Lieber Josh,
liebe Forenten,
Hornguru hat geschrieben: ↑11.12.2020, 17:03
Er meinte es könnte für die Gegenkopplung wichtig sein, und würde bei luftdichter Isolation nicht mehr ordentlich funktionieren.
oh je, das hat mir Herr Gruber, der mit seinen Basslautsprechern (ART, ALR und zuletzt A.C.T.) Maßstäbe gesetzt hat, die auf eine Diplomarbeit von ihm in diesem Bereich zurückgingen, als ich ihn in Waging am See einmal aufgesucht hatte, aber ganz anders erklärt. Kurz gesagt ist eine Gegenkopplung auf ein geschlossenes Gehäuse angewiesen, sonst wird das nichts. Das leuchtet auch unmittelbar ein, finde ich, denn die Gegenkopplung misst die Membranbewegung, um aus dem Vergleich mit dem Sollsignal ein Korrektursignal zu ermitteln. Nebenkriegsschauplätze sind in diesem Regelkreis nicht vorgesehen und dementsprechend auch nicht enthalten.
Als ich bei ihm war, war er gerade damit fertig geworden, seine Gegenkopplung auf Bassreflex-Versionen zu erweitern. Das war so um 2000, als das Heimkino seine erste Blüte erreichte und Subwoofer vermehrt von Cineasten gekauft wurden, denen es in erster Linie um Schalldruck und nicht um Präzision ging (und noch immer geht). Schalldruck ist die Achillesferse geschlossener Systeme, also umgekehrt kann man auch sagen, dass sie teurer sind: da der rückwärtige Energieanteil in Wärme umgewandelt wird, braucht man gegenüber einer Bassreflexkonstruktion die doppelte Anzahl Treiber. Dann kann man die Box auch geschlossen und damit geregelt und damit präzise arbeitend realisieren.
Herr Gruber erzählte nun also, dass er einen Kompromiss gefunden hätte, mit dem er Bassreflex-Systeme ebenfalls, jedenfalls im Rahmen der hier noch verbleibenden Möglichkeiten, so halbwegs gegenkoppeln könne. Die Bassreflex-Öffnung wird nicht gemessen und in den Regelkreis aufgenommen, sondern wurde bei der Entwicklung gemessen und die Ergebnisse wurden im Korrekturrechner modelliert. Er hat zuletzt die kleineren Modelle (bis 32 cm Korbdurchmesser) entsprechend parallel auch als Bassreflex-Varianten angeboten, um im Markt besser bestehen zu können. Die großen und die Mehrfachboxen alle immer nur als geschlossene Versionen, denn in dieser Leistungsklasse braucht man keine Kompromisse einzugehen.
Für mich sieht das von Deinem, Josh, Freund gesagte daher nach typischem Marketing-Getöse aus. Lautsprecher sind die einzigen Geräte der Anlagenkette, in der zwei Disziplinen aufeinandertreffen: der Elektroniker und der Tischler. Typischerweise kommt ein Lautsprecherbauer von einer der beiden Seiten. Wenn man sich die Lautsprecher ansieht, kann man gewöhnlich erkennen, von welcher: B&W mit seinen ausgefuchsten Gehäuseversteifungen von der Tischlerseite. Backes und Müller als Aktivboxenhersteller sowieso, vor allem aber mit seiner BM 5, die man sich nur einmal mit abgenommener Frontbespannung anzusehen braucht, von der Elektronikerseite. Die jeweils andere Seite erfährt dann eine mehr oder weniger ausgeprägte und damit erkennbare stiefmütterliche Behandlung.
Die Gehäuse von Backes und Müller haben dann mit Einführung der BM 20 frühzeitig ein avantgardistisches Image bezüglich ihrer Formensprache bekommen: seht her, wir bauen nicht nur Aktivboxen, vor allem aber solche mit Gegenkopplung, bei uns spiegelt sich unser Vorsprung durch Technik auch in unseren Gehäusen wider: keine parallelen Wände mehr, was wollt Ihr mehr?
Das kann ich genau sagen: ein solide ausgesteiftes Gehäuse mit sauber abgetrennten Kammern wäre schön. Dass das hier nicht erkennbar wird, finde ich betrüblich. Natürlich bügelt die Regelung die gegenseitigen Beeinflussungen aus, aber warum ist man bei Backes und Müller nicht konsequent und vermeidet sie nicht einfach? Zumal nur gute Auswirkungen auf den Klang zu erwarten wären und geht es nicht am Ende genau um jenen? Offenbar scheut man den Aufwand für Trennwände, der ja auch ganz erheblich ist. Der Aufwand für den Gehäusebau wird oft unterschätzt. Bei Trennwänden ist man schnell bei nichtrechtwinkligen Schnitten, weil die oft schräg eingesetzt werden, und dann wird's für den Tischler kitzlig, wenn er seine Formatkreissäge nichtrechtwinklig einstellt, also das Sägeblatt. Dann stimmt plötzlich nichts mehr, Abstände und dergleichen, und es ist eine Testreihe vonnöten. Gut vorstellbar, dass die maßgeblichen Leute bei Backes und Müller dafür kein rechtes Gefühl hatten und möglicherweise haben; und, konkret, mit den Augen gerollt haben, als sie vom Tischler gehört haben, was das kosten würde. Bei seiner Formatkreissäge das Sägeblatt schräg stellen ist das, was jeder Tischler um jeden Preis zu vermeiden trachtet.
Spannend. Ich bin wirklich gespannt, was Eure Nachforschungen noch ans Tageslicht befördern werden. Aber auch sehr beruhigend, zu sehen, dass die bei Backes und Müller auch nur mit Wasser kochen. Wer hätte das gedacht?
Danke für Euer Interesse
Peter