Doctor Gradus ad Parnassum - Gehörtes und Unerhörtes

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
zatopek
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Beitrag von zatopek »

Hallo Holger,

na das war doch schon mal ein lecker Appetitthäppchen, das Lust auf mehr macht. Weiter so !

Die 1962 Aufnahme scheint in dieser Box zu sein:

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Und die frühere Aufnahme könnte die hier sein:

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Aber sicher bin ich mir nicht.

Die Cherkassky-Aufnahme habe ich leider nicht finden können. Wenn ich das Label wüßte, vielleicht ...

Hier noch Trpceski

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und Tokarev

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Die Rezensionen dieser CD in sind sehr aufschlussreich:
http://www.amazon.de/No-1-Nikolai-Tokar ... 438&sr=1-3

Noch eine CD, die ich nicht brauche; das wird meine Gattin freuen :wink:

@Gert: Keine Bange, ich kenne Holger schon etwas länger und hatte das große Privileg, die eine oder andere seiner gediegenen Rezensionen, von denen sich manche Musikzeitschrift - von HiFi-Zeitschriften rede ich jetzt gar nicht - eine Scheibe abschneiden könnte, lesen zu dürfen. Aber er ist halt ein Perfektionist. Um so mehr freue ich mich, dass er sie jetzt auch einem größeren Kreis zugänglich machen möchte.

Viele Grüße,

Bernd
Uwe_1
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Beitrag von Uwe_1 »

Hallo Herr Dr. Kaletha,

Tolles Projekt, die Aufnahmen der 2. Chopin Sonate miteinander zu vergleichen. Gratulation, kann ich nur bewurdern. Bin gespannt auf weitere Berichte.

Ein weiteres Stück, welches sich vortrefflich zum Vergleich der verschiedenen Interpretationen eignet, ist meiner Meinung

Das Wohltemperierte Klavier von Bach

Von diesem Stück existieren eine Vielzahl von Aufnahmen sehr unterschiedlicher Interpretation und auch Qualität:

z.B.

Richter
Gould
Pollini
Gulda
Stadtfeld
Ashkenazy
Barenboim
....

oder auch aus der Jazz Ecke: Keith Jarrett
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Hallo Bernd,

Danke für den "Service" mit den schönen Covers! :D Das sieht dann doch sehr nett aus! Die Horowitz-Aufnahmen sind richtig - von der RCA-Aufnahme gibt es auch noch eine "Raubkopie", die bei Naxos veröffentlicht ist (von der LP überspielt!). Was da über Tokarev geschrieben wird - das ist wirklich irre. Tokarev mit Gilels vergleichen, da hat der Betreffende wohl ein bisschen zu tief ins Schnapsglas geschaut und 5 gerade sein lassen... Gilels Aufnahmen sind sehr "klassisch", das stimmt - aber eben nicht fade und langweilig. Ich werde mir also die Mühe machen, immer mal wieder eine Kurzzusammenfassung zu fabrizieren.

P.S. Sherkassky ist z.zT. tatsächlich nicht zu bekommen, leider!

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Uwe_1 hat geschrieben:Ein weiteres Stück, welches sich vortrefflich zum Vergleich der verschiedenen Interpretationen eignet, ist meiner Meinung

Das Wohltemperierte Klavier von Bach

Von diesem Stück existieren eine Vielzahl von Aufnahmen sehr unterschiedlicher Interpretation und auch Qualität:

z.B.

Richter
Gould
Pollini
Gulda
Stadtfeld
Ashkenazy
Barenboim
....

oder auch aus der Jazz Ecke: Keith Jarrett
Hallo Uwe,

stimmt natürlich! Das WTK ist aber auch ziemlich lang, was die Sache doch nicht unerheblich erschwert, wenn man es genau machen will. Ich schätze übrigens auch sehr die Aufnahme von Edwin Fischer aus den 30igern!

Beste Grüße
Holger
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JoeBroesel
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Beitrag von JoeBroesel »

Hi,
beim Googeln habe ich eine der oben genannten Aufnahmen auf 78er Platte gefunden:

http://www.zvab.com/displayBookDetails. ... 552286&b=1

Grüße
Rainer
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

JoeBroesel hat geschrieben:Hi,
beim Googeln habe ich eine der oben genannten Aufnahmen auf 78er Platte gefunden:

http://www.zvab.com/displayBookDetails. ... 552286&b=1
Hallo Rainer,

das ist die RCA-Aufnahme von Rachmaninow - er war nicht nur ein bedeutender Komponist, sondern auch ein großer Pianist. Die Aufnahme der Chopin-Sonate hat genialische Züge, allerdings dramatisiert er das Presto-Finale, was nicht ganz unproblematisch ist. Seine poetisierende Intepretation des Trauermarsches hat viele Nachahmer gefunden. Entgegen dem Notentext beginnt er die Wiederholung nach dem lyrischen Mittelteil im Forte und läßt das Geschehen im Pianissimo verklingen. Man sieht: Die Pianisten kennen und schätzen Rachmaninows Aufnahme! :D

Beste Grüße
Holger
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Holger,

erst mal grossen Dank für die Vorstellung Deiner interessanten Hörvergleiche hier im Forum, sehr spannend, gerade auch für mich, ein eingefleischter Horowitz-Fan :cheers:
Dr. Holger Kaletha hat geschrieben: Entgegen dem Notentext beginnt er die Wiederholung nach dem lyrischen Mittelteil im Forte und läßt das Geschehen im Pianissimo verklingen.
Zur Analyse der interpretatorischen Eigenheiten der Pianisten wären natürlich Hörbeispiele am besten geeignet, seine Kritik "ohrenfällig" werden zu lassen.....das geht halt in einem Forum leider nicht.

Ich nehme an, Du verwendest zum Vergleich der einzelnen Interpretationen aber den Notentext. Es wäre schön, wenn Du Deine Besprechungen von Zeit zu Zeit mit einem Ausschnitt aus diesem Notentext ergänzen würdest, so könnte man sich wenigsten zum Teil "bildlich" Deine Meinung besser vorstellen und sich überdies beim Nachvollziehen durch eigenes Hören, mit den abgebildeten Stellen des Notentextes besser orientieren.

Gruss
Sigi
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Uwe_1
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Beitrag von Uwe_1 »

Hallo kurzer Hinweis,

die Horowitz Complete Jacket Collection mit 70CD's ist bei Amazon gerade für 100,32€ zu haben. Was ich für günstig halte.
Vor 2 Wochen, als ich zugeschlagen hatte, warns noch 99€ und früher wollten die mal ca 170€ für das Paket haben!

Anmerkung: Für die Gould Jacket Collection mit 80 CD's werden nur noch Phantasiepreise neu 725€ und gebraucht 545€ verlangt!

Auch das Chopin Klavierkonzert 1 u 2 mit Zimerman ist bei amazon gerade für 7,96€ zu haben (ein Superschnäppchen!), hat vor ein paar Wochen noch 18,99€ gekostet.

Bei Amazon lohnt es sich manchmal Aufnahmen, die einem noch fehlen, eine längere Zeit zu beobachten, da die geforderten Preise dann größere Spunge machen...leider manchmal auch nach oben!
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Uwe,
Uwe_1 hat geschrieben:die Horowitz Complete Jacket Collection mit 70CD's ist bei Amazon gerade für 100,32€ zu haben. Was ich für günstig halte.
da schau mal an, ich habe im September noch 170 Euronen bei jpc dafür gezahlt (Amazon wollte damals sogar 200 € :oops: )...aber, die Box war schon bei diesem Preis jeden Euro wert, also Leute zuschlagen....ein MUSS für jeden Horowitz-Fan :cheers:

Gruss
Sigi
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JOE
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Beitrag von JOE »

Siehe meinen ergänzenden Hinweis hierzu!

Gruß
Joe
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Dr. Holger Kaletha
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Chopin op. 35 Histor. Interpr.vergleich: Kurzbewertung

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Ich muss zugeben, dass es mir widerstrebt, wie bei Kritikern beliebt für musikalische Interpretationen so etwas wie Schulnoten zu verteilen. Dahinter steckt nicht nur der hilflose Versuch, Qualitatives zu quantifizieren. Das Erteilen von Noten verschleiert zudem die hochkomplexe Wertung mit an sich heterogenen, unvergleichlichen Kriterien, die in ein solches Urteil eingehen. Letztlich sind Wertungen aber doch irgendwie unerlässlich, um eine gewisse Orientierung zu geben. Die folgende Werteskala spiegelt unvermeidlich die Zweideutigkeit, dass einmal die Qualität Grundlage der Bewertung ist, aber auch die Bedeutung einer Interpretation im absoluten wie interpretationsgeschichtlichen Sinne. So darf man keineswegs annehmen, dass eine Aufnahme, die 4 Sterne erhält, grundsätzlich irgendwie „schlechter“ sein müsse als eine andere mit 5 oder 6 Sternen. Der Unterschied liegt hier im wesentlichen in der Bedeutung eines Vorbildes für die heutige Zeit im Sinne von Maßstäben, die wir infolge der fortgeschrittenen Interpretationsgeschichte erheben und welche die betreffende Aufnahme exemplarisch und wegweisend verkörpert sowie meiner persönlichen Wertschätzung, die ich hier natürlich nicht in jedem einzelnen Fall begründen kann. Immerhin habe ich 9 persönliche Referenzen und 9 maßstabsetzende Aufnahmen ausgewählt :D , was zeigt, dass ich durchaus nicht irgendwie dogmatisch festgelegt bin auf eine bestimmte Weltsicht in Sachen Chopin-Interpretation. Auch heißt das natürlich nicht, dass ich auf die anderen herausragenden Aufnahmen verzichten wollte oder könnte! Nein, als leidenschaftlicher Liebhaber des Klavierspiels bin ich regelrecht „süchtig“ nach ihnen allen! :lol: Es ist doch beglückend, dass es so viele musikalische Edelsteine zu entdecken gibt! Beispiel für das gewisse Wertungsdilemma: Cortots 4 Sterne. Man kann diesen Stil nicht nachahmen – insofern bleiben seine Aufnahmen historisch – was aber keineswegs bedeutet, dass sich nicht jeder ernsthafte Musiker mit ihm auseinandersetzen und auch der Musikliebhaber an dieser ungemein tiefschürfenden, existenzialistischen Deutung einfach vorbeigehen sollte. Drei der historischen Aufnahmen entziehen sich schlicht der Bewertung durch Noten – jeder Vergleich wäre hier unpassend. Auch die Aufnahmen auf historischen Instrumenten (Olejniczak, Stern) entziehen sich in vielerlei Hinsicht dem Vergleich mit dem, was ein moderner Konzertflügel erlaubt, nutzen aber die Möglichkeiten des Instruments exemplarisch mit einer zudem hervorragenden Interpretation, weswegen ich sie in die 5 Sterne-Kategorie eingeordnet habe.

Bewertungskriterien:

6 Sterne: Meine persönlichen Referenzen
5 Sterne: Bis heute maßstabsetzende Aufnahmen mit Vorbildcharakter
4 Sterne: Herausragende Interpretationen bleibender Gültigkeit
3-4 Sterne: Sehr gut
3 Sterne: Gut
2-3 Sterne: Akzeptabel – mit mehr oder weniger deutlichen Schwächen
2 Sterne: Mäßig
1 Stern: Sehr mäßig

Die Einteilung habe ich inzwischen geändert – die Rubrik Frauen als Interpreten eliminiert.

I. Historische Aufnahmen I: Hofmann, Paderewski, Friedman, de Greef, Grainger
II. Historische Aufnahmen II: Godowsky, Rachmaninow, Brailowsky, Cortot (3)
III. Die Deutschen: Kempff und Backhaus
IV. Poeten und Virtuosen I: Horowitz (2), Cziffra (3), Sherkassky
V. Artur Rubinstein (4)
VI. Arturo Benedetti Michelangeli (ABM) (7) (mit der Filmaufnahme der RAI)
VII. Emil Gilels (6)
VIII. Die polnische Schule: Askenase, Harasiewitz, Olejniczak (2)
IX. Chopin modern: Weissenberg (2), Argerich, Anda
X. Die neue Sachlichkeit: Barenboim, Vasary, Pollini (3), Ashkenazy
XI. Chopin angelsächsisch: Katchen, Kapell, Perahia, Katin, Shelley, Ohlsson, Fialkowska
XII. Bulva, Moravec, Andsnes, Stern
XIII. Poeten und Virtuosen II: Janis, Freire, Hamelin
XIV. Exzentriker und Individualisten: Francois, Pogorelich (2), Katsaris
XV. Die russische Schule: Neuhaus, Flier, Ginsburg, Berman, Gawrilow, Sokolov, Pletnev, Kissin, Kern
XVI. Die französische Schule: Nat, Perlemuter, Ousset, Biret, El Bacha, Grimaux
XVII. Die Youngstars: Lazić, Tokarev, Trpceski, Y. Wang


Aufschlüsselung nach Wertung (eingegangen sind 84 Aufnahmen):

6 Sterne (9 mal), 5 Sterne (9 mal), 4 Sterne (10 mal), 3-4 Sterne (8 mal), 3 Sterne (6 mal), 2-3 Sterne (9 mal), 2 Sterne (11 mal), 1 Stern (2 mal)

Wie man sieht – die vielen Sterne haben das Übergewicht! Die Wertung fällt insgesamt sehr positiv aus. Auf Anfrage – wenn Interesse besteht – stelle ich eine Kurzbewertung des betreffenden Interpreten ein.


6 Sterne: Meine persönlichen Referenzen

Horowitz (CBS 1962), Cziffra (EMI 1977), Rubinstein, Benedetti Michelangeli, Gilels, Anda, Pogorelich (Warschau 1980), Flier, Berman


5 Sterne: Bis heute maßstabsetzende Aufnahmen mit Vorbildcharakter

Weissenberg, Argerich, Pollini, Katchen, Perahia, Perlemuter, Kern

Auf historischem Instrument mustergültig interpretiert: Olejniczak, Stern


4 Sterne: Herausragende Interpretationen bleibender Gültigkeit

De Greef, Grainger, Rachmaninow, Brailowsky, Cortot, Horowitz (RCA 1950), Cziffra (1963), Sherkassky, Askenase, Francois


3-4 Sterne: Sehr gut

Godowsky, Kempff, Backhaus, Pollini (DGG 2007), Janis, Pogorelich (DGG 1981), Neuhaus, Kissin


3 Sterne: Gut

Barenboim, Fialkowska, Moravec, Hamelin, Biret, El Bacha


2-3 Sterne: Akzeptabel – mit mehr oder weniger deutlichen Schwächen

Harasiewicz, Vasary, Ashkenazy, Ohlsson, Freire, Katsaris, Ginsburg, Ousset, Wang


2 Sterne: Mäßig

Kapell, Shelley, Andsnes, Gawrilow, Sokolov, Pletnev, Nat, Grimaux, Lazić, Tokarev, Trpceski


1 Stern: Sehr mäßig

Katin, Bulva

Ohne Wertung: Hofmann (Rollenaufnahme), Paderewski (nur Trauermarsch), Friedman (nur Trauermarsch u. Presto-Finale)

Beste Grüße
Holger
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zatopek
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Beitrag von zatopek »

Hallo Holger,

ich kann mir vorstellen, dass es gar nicht so einfach ist, die einzelnen Aufnahmen in einem solchen Punkteschema zu erfassen. Das ist eine undankbare Aufgabe. Zumal sich möglicherweise die Einteilungen ja auch noch ändern können. Wenn ich mich recht entsinne, hattest du Samson Francois anfänglich ja gar nicht leiden können ?

Immerhin freue ich mich, dass es Marc-André Hamelin, dessen Aufnahme der Sonaten ich persönlich ja sehr schätze, bis auf drei Sterne geschafft hat. Du hattest ihn ja ziemlich harsch kritisiert :wink:

Viele Grüße,

Bernd
Dr. Holger Kaletha
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Chopin op. 35 Rubriken XIII u. XIV Kurzkritiken

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

zatopek hat geschrieben:ich kann mir vorstellen, dass es gar nicht so einfach ist, die einzelnen Aufnahmen in einem solchen Punkteschema zu erfassen. Das ist eine undankbare Aufgabe. Zumal sich möglicherweise die Einteilungen ja auch noch ändern können. Wenn ich mich recht entsinne, hattest du Samson Francois anfänglich ja gar nicht leiden können ?

Immerhin freue ich mich, dass es Marc-André Hamelin, dessen Aufnahme der Sonaten ich persönlich ja sehr schätze, bis auf drei Sterne geschafft hat. Du hattest ihn ja ziemlich harsch kritisiert :wink:
Hallo Bernd,

die zwei gegensätzlichen Kritiken zu Samson Francois hatte ich hier schon einmal eingestellt - dazu gibt es einen eigenen Tread. Wenn man so einen Vergleich macht, dann rückt das auch die Maßstäbe zurecht. Hamelin ist in wahrlich guter Gesellschaft - neben Barenboim und Ivan Moravec - und solche Berühmtheiten wie Harasiewicz und Ashkenazy rangieren sogar noch darunter. Solche Bewertungen sind kompliziert. Die beiden ersten Sätze von Nelson Freire z.B. - besonders das Scherzo - gefallen mir besser als bei Hamelin. Nur ist Freires Trauermarsch - eine völlig mißlungene Rachmaninow-Kopie - dermaßen geschmacklos, daß er letztlich nur 2-3 Sterne bekommen hat. Hamelins Aufnahme ist da homogener, hat solche eklatanten "Ausfälle" nicht - allerdings ist Byron Janis z.B. einfach besser, so daß nicht mehr als 3 Sterne drin sind.

Hier die beiden Rubriken mit Kurzkritik:

XIII. Poeten und Virtuosen II: Janis, Freire, Hamelin

Byron Janis (Aufn. Sept. 1956): Ein jugendlich-kraftvoller, manchmal etwas zu massig-massiver Chopin des 27jährigen Janis ohne Exaltiertheiten, klug durchdacht, überlegen virtuos, aber immer ehrlich und ohne jede Selbstgefälligkeit – an die intellektuelle und lyrische Qualität der Aufnahme von Julius Katchen reicht diese Vorstellung allerdings nicht heran. Wertung: 3-4 Sterne

Nelson Freire (Aufn. Decca 2005): Die beiden ersten Sätze durchaus ansprechend gestaltet, der geschmacklose Trauermarsch und das Presto-Finale fallen dann deutlich ab. Wertung: 2-3 Sterne

Marc-André Hamelin (Aufn. Hyperion 2008): Auch Hamelins Virtuosentum ist durch das Fegefeuer der neuen Sachlichkeit gegangen. Sein Chopin bleibt immer wohltuend flüssig. Insgesamt zeigt die Interpretation wenig eigenes Profil, bleibt in der gesicherten Fahrspur des interpretatorischen Mittelweges. Der Trauermarsch blass. Erstaunlich klaviertechnisch schwach für einen Virtuosen solchen Kalibers: das Presto-Finale! Deutscher Schallplattenpreis! Wertung: 3 Sterne


XIV. Exzentriker und Individualisten: Francois, Pogorelich (2), Katsaris

Samson Francois (Aufn. EMI 1964): Rücksichtslos rhetorische Darstellung, die polarisiert. Willkür oder Geniestreich? Hochexpressiv und faszinierend – in ihrer Art exemplarisch. Wertung: 4 Sterne

Ivo Pogorelich (2) (Aufn. Warschau (Chopin-Wettbewerb) 1980, DGG 1981): Wenn es einen Konzertmitschnitt gibt, der einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein sollte, dann ist es der Mitschnitt von Ivo Pogorelichs Vortrag der b-moll-Sonate vom Warschauer Chopin-Wettbewerb 1980. Er offenbart zwei unumstößliche Fakten: Die Nichtzulassung des jungen Exzentrikers zur Finalrunde war wahrlich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und die nur ein Jahr spätere Studioaufnahme sollte man besser löschen und durch dieses wahrlich unglaubliche Dokument ersetzen. Man erlebt hier Pogorelich spontan, impulsiv, risikofreudig. Erstaunlich für eine Wettbewerbssituation, dass er auch falsche Töne nicht scheut. Da ist noch nichts von diesem abgeklärten Manierismus, den man von ihm kennt. Wertung: 6 Sterne (Referenz) (Warschau 1980), 3-4 Sterne (DGG 1981)

Cyprien Katsaris (Aufn. Teldec 1991): Manieristische Interpretation, die versucht, sich „interessant“ zu machen auf pianistisch sehr hohem Niveau. Manches ist zweifellos gelungen. Mätzchen wie wenig einleuchtende Betonungen und Oktavierungen, wie bei Nelson Freire ein geschmackloser und zudem völlig ausdrucksloser Trauermarsch. Wertung: 2-3 Sterne

:cheers: heute mit Glühwein!

Beste Grüße
Holger
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zatopek
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Beitrag von zatopek »

Dr. Holger Kaletha hat geschrieben: Ivo Pogorelich (2) (Aufn. Warschau (Chopin-Wettbewerb) 1980, DGG 1981): Wenn es einen Konzertmitschnitt gibt, der einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein sollte, dann ist es der Mitschnitt von Ivo Pogorelichs Vortrag der b-moll-Sonate vom Warschauer Chopin-Wettbewerb 1980. Er offenbart zwei unumstößliche Fakten: Die Nichtzulassung des jungen Exzentrikers zur Finalrunde war wahrlich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und die nur ein Jahr spätere Studioaufnahme sollte man besser löschen und durch dieses wahrlich unglaubliche Dokument ersetzen. Man erlebt hier Pogorelich spontan, impulsiv, risikofreudig. Erstaunlich für eine Wettbewerbssituation, dass er auch falsche Töne nicht scheut. Da ist noch nichts von diesem abgeklärten Manierismus, den man von ihm kennt. Wertung: 6 Sterne (Referenz) (Warschau 1980), 3-4 Sterne (DGG 1981)
Es gibt bei Youtube einige Schnipsel seines Auftritts:

Das Scherzo No.3 Op.39:

http://www.youtube.com/watch?v=QxVINbcSSV0

und den ersten Satz der b-moll Sonate:

http://www.youtube.com/watch?v=QxVINbcSSV0

sowie das Finale

http://www.youtube.com/watch?v=EDU7lYJl ... re=related

Eine Etude op.10.No.10:

http://www.youtube.com/watch?v=QxVINbcSSV0

Sowie die Ballade op.38 No.2

http://www.youtube.com/watch?v=wTpeMgEs ... re=related

Ich bin beeindruckt !

Er hätte aber vielleicht doch vorher noch einen Friseur aufsuchen sollen, dann wäre er auch in´s Finale gekommen ... :lol:

Viele Grüße,

Bernd
Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

zatopek hat geschrieben:Ich bin beeindruckt !

Er hätte aber vielleicht doch vorher noch einen Friseur aufsuchen sollen, dann wäre er auch in´s Finale gekommen ... :lol:
Hallo Bernd,

Danke für die Links! Einige kenne ich - die anderen werde ich mir noch mal mit Genuß anschauen. :D Er ist schon ein seltsamer Vogel - Hauptsache auffallen und "anders" sein. Erst als Lotterkind, später dann im superteuren Dandy-Outfit. Einen Spleen hat der Typ - aber ist eben genial. Allerdings diese hochgekünstelte Art von heute ist nicht unbedingt meine Sache - das war damals noch anders, wie man sieht.

Beste Grüße
Holger
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