, aus denen man dann entsprechend der Lautstärke die richtige wählt, um dasselbe Klangempfinden zu bekommen. Meine Versuche in dieser Richtung sind alle fehlgeschlagen. Musik ist doch etwas anderes als vergleichende Testtöne im Hörlabor.
Schließlich bleibt die Frage, welche Klangfarbe hat der Nachhall im Raum und welche Zielkurve passt dazu am besten? Uli hat mir gemailt, es gibt eine Methode, durch Subtraktion von Gesamt und Direktschall auf den Diffusschall zu kommen. Ich hatte das Thema hier im Forum schon einmal angeschnitten, aber die Resonanz blieb aus.
Es könnte bedeuten, dass die optimale Zielkurve ein individuelles auf den Raum bezogenes Gebilde (unter Berücksichtigung persönlicher Präferenzen) ist und bleibt.
Grüße Hans-Martin