Hallo Stephan,
SolidCore hat geschrieben: ↑28.01.2023, 20:45
Hmmm, BNC Buchse... an der Buchse selbst kann es ja nicht liegen, wenn du einen Adapter verwendest. Scheint also vom Layout innen besser verschaltet zu sein.
das hatte ich eigentlich gedacht, mit dem Satz
Fortepianus hat geschrieben: ↑28.01.2023, 17:49
...interessant ist, dass der BNC-Ausgang deutlich mehr Spannung hat und damit die Flanken die Erkennungsschwelle des Empfängers erheblich steiler durchlaufen.
zu erklären. Das war aber offensichtlich wenig verständlich und zu verkürzt ausgedrückt. Deshalb jetzt zum Sonntag der Versuch, endlich das umzusetzen, worum mich Hans-Martin schon hin und wieder gebeten hat:
Hans-Martin hat geschrieben: ↑06.10.2021, 23:57
Hallo Gert,
es ist ein Jammer, dass im Laufe der Jahr(zehnt)e Bildhoster einfach Dateien löschen, auf die wir hier mit angewiesen sind. Dein damaliger Beitrag zum Zusammenhang Oszillator-Versorgungsspannungsschwankung - Jitter (inzwischen verlorengegangene Handskizze) fällt mir hierzu ein, er mag den langjährigen Mitforenten noch im Gedächtnis geblieben sein, aber später eingestiegenen könnte die
elementare Bedeutung nicht klar sein. Magst du dazu noch einmal Stellung nehmen, weshalb die akribische Optimierung der Betriebsspannung speziell bei der Versorgung eines Quarzoszillators ein so zentrales Thema ist?
Was für die Betriebsspannung eines Oszillators gilt, lässt sich hier genauso anwenden. Ich zeichne mal in Blau eine idealisierte Flanke eines Digitalsignals hin:
Einheiten sind erstmal egal, Hauptsache immer gleich bei der folgenden Betrachtung.
Die Anstiegszeit eines Signals ist definiert als die Zeit, die es braucht, bis das Signal 10 bis 90% der Signalamplitude durchlaufen hat. Die Amplitude ist dabei sozusagen der Spannungshub. Ein Bild sagt mehr:
Wir Etechniker bezeichnen Spannungen mit U, und wenn man die Amplitude meint, malt man so ein Dach obendrauf. Und das griechische große Delta vor der Zeit t bezeichnet die Differenz zweier Zeiten, also die Dauer zwischen zwei Zeitpunkten.
Jetzt nehmen wir eine Spannung mit doppelt so großer Amplitude. Zur Unterscheidung von der blauen Flanke in Rot:
Wieder habe ich die Amplitude und die Anstiegszeit eingezeichnet. Legen wir das einfach mal übereinander:
Man sieht, dass die Anstiegszeit die gleiche geblieben ist, obwohl sich die Amplitude geändert hat. Zusätzlich in Gelb habe ich noch die Erkennungsschwellen eines Digitalbausteins eingezeichnet, der das Signal auswertet, z. B. im DAC. Die Schwelle, wenn aus einer 0 eine 1 wird, liegt ein bisschen höher als die Schwelle, wenn aus der 1 wieder eine 0 wird, diesen Effekt nennt man Hystere. Da wir hier eine positive Flanke haben, geht's um die obere Schwelle. Idealerweise ist die immer gleich, egal, welche Amplitude das ankommende Digitalsignal hat. Und Ihr seht schon, dass das Signal mit der höheren Amplitude, das rote, die Schwelle zu einem anderen Zeitpunkt durchläuft als die blaue mit der niedrigeren. Ändert sich also die Höhe des Signals, ändert sich damit auch der Zeitpunkt, wann die 1 erkannt wird:
Nun wird die Höhe der Amplitude in so einem Digitalchip direkt von der Höhe der Spannung vorgegeben, die ihn versorgt. Bei der 0 wird der Ausgang auf Masse gelegt, bei der 1 auf die positive Versorgungsspannung. Wackelt die, wackelt der Zeitpunkt der 1 im Empfänger.
Betrachten wir jetzt einen ideal steilen Digitalspannungsverlauf, den es natürlich in der Realität nicht gibt:
Je steiler, desto kleiner der amplitudenabhängige Jitter. Im Idealfall hier wird er Null.
Nach diesem kleinen Theorieausflug erklärt sich vielleicht mein oben zitierter Satz besser:
Fortepianus hat geschrieben: ↑28.01.2023, 17:49
...interessant ist, dass der BNC-Ausgang deutlich mehr Spannung hat und damit die Flanken die Erkennungsschwelle des Empfängers erheblich steiler durchlaufen.
Der BNC-Ausgang des Lumin hat mehr Amplitude, also jittert der Erkennungszeitpunkt im DAC weniger. Ok, warum arbeiten wir dann nicht mit 10000V anstelle der zarten 500mV bei S/PDIF
? Naja, den Eingangsbaustein darf man nicht an die Aussteuergrenze fahren, sonst gibt es wieder andere Effekte, die noch schlimmer sind. Aber innerhalb der dort erlaubten Grenzen hat ein doppelt so großes Signal bei gleicher Flankensteilheit nur den halben Jitter, zumindest, was den durch Amplitudenfehler bedingten betrifft. Die Alternative zur Amplitudenerhöhung ist, steilere Flanken zu schicken, und jetzt wisst Ihr, warum ich ein Fan davon bin.
Schauen wir uns doch mal die Ausgangssignale des Lumin an. Cinchausgang:
BNC-AUsgang:
Exakt gleiche Flankensteilheit, unten im Oszillogramm auf Englisch mit RiseTime und FallTime bezeichnet, bei beiden 5,2ns. Recht zackig übrigens für einen Ausgang mit Übertrager, den es an beiden Ausgängen hat. G-Hub zum Vergleich: 2,7ns. Schaut man aber mal bei Vpp, ist das rund doppelt so groß bei BNC (1,1V vs. 0,55V). Die englischsprachige Welt bezeichnet die Spannung nicht mit U, sondern mit V (wie Voltage), und pp heißt peak to peak, Spitze unten bis Spitze oben, also unser U mit Dach. Wir haben also ziemlich genau die Verhältnisse wie in meinen Zeichnungen oben, blau Cinch, rot BNC.
Schauen wir mal den XLR-Ausgang an:
Ziemlich verbeulte Form, aber steilere Flanken (4ns) und noch deutlich mehr Amplitude (6,4V).
Das heißt aber nicht automatisch, noch besser. Die Level bei AES/EBU sind ganz andere und damit liegen auch die Erkennungsschwellen viel höher. In Summe ist damit dann durch die höhere Amplitude noch nichts gewonnen außer: weniger anfällig für Störungen auf der Leitung, und das ist im Studio bei großen Kabellängen ebenso interessant wie die symmetrische Signalführung, was Störungen unterwegs weiter minimiert. Aber man sieht, dass XLR hier mit einer erstaunlich hohen Flankensteilheit aufwartet.
Aber zurück zu Cinch vs. BNC. Cinch hat einen WM8805 als S/PDIF-Encoder und Ausgangsbaustein. Hinter dem kommt ein Kondensator zur Gleichspannungsbeseitigung, dann ein Spannungsteiler aus zwei Widerständen, der Übertrager und noch ein kleiner Kondensator längs zum Ausgang. Direkt nach dem Baustein sieht das Signal so aus:
Der Baustein wird mit 3,3V versorgt, also sollte die Amplitude 3,3V sein. Das Oszi zeigt 3,8V - bedingt durch die Überschwinger im Signal, geschenkt. Interessant ist die hier vorhandene höhere Flankensteilheit von 3,6ns. Jetzt am BNC-Baustein, einem CS8406:
Das nimmt sich nichts, gleiche Flankensteilheit, gleiche Amplitude. Die Unterschiede sind also lediglich durch die unterschiedlichen Spannungsteiler bedingt, ansonsten ist die Schaltung zum Ausgang genau gleich.
Was sagt uns das? Wenn BNC selbst mit miesem Adapter dazwischen besser klingt als Cinch und der Unterschied lediglich in dem anders dimensionierten Spannungsteiler liegt, dann dimensioniere ich doch den Spannungsteiler für Cinch einfach mal ein bisschen um.
Viele Grüße
Gert