Mozart – Die Entführung aus dem Serail
Verfasst: 17.03.2021, 20:57
Hallo Opernfreunde
Nachdem ich hier bereits 3 Mozart-Opern intensiv mit verschiedenen Aufnahmen verglichen habe, hatte ich Lust, dies auch bei der „Kinder-Oper“ (wohl jeder durfte wohl während seiner Schulzeit in diese – alternativ auch gerne in „Die Zauberflöte“ – geschleppt worden sein) oder genauer gesagt: dem deutschen Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ auszuprobieren.
Verglichen habe ich folgende 18 Aufnahmen:
Fricsay, 1954 (mono)
Rosbaud, 1954
Beecham, 1956
Szell, 1956
Suitner, 1961
Jochum, 1965
Krips, 1966
Böhm, 1974
Wallberg, 1978
Colin Davis, 1979
Solti, 1984
Harnoncourt, 1985
Weil, 1992
Gardiner, 1993
Christie, 1999
Bolton, 2006 (DVD)
Nézet-Séguin, 2015
Jacobs, 2015
Schon als Kind faszinierte mich in diesem Stück natürlich die Rolle des Osmin, dem finsteren Palast-Aufseher des Paschas. Diese abgrundtiefen Basstöne, diese bildhaften Arien wie „Solche hergelaufenen Laffen“ (ein hartes Stück über Folter und Tod) oder „Ha- wie will ich triumphieren“ (dito), aber auch die lustige Weinszene „Vivat Bacchus!“ wurden schon früh in meinem Gedächtnis fest verankert.
Es gab meiner Meinung nach nur wenige Bässe, die Osmin zu ihrer Paraderolle machen konnten: Kurt Moll und vor allem Gottlob Frick. Letzterer schaffte zwar selten den Triller in der Laffen-Arie, verlieh jedoch dem Haremswächter mit seinem komödiantischen Talent ein bleibendes Portrait. Welche Aufnahme wäre daher mit Frick zu empfehlen? Es gibt im Wesentlichen 3: 1953 mit Schüchter (habe ich nicht gehört), die 1956er mit Beecham (sehr gut) und - mein Favorit (obwohl hier Frick bereits schwächer als unter Beecham singt) – die mit Josef Krips von 1966. Sie ist auch in der spielerischen Darstellung des Stücks und von der Ensembleleistung her – die beeindruckendste Aufnahme. Und wer da alles neben Frick noch mitsingt: Lucia Popp, Nicolai Gedda, Gerhard Unger, Leopold Rudolf und – Anneliese Rothenberger (und das ausgesprochen beeindruckend!).
Welche Alternativen kann ich empfehlen?
Gehen wir wieder über Osmin - wer hat je so beeindruckend das tiefe D gesungen? Und wem gelang ebenfalls so der Spagat zwischen abgrundtiefer Boshaftigkeit und gutmütiger, dahinschmelzender Drolligkeit wie Gottlob Frick? Nun – einen Bass konnte ich in diesem Vergleich für mich neu entdecken: Arnold van Mills Stimme (in der Aufnahme mit Suitner) ist vom Timbre her überwältigend!
Allerdings ist er kein wirklicher Bösewicht, sondern eher ein verkappter Sympathieträger. Einige werfen ihm daher vor, kein „passender“ Osmin zu sein. Rein musikalisch singt er tadellos – kraftvoll und beeindruckend. Ja, er leistet sich manche Unsauberkeit, verschluckt oder verschleift ab und zu Silben. Und dennoch gelingt ihm eine neue Sichtweise auf den Bösewicht. Mich jedenfalls begeistert seine Darbietung. Leider sind seine Kolleginnen nicht ganz auf gleicher Höhe. Dafür dirigiert Otmar Suitner (ein Star zu DDR-Zeiten) wunderbar sauber, prägnant und mit sehr guten Tempowechseln. Immer bleibt die Spannung erhalten – eine sehr plastische, textverständliche Gesamtaufnahme mit hoher Spielfreude.
Zwischen Krips und Suitner würde ich die Aufnahme mit René Jacobs aus 2015 platzieren. Wie immer mit intelligenten Übergängen, tollem Klangbild, viel Theateratmosphäre und hohem Spaßfaktor. Gelungen!
Und wie schneiden die immer wieder genannten Referenzaufnahmen ab? Solti und Jochum halten sich noch ganz wacker, Davis und Böhm fallen dagegen schon ordentlich ins Hintertreffen. Und auf dem genannten guten Niveau spielen auch Beecham und Weil, in Teilen (Osmin und Dirigent) auch Nézet-Séguin.
Eine Nachbemerkung: ich habe wieder mal feststellen können, wie wertvoll inzwischen Streamingdienste wie Qobuz für mich sind. Obwohl ich einige Gesamtaufnahmen der Entführung besitze, gehört leider (noch) keine der obigen 3 Empfehlungen dazu
Noch eine kleine Anmerkung: ich habe diesen Artikel noch veröffentlicht, da ich ihn bereits zum großen Teil fertig geschrieben hatte. Ich verspüre gerade keine Lust mehr, mir diese Arbeit zukünftig noch zu machen, wenn diesem Forum zum Jahresende tatsächlich das „Aus“ bevorstünde. Für den Orkus zu schreiben macht einfach keinen Spaß.
Viele Grüße
Jörg
Nachdem ich hier bereits 3 Mozart-Opern intensiv mit verschiedenen Aufnahmen verglichen habe, hatte ich Lust, dies auch bei der „Kinder-Oper“ (wohl jeder durfte wohl während seiner Schulzeit in diese – alternativ auch gerne in „Die Zauberflöte“ – geschleppt worden sein) oder genauer gesagt: dem deutschen Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ auszuprobieren.
Verglichen habe ich folgende 18 Aufnahmen:
Fricsay, 1954 (mono)
Rosbaud, 1954
Beecham, 1956
Szell, 1956
Suitner, 1961
Jochum, 1965
Krips, 1966
Böhm, 1974
Wallberg, 1978
Colin Davis, 1979
Solti, 1984
Harnoncourt, 1985
Weil, 1992
Gardiner, 1993
Christie, 1999
Bolton, 2006 (DVD)
Nézet-Séguin, 2015
Jacobs, 2015
Schon als Kind faszinierte mich in diesem Stück natürlich die Rolle des Osmin, dem finsteren Palast-Aufseher des Paschas. Diese abgrundtiefen Basstöne, diese bildhaften Arien wie „Solche hergelaufenen Laffen“ (ein hartes Stück über Folter und Tod) oder „Ha- wie will ich triumphieren“ (dito), aber auch die lustige Weinszene „Vivat Bacchus!“ wurden schon früh in meinem Gedächtnis fest verankert.
Es gab meiner Meinung nach nur wenige Bässe, die Osmin zu ihrer Paraderolle machen konnten: Kurt Moll und vor allem Gottlob Frick. Letzterer schaffte zwar selten den Triller in der Laffen-Arie, verlieh jedoch dem Haremswächter mit seinem komödiantischen Talent ein bleibendes Portrait. Welche Aufnahme wäre daher mit Frick zu empfehlen? Es gibt im Wesentlichen 3: 1953 mit Schüchter (habe ich nicht gehört), die 1956er mit Beecham (sehr gut) und - mein Favorit (obwohl hier Frick bereits schwächer als unter Beecham singt) – die mit Josef Krips von 1966. Sie ist auch in der spielerischen Darstellung des Stücks und von der Ensembleleistung her – die beeindruckendste Aufnahme. Und wer da alles neben Frick noch mitsingt: Lucia Popp, Nicolai Gedda, Gerhard Unger, Leopold Rudolf und – Anneliese Rothenberger (und das ausgesprochen beeindruckend!).
Welche Alternativen kann ich empfehlen?
Gehen wir wieder über Osmin - wer hat je so beeindruckend das tiefe D gesungen? Und wem gelang ebenfalls so der Spagat zwischen abgrundtiefer Boshaftigkeit und gutmütiger, dahinschmelzender Drolligkeit wie Gottlob Frick? Nun – einen Bass konnte ich in diesem Vergleich für mich neu entdecken: Arnold van Mills Stimme (in der Aufnahme mit Suitner) ist vom Timbre her überwältigend!
Allerdings ist er kein wirklicher Bösewicht, sondern eher ein verkappter Sympathieträger. Einige werfen ihm daher vor, kein „passender“ Osmin zu sein. Rein musikalisch singt er tadellos – kraftvoll und beeindruckend. Ja, er leistet sich manche Unsauberkeit, verschluckt oder verschleift ab und zu Silben. Und dennoch gelingt ihm eine neue Sichtweise auf den Bösewicht. Mich jedenfalls begeistert seine Darbietung. Leider sind seine Kolleginnen nicht ganz auf gleicher Höhe. Dafür dirigiert Otmar Suitner (ein Star zu DDR-Zeiten) wunderbar sauber, prägnant und mit sehr guten Tempowechseln. Immer bleibt die Spannung erhalten – eine sehr plastische, textverständliche Gesamtaufnahme mit hoher Spielfreude.
Zwischen Krips und Suitner würde ich die Aufnahme mit René Jacobs aus 2015 platzieren. Wie immer mit intelligenten Übergängen, tollem Klangbild, viel Theateratmosphäre und hohem Spaßfaktor. Gelungen!
Und wie schneiden die immer wieder genannten Referenzaufnahmen ab? Solti und Jochum halten sich noch ganz wacker, Davis und Böhm fallen dagegen schon ordentlich ins Hintertreffen. Und auf dem genannten guten Niveau spielen auch Beecham und Weil, in Teilen (Osmin und Dirigent) auch Nézet-Séguin.
Eine Nachbemerkung: ich habe wieder mal feststellen können, wie wertvoll inzwischen Streamingdienste wie Qobuz für mich sind. Obwohl ich einige Gesamtaufnahmen der Entführung besitze, gehört leider (noch) keine der obigen 3 Empfehlungen dazu
Noch eine kleine Anmerkung: ich habe diesen Artikel noch veröffentlicht, da ich ihn bereits zum großen Teil fertig geschrieben hatte. Ich verspüre gerade keine Lust mehr, mir diese Arbeit zukünftig noch zu machen, wenn diesem Forum zum Jahresende tatsächlich das „Aus“ bevorstünde. Für den Orkus zu schreiben macht einfach keinen Spaß.
Viele Grüße
Jörg