Schostakowitsch Violinkonzert Nr. 1 - eine Symphonie mit obligater Geige
Verfasst: 28.09.2023, 19:38
Guten Abend, Klassikfreunde
Eine Symphonie mit obligater Geige – so nannte der Komponist selbst sein Werk, dass jahrelang auf seine Uraufführung warten musste. Erst als Stalin verstarb, wurde es 1955 vom Widmungsträger David Oistrach unter Mrawinsky mit den Leningrad Philharmonikern der Welt vorgestellt.
Eine Kraftanstrengung für jeden Geiger! Bei einer Spieldauer von knapp 40 Minuten ist der Solist fast pausenlos beschäftigt. Daniel Hope erzählte mal dazu folgende Anekdote: „…Und Oistrach, der ein kräftiger Mann war, sagte zu Schostakowitsch: Dimitrij Dimitrijewitsch, bitte, ich brauche mindestens ein paar Sekunden Pause. Kannst Du nicht irgendwie dieses Tutti ohne mich machen? Schostakowitsch hat es dann umgeschrieben für ihn, damit er Zeit hatte, einmal Luft zu holen, und selbst das auch nur für ein paar Sekunden. Wenn sogar Oistrach, der wirklich alles konnte, nach einer Pause verlangte, dann zeigt es, was dieses Stück einem abverlangt."
Dieses wunderbare Konzert höre ich erst seit wenigen Jahren intensiver. Wobei es mir vor allem der 3. Satz angetan hat: diese herrliche Passacaglia, traurig und himmlisch zugleich – gefolgt von einer unglaublichen, sich steigernden Kadenz, die „ewig“ andauert.
Ich habe mich durch diverse Interpretationen gehört, wobei ich mich im ersten Schritt auf neuere Aufnahmen fokussiert habe. Alben aus der Anfangszeit des Konzerts werde ich emnächst noch ergänzen.
Leider haben mich nur wenige Alben wirklich beeindruckt (was an mir liegen kann ). Aber weder die Aufnahmen von Vengerov mit Rostropovich, Daniel Hope mit Maxim Schostakowitsch (dem Sohn des Komponisten) noch Frank Peter Zimmermann mit Alan Gilbert oder Christian Tetzlaff mit John Storgards (letztere trotz sehr schönem Solo-Orchesterzusammenspiel) haben mich tiefer berührt. Hilary Hahn mit dem Oslo PO spielt da schon ein wenig überzeugender.
Spannend empfinde ich dagegen diese 3 Interpretationen:
1989: Viktoria Mullova unter André Previn mit den Royal PO. Diese Aufnahme wird oft als Referenzaufnahme angegeben und in der Tat zählt sie auch heute noch zu den Topaufnahmen. Allerdings wurde im gleichen Jahr ein anderes Album aufgenommen, das mir noch ein wenig besser gefällt:
1989: Lydia Mordkovitch unter Neeme Järvi mit dem Scottish Chamber Orchestra. Sie war eine Schülerin von David Oistrach. Mordkovitch spielt mit einer melancholischen Schönheit, die zu Herzen geht. Den Soloteil interpretiert sie langsam, traumhaft, nachdenklich und ausdrucksstark. Ihre Farbvielfalt und Tonreichtum werden in der Aufnahme sehr schön wiedergegeben.
2006: Sergey Khachatryans Geigenton (unter Kurt Masur mit dem Orchestre National de France) klingt ähnlich „engelsgleich“ wie bei Mordkovitsch, aber statt körperhaft eher luftig, federleicht schwebend wie nicht von dieser Welt. Ein Musikkritiker hat dies irgendwann mal mit „hypnotisierend“ bezeichnet – wahrhaftig ein Bild, das ich nachempfinden kann! Masurs Dirigat lässt allerdings den Wunsch nach einer noch besseren Unterstützung des Solisten aufkommen.
2016: Nicola Benedetti unter Karabits mit dem Bournemouth SO. Die Geigerin wurde bereits hier schon einmal besprochen.
Benedetti spielt das Werk zwar nicht geglättet, aber doch weniger „kämpferisch“, weniger stürmisch, weniger dunkel, weniger wild – dafür eher einheitlich, milder. Und das hat auch etwas Einnehmendes!
Viel Spaß beim Hören dieses wunderbaren Violinkonzerts.
Beste Grüße
Jörg
Eine Symphonie mit obligater Geige – so nannte der Komponist selbst sein Werk, dass jahrelang auf seine Uraufführung warten musste. Erst als Stalin verstarb, wurde es 1955 vom Widmungsträger David Oistrach unter Mrawinsky mit den Leningrad Philharmonikern der Welt vorgestellt.
Eine Kraftanstrengung für jeden Geiger! Bei einer Spieldauer von knapp 40 Minuten ist der Solist fast pausenlos beschäftigt. Daniel Hope erzählte mal dazu folgende Anekdote: „…Und Oistrach, der ein kräftiger Mann war, sagte zu Schostakowitsch: Dimitrij Dimitrijewitsch, bitte, ich brauche mindestens ein paar Sekunden Pause. Kannst Du nicht irgendwie dieses Tutti ohne mich machen? Schostakowitsch hat es dann umgeschrieben für ihn, damit er Zeit hatte, einmal Luft zu holen, und selbst das auch nur für ein paar Sekunden. Wenn sogar Oistrach, der wirklich alles konnte, nach einer Pause verlangte, dann zeigt es, was dieses Stück einem abverlangt."
Dieses wunderbare Konzert höre ich erst seit wenigen Jahren intensiver. Wobei es mir vor allem der 3. Satz angetan hat: diese herrliche Passacaglia, traurig und himmlisch zugleich – gefolgt von einer unglaublichen, sich steigernden Kadenz, die „ewig“ andauert.
Ich habe mich durch diverse Interpretationen gehört, wobei ich mich im ersten Schritt auf neuere Aufnahmen fokussiert habe. Alben aus der Anfangszeit des Konzerts werde ich emnächst noch ergänzen.
Leider haben mich nur wenige Alben wirklich beeindruckt (was an mir liegen kann ). Aber weder die Aufnahmen von Vengerov mit Rostropovich, Daniel Hope mit Maxim Schostakowitsch (dem Sohn des Komponisten) noch Frank Peter Zimmermann mit Alan Gilbert oder Christian Tetzlaff mit John Storgards (letztere trotz sehr schönem Solo-Orchesterzusammenspiel) haben mich tiefer berührt. Hilary Hahn mit dem Oslo PO spielt da schon ein wenig überzeugender.
Spannend empfinde ich dagegen diese 3 Interpretationen:
1989: Viktoria Mullova unter André Previn mit den Royal PO. Diese Aufnahme wird oft als Referenzaufnahme angegeben und in der Tat zählt sie auch heute noch zu den Topaufnahmen. Allerdings wurde im gleichen Jahr ein anderes Album aufgenommen, das mir noch ein wenig besser gefällt:
1989: Lydia Mordkovitch unter Neeme Järvi mit dem Scottish Chamber Orchestra. Sie war eine Schülerin von David Oistrach. Mordkovitch spielt mit einer melancholischen Schönheit, die zu Herzen geht. Den Soloteil interpretiert sie langsam, traumhaft, nachdenklich und ausdrucksstark. Ihre Farbvielfalt und Tonreichtum werden in der Aufnahme sehr schön wiedergegeben.
2006: Sergey Khachatryans Geigenton (unter Kurt Masur mit dem Orchestre National de France) klingt ähnlich „engelsgleich“ wie bei Mordkovitsch, aber statt körperhaft eher luftig, federleicht schwebend wie nicht von dieser Welt. Ein Musikkritiker hat dies irgendwann mal mit „hypnotisierend“ bezeichnet – wahrhaftig ein Bild, das ich nachempfinden kann! Masurs Dirigat lässt allerdings den Wunsch nach einer noch besseren Unterstützung des Solisten aufkommen.
2016: Nicola Benedetti unter Karabits mit dem Bournemouth SO. Die Geigerin wurde bereits hier schon einmal besprochen.
Benedetti spielt das Werk zwar nicht geglättet, aber doch weniger „kämpferisch“, weniger stürmisch, weniger dunkel, weniger wild – dafür eher einheitlich, milder. Und das hat auch etwas Einnehmendes!
Viel Spaß beim Hören dieses wunderbaren Violinkonzerts.
Beste Grüße
Jörg