Audiophon hat geschrieben: ↑14.11.2022, 15:52Daher meine Frage, ob es für AES Kabel so etwas wie "DOs und DONTs" gäbe, d.h. sinnvolle oder weniger sinnvolle Konstruktionsmerkmale. Schon beim Leiterdurchmesser scheiden sich hier ja deutlich die (Entwickler)geister.
Hallo Martin,
die Kernzusammenhänge Wellenwiderstand Induktivität/Kapazität in Abhängigkeit vom Isoliermaterial und dessen Dicke hatte ich ja schon dargestellt, nun könnte man weitere Einflussgrößen ins Kalkül ziehen:
Ob ein Schirm vorhanden ist und auch eine Kapazität eines jeweiligen Leiters zum Schirm besteht, womit diese 3 einen anderen Bezug haben als bei einem Kabel ohne Schirm. Hier ist man vom Kabelhersteller abhängig. Bei AES/EBU sind Übertrager vorgeschrieben, womit letzlich kein Signalbezug zum Schirm Seitens der Quelle besteht.
Wellenwiderstand der Steckverbinder, wobei die Male weniger Einfluss als die Kontaktumschließenden Female haben, da an jedem Kabelende jeweils eines von beiden konnektiert ist, bleibt auf den Gegenseiten, speziell beim Digitaleingang, das Problem aus Sicht des Kabelherstellers unwägbar. Ein Ingenieur bei Neutrik (gewählt als führender Anbieter von XLR-Verbindern in größter Vielfalt) war nicht imstande, den Wellenwiderstand zu spezifizieren, auch bei der HF-Version mit den speziellen Ergänzungen nicht.
Hier ist man auch vom Hersteller der zu verbindenden Geräte abhängig.
Am Beispiel des Advance Acoustics CD-Laufwerks (in dem ein DVD-Laufwerk dreht) habe ich erstaunt eine krasse Fehlanpassung des AES/EBU-Ausgangs festgestellt. Man hat nicht nur auf den obligatorischen Übertrager verzichtet, sondern die beiden Kabeltreiber-ICs mit 10 Ohm (Wert nach Gedächtnis) Widerständen auf die Leitung "angepasst". Es sollten 110 Ohm in der Summe sein, also 55 Ohm pro Leiter (Innenwiderstand der ICs plus Anpasswiderstand). Hier spielt noch der Bezug zur Signalmasse eine Rolle.
Was Reflexionen auf der Leitung betrifft, ist ein exakter Abschluss auf der Empängerseite erfolderlich, aber 110 Ohm sind gängiger Normwert bei Widerständen, eine Kleinigkeit, das korrekt zu machen.
Aber an den Steckverbindern gibt es bei Fehlanpassung Reflexionen, die auf der Leitung zurückwandern und sich mit dem Nutzsignal mischen. Das ist auf dem Oszilloskop sichtbar und schlägt auch hörbart durch. Wenn ein Hersteller Kabellängen von 0,50m anbietet, zeugt das m.E. von Inkompetenz. Das ist zu kurz. 0,75 m sollten Mindestlänge sein, bei Teflon würde ich sogar 1m nennen. Das bessere (schnellere) Isoliermaterial verlangt eine längere Leitung, um das Eintreffen der Reflexion von der Anstiegsflanke des Digitalsignals fernzuhalten. Hier ist man nicht nur vom Kabelhersteller abhängig, sollte nicht denken, das kürzere Kabel sei immer besser, auch wenn der niedrigere Preis verlockt.
Jedes Kabel hat unterschiedliche Eigenschaften in beiden Laufrichtungen (Robert Harley hat sie bei stereophile.com mit Erstaunen aus den Messwerten entnommen), bei SPDIF mit BNC oder RCA meist hörbar, bei XLR kann man nicht einfach das Kabel umdrehen, weil Stecker/Kupplung festgelötet sind. Hier ist man vom Kabelhersteller abhängig.
Kabelklangeigenschaften hängen natürlich auch von den verwendeten Materialien ab (Stephan /Solidcore hat das schon mehrfach beschrieben), ob Silber oder Kupfer, Drahtstärke bei Solidcore oder Litzenbündel, Dielektrische Absorption des Isoliermaterials (sehr schwer messtechnisch auf einen zuverlässig wiederkehrenden Zahlenwert zu bestimmen), mechanische Festigkeit als Ausdruck für Mikrofonieempfänglichkeit gegenüber Körper- und Luftschall (reziprok, frequenzabhängig, Kompression =erhöhte Kapazität), und wenn über Pin 1 /Schirm die Geräte verbunden sind und Ausgleichsströme zwischen deren Gehäuse/Netzteile/Signalmassepotential fließen, überlagert das die Nutzsignale durch Kopplung. Die obligatorischen Eingangsübertrager sollten mit ihrer innewohnenden Gleichtaktunterdrückung hier helfen. Aber zwischen dem idealisierten Schaltbildschema und der Realität (Wicklungen werden von innen nach außen Lage über Lage angelegt) bestehen oft Differenzen, was wir beim Ausphasen der Netztrafos immer wieder deutlich erleben.
Ben Duncan hat einen Zusammenhang zwischen HF-Rauschen und Laufrichtung des Kabels festgestellt. Ob nun Kristallstruktur oder die Art und Weise, welches Isoliermaterial wie aufgebracht wurde, die Laufrichtung mit prägt, bleibt dahingestellt, Ray Kimber schrieb mir vor 20 Jahren, er hätte keine Messmethode, er würde sich bei der Laufrichtungsbestimmung auf seine Ohren verlassen. Ein pragmatischer Ansatz, wenig Aufwand, glaubwürdige Ergebnisse, die wiederkehren bei erneuter Prüfung.
Oft gemacht, dabei auch den Mythos widerlegt, dass der erste Anschluss/Gebrauch/Einspielen die Laufrichtung prägen soll.
Bei Herstellern, die die Laufrichtungsproblematik Ernst nehmen, dürfte man sich darauf verlassen können, dass diese bei symmetrischen Leitungen für AES/EBU diese auch korrekt verarbeitet haben.
Ja, ich stimme zu, dass es Kabel gibt, die zufällig für die symmetrische Digitalübertragung geeignet scheinen, zumindest nach Gusto besser als andere. Ich habe solche, die für NF konzipiert wurden, höchstvermutlich von der klassischen Lehre abweichen.
Es fällt mir aber schwer, definitiv zu sagen, an welcher Stelle diese von der etablierten Norm abweichen und welche noch bislang unbeachteten Größen der Anlass für den "besseren" Klang sind. Vovox steht ähnlich davor. Die vielen youtube Videos von selbsternannten Kabel "Debunkern" darf man amüsiert anschauen und abhaken.
Dieser Grund, das Zusammenspiel mit den verbundenen Geräten (deren Schnittstelleneigenschaften) und auch der persönlich geschmackliche Aspekt lassen mich zögern, den Kabeltyp bekanntzugeben, der höchstvermutlich in einer anderen Konstellation nicht so überzeugt.
Grüße
Hans-Martin
P.S.
Inzwischen hat auch Stephan kommentiert, während ich noch am Schreiben war.
Mein Resümee: Alle verfügbaren Kabel zusammentragen, ausleihen, selbst fertigen, mindestens 24h einspielen, gegen das eigene Referenzkabel vergleichen. Das ist zielorientiert, bezieht alle Gegebenheiten mit ein. Die Kabeltheorie beherrschen ja noch nicht mal die Hersteller - wie sollen die Forenten sagen, was gut, besser, richtiger ist - und welche Übertragbarkeit würde das Ergebnis haben?