Die Barten des Wales
Verfasst: 29.10.2020, 09:51
Ausgangspunkt ist eine etwas off-topic-Diskussion in einem Thread über optimale 3 Musikstücke:
Der Frequenzgang einer ungefensterten bzw. unbehandelten Pulsantwort aus einer Messung zeigt also die Barten eines Wales. Was lernt man daraus?
Was steckt dahinter?
Dazu ein Versuch. Lade die Pulsantwort und rechne damit in Acourate TD-Functions - Reversion. Die Pulsantwort wird reversiert, also umgedreht. Und zwar im zeitlichen Ablauf. Die erste Wellenfront wird nun die letzte. Und was ändert sich nun bei den Barten des Wales? NICHTS!!
Merke: der Frequenzgang ist das Ergebnis der Fourier-Transformation. Im Frequenzgang ist KEINERLEI zeitlich Information mehr enthalten. Das Ergebnis ist ein rein informatives Ergebnis, welches die Amplitude einer beliebigen Sinusfrequenz, gespielt als Dauerton , anzeigt. Und zwar im eingeschwungenen Zustand. Nachdem der Sinus dann die Raumpulsantwort als Filter durchlaufen hat.
Die Pulsantwort enthält nun dabei aber eben alles was nun zeitlich so stattfindet. Einschwingen, erste Wellenfront, x-te Wellenfront, Ausschwingen, Reflexionen, Diffusanteile des Raums. Alles auch beliebig durcheinander.
Und so ergeben sich eben auch die Barten des Wales im Frequenzgang. Man kann aber nicht wirklich unimttelbar schlussfolgern was denn die Ursache ist. Im übrigen ist die Darstellung üblicherweise "verzerrt", weil logarithmische Frequenzachse. Nicht fürs Ohr, aber fürs Auge.
Klar ist: am Anfang wird das System LS und Raum durch einen Puls (oder einen Sweep oder ein anderes Testsignal) angeregt. Es wird also Energie reingesteckt, letztlich die aus der Steckdose. Und die wabert nach der ersten Antwort = freigelassene Schallwellen - so lange im Raum herum bis dass die Energie in Wärme umgewandelt ist.
Nun, wenn jemand spricht oder einen Ton auf dem Klavier spielt, dann interewssiert uns nicht, was da nach x Sekunden im Raum passiert. Sondern uns interessiert was gesagt oder gespielt wird. Also der Anfang. Unter diesem Aspekt macht dann die erste Wellenfront Sinn. Weil darauf ja die nächsten "ersten" Wellenfronten der Sprache bzw. der Musik passieren. Eigentlich logisch.
Wenn man nun die Pulsantwort fenstert, also den weniger interessierenden Teil der nachfolgenden Wellenfronten herausschneidet passiert dann mit dem hieraus berechneten Frequenzgang eine Veränderung. Die Barten des Wales werden weniger und verschwinden evtl. sogar ganz.
Eine Eigenschaft der FFT ist es also, dass Frequenzgänge glatter werden, je kürzer das Zeitsignal wird. Umgekehrt gilt auch, dass glatte Frequenzgänge in physikalisch kausalen Systemen durch kurze Antwortzeiten bedingt sind.
Eine mögliche Schlussfolgerung ist, dass man in einer Echokammer (reflexionsfreie Zone) am besten hört. Im Prinzip ja. Allerdings sind wir eben nun auch an reale Räume gewöhnt. So, dass wir sie brauchen. Weil eben auch das, was hinter der ersten Wellenfront nachfolgt, eine Information z.B. über Raumgröße und -eigenschaften mitbringt. Was wir brauchen, um uns wohl zu fühlen.
Es geht also um die richtige Bewertung. Extrem viele Barten des Wales in einem Frequenzgang deuten auf viel Nachhall hin. Je weniger Nachhall umso weniger Barten.
Da man aber nicht das Wabern des Schalls korrigieren kann, sondern eher das, was die LS-Membran als Direktschall verlässt, werden Pulsantworten generell gefenstert. Man versucht, den direkten vom indirekten Schall zu trennen. Darin liegt denn auch die Kunst.
Eine Verbesserung des indirekten Schalls bedeutet denn räumliche Umbaumassnahmen.
Grüsse
Uli
Ich denke, da ist eine Aufklärung nötig.Hans-Martin hat geschrieben: ↑28.10.2020, 23:44Hallo Martin,cornoalto hat geschrieben: ↑28.10.2020, 22:21Wenn ich mir die ungefensterten Acourate-Messungen in Netz ansehe, sehe ich ab 1000 Hz Frequenzgänge, die mich stark an die Barten des danach benannten Wales erinnern. Das sind ja eigentlich alles "Moden" in den oberen vier Oktaven des Hörspektrums. Wenn diese weg wären, wäre es vieleicht natürlicher.....
da OT, kurz gesagt: entweder du sorgst mit angemessener Dämpfung für weniger Reflexionen im Raum, wo du misst, oder du glättest das Messergebnis, oder du hältst deinen Kopf millimetergenau fixiert beim Hören, wo die L und R Ohren die jeweilige Mikrofonposition bestimmt haben.
Deine Ohren haben zusammen mit einer unwillkürlichen Kopfbewegung eine erlernte Ortungsverschärfung und gleichen so manchen Fehler aus, den fixierte Mikrofone zwangsläufig machen. Das Gesetz der ersten Wellenfront ist uns in die Wiege gelegt, beim Mikrofon und Messssystem mit großem Zeitfenster wird es schwierig, wie man die Fensterung für eine Raumkorrektur sinnvoll einsetzt.
Grüße
Hans-Martin
Der Frequenzgang einer ungefensterten bzw. unbehandelten Pulsantwort aus einer Messung zeigt also die Barten eines Wales. Was lernt man daraus?
Was steckt dahinter?
Dazu ein Versuch. Lade die Pulsantwort und rechne damit in Acourate TD-Functions - Reversion. Die Pulsantwort wird reversiert, also umgedreht. Und zwar im zeitlichen Ablauf. Die erste Wellenfront wird nun die letzte. Und was ändert sich nun bei den Barten des Wales? NICHTS!!
Merke: der Frequenzgang ist das Ergebnis der Fourier-Transformation. Im Frequenzgang ist KEINERLEI zeitlich Information mehr enthalten. Das Ergebnis ist ein rein informatives Ergebnis, welches die Amplitude einer beliebigen Sinusfrequenz, gespielt als Dauerton , anzeigt. Und zwar im eingeschwungenen Zustand. Nachdem der Sinus dann die Raumpulsantwort als Filter durchlaufen hat.
Die Pulsantwort enthält nun dabei aber eben alles was nun zeitlich so stattfindet. Einschwingen, erste Wellenfront, x-te Wellenfront, Ausschwingen, Reflexionen, Diffusanteile des Raums. Alles auch beliebig durcheinander.
Und so ergeben sich eben auch die Barten des Wales im Frequenzgang. Man kann aber nicht wirklich unimttelbar schlussfolgern was denn die Ursache ist. Im übrigen ist die Darstellung üblicherweise "verzerrt", weil logarithmische Frequenzachse. Nicht fürs Ohr, aber fürs Auge.
Klar ist: am Anfang wird das System LS und Raum durch einen Puls (oder einen Sweep oder ein anderes Testsignal) angeregt. Es wird also Energie reingesteckt, letztlich die aus der Steckdose. Und die wabert nach der ersten Antwort = freigelassene Schallwellen - so lange im Raum herum bis dass die Energie in Wärme umgewandelt ist.
Nun, wenn jemand spricht oder einen Ton auf dem Klavier spielt, dann interewssiert uns nicht, was da nach x Sekunden im Raum passiert. Sondern uns interessiert was gesagt oder gespielt wird. Also der Anfang. Unter diesem Aspekt macht dann die erste Wellenfront Sinn. Weil darauf ja die nächsten "ersten" Wellenfronten der Sprache bzw. der Musik passieren. Eigentlich logisch.
Wenn man nun die Pulsantwort fenstert, also den weniger interessierenden Teil der nachfolgenden Wellenfronten herausschneidet passiert dann mit dem hieraus berechneten Frequenzgang eine Veränderung. Die Barten des Wales werden weniger und verschwinden evtl. sogar ganz.
Eine Eigenschaft der FFT ist es also, dass Frequenzgänge glatter werden, je kürzer das Zeitsignal wird. Umgekehrt gilt auch, dass glatte Frequenzgänge in physikalisch kausalen Systemen durch kurze Antwortzeiten bedingt sind.
Eine mögliche Schlussfolgerung ist, dass man in einer Echokammer (reflexionsfreie Zone) am besten hört. Im Prinzip ja. Allerdings sind wir eben nun auch an reale Räume gewöhnt. So, dass wir sie brauchen. Weil eben auch das, was hinter der ersten Wellenfront nachfolgt, eine Information z.B. über Raumgröße und -eigenschaften mitbringt. Was wir brauchen, um uns wohl zu fühlen.
Es geht also um die richtige Bewertung. Extrem viele Barten des Wales in einem Frequenzgang deuten auf viel Nachhall hin. Je weniger Nachhall umso weniger Barten.
Da man aber nicht das Wabern des Schalls korrigieren kann, sondern eher das, was die LS-Membran als Direktschall verlässt, werden Pulsantworten generell gefenstert. Man versucht, den direkten vom indirekten Schall zu trennen. Darin liegt denn auch die Kunst.
Eine Verbesserung des indirekten Schalls bedeutet denn räumliche Umbaumassnahmen.
Grüsse
Uli