Mr. Durden hat geschrieben: ↑11.10.2020, 22:49
Mit dieser Messmethode möchte ich so gut wie möglich die nicht statischen Raumeinflüsse ausblenden (also ähnlich einer Freifeldmessung / in einem reflektionsarmen Raum) und trotzdem die einbaubedingten Auswirkungen auf das Chassis (Abstrahlverhalten, Kantendiffraktion, Bafflestep, etc.) mit in der Messung berücksichtigt haben.
Hallo Stefan,
ich habe mich zurückgehalten, weil ich erst einmal sehen wollte, was Uli zum Vergleich mit Beamforming antwortet, weil ich damit noch keine Erfahrung habe.
Ich habe einst beim KEF Koaxialchassis mit dem Messmikrofon 1cm vor dem Hochtöner gemessen, in der Annahme, dass dabei der Raum ausgeblendet würde, weil der Pegel vom Chassis absolut dominant sein müsste, zumindest nach gängiger Meinung. Weit gefehlt!
Am Hörplatz wurde ebenfalls gemessen. Zu beiden Messungen wurde anhand identischer Zielkurve eine Korrektur berechnet und weggespeichert (TacT Raumkorrektursystem).
Um die Unterschiede zu erkennen, habe ich beide Korrekturen am Hörplatz abgehört, eine auf die Hörplatzmessung bezogen, die andere auf die Nahestfeldmessung. Ich habe mich sehr schwer getan, beide gehörmäßig auseinanderzuhalten, obwohl per Fernbedienung schnell umschaltbar. Das war auch kein Wunder, denn auch die Nahfeldmessung zeigte im Bassbereich die Raumresonanzen mit denselben Resonanzfrequenzen, minimalen Pegelunterschieden zur anderen Messung auf. Das Bündelungsverhalten der KEF-Uni-Q LS reichte wohl aus, die weiter entfernten Seitenwände mit Reflexionen nicht besonders anzuregen.
Die Lautsprecher waren auf den Hörplatz ausgerichtet, somit waren die 2 Messungen vergleichbar mit deinen auf dem Faden geplanten, nur reduziert auf 2 Samples mit großem Abstand zueinander.
18 Jahre später bleiben in meinem Gedächtnis nur wenige Kernerkenntnisse zurück: Wo im Spektrum Raumresonanzfrequenzen vorhanden sind, erscheinen sie am Chassis ähnlich deutlich hervorstechend wie am Hörplatz gemessen. 2011 habe ich schon
darüber geschrieben, das war zeitlich noch näher dran.
Wenn man also die Frequenzgangschriebe übereinanderlegt, würde ich erwarten, dass sich die Raumresonanzen nach wie vor deutlich zeigen, selbst wenn man bewusst in den Knotenbereichen das Mikrofon platziert, denn die Node der einen Frequenz fällt oft zugleich mit der Mode einer anderen zusammen. Bei wachsenden Messabständen zum LS verschieben sich die Frequenzen, bei denen die Reflexionen durch Boden, Seitenwände, Decken Kammfiltereffekte erzeugen. Auslöschungen (bei ungeradzahligen Vielfachen) und Überbetonungen (bei geradzahligen Vielfachen) werden sich bei der Mikrofonbewegung auf dem Strahl verändern, bei mehr Abstand zum LS werden die parallelen Boden und Decke Kammfilterfrequenzen steigen, da aber der Abstand zur nächsten Seitenwand auf dem Weg zum Hörer zunimmt, sinkt diese Frequenz. Wie groß müssen die Schrittabstände bei den Mikrofonmessungen sein, dass bei Mittelwertbildung sich diese Kammfilter nicht mehr in einer Oktave verdichten? Eine rechnerische Simulation könnte Aufschluss geben.
Also im Bass wird man die Raumresonanzen nicht los, im Bereich 200-500Hz sind es die Kammfilter, darüber wird es einfacher.
Was meinst du mit "nicht statischen Raumeinflüssen", die du ausblenden möchtest? Was bliebe zurück? Statische Raumeinflüsse? Das entspräche m.E. nicht einer Freifeldmessung.
Mit welchem Ziel willst du die Messung der LS wie beschrieben durchführen? Den Frequenzgang im Nahfeld linearisieren, um final eine Korrektur des Raumeinflusses vorzunehmen oder nicht?
In deinem ersten Beitrag des Threads
Mr. Durden hat geschrieben: ↑10.10.2020, 23:38
Die Lautsprecher werden in eine geschlossene Bafflewall eingebaut und sollen als Quasi-D'Appolito als 3,5 Wege zusammen mit einem DBA Subwoofersystem zum Einsatz kommen.
Gerade hast du noch Kantendiffraktion, Bafflestep aufgezählt, wobei letzteres bei Bafflewall nach meinem Verständnis nicht existieren sollte, und wenn Kantendiffraktion eine Rolle spielt, hast du die Chance verpasst, den LS bündig in eine entsprechend geformte Wand einzubauen.
Die Filter im MMR passe ich pro Chassis auf den passenden Frequenzumfang an, die Auflösung setze ich maximal (auf 1/24 Oktave). Dadurch messe ich das Chassis horizontal direkt auf Achse (die Lautsprecher sind auf den Sitzplatz eingewinkelt), lediglich auf der vertikalen Achse verlasse ich leicht die on-axis Position.
Soll das heißen, du machst pro Kanal eine Reihe von Messungen (am Faden orientiert), bei der alle Chassis in gemeinsamer Messung erfasst werden, um die Zahl der Messungen zu reduzieren? Dann den Auswertungsberich begrenzen?
Oder deaktivierst du die nicht zu messenden Chassis? Das würde doch eine große Zahl von Messungen mit sich bringen, was du vermeiden wolltest.
Arbeiten alle, dann bekämst du bei Annäherung an den LS zunehmend die Phasenprobleme zwischen benachbarten Chassis, die sich typisch für vertikales Abstrahlverhalten verschieben. Dann muss die LS-nahe Messung als weniger relevant aufgefasst werden, während die entfernte Messungengruppe eher dem entspräche, was für den Hörplatz relevant ist.
Einfacher wäre doch, auf eine zeitliche Fensterung zu setzen, die so bemessen ist, dass die frühe Boden- und Seitenwandreflexionen bereits ausgeblendet werden, wenn es um den reinen LS-FG geht.
Blende ich mit dieser Methode die Raumeinflüsse ausreichend für eine reine Chassis Linearisierung aus?
Das vermag ich nicht nachzuvollziehen (ich meine das zugleich im mehreren Lesarten).
Für mich wäre zur vorausgehenden Chassislinearisierung selbstverständlich, dass jedes Chassis allein (die anderen Chassis deaktiviert) auf seiner Achse im Nahbereich gemessen werden sollte. Und wenn man den Raum ausblenden möchte, kann man die fixierte LS-Mikrofon-Anordnung auf der schrägen diagonalen Achse des Raums vielfach verschieben, wobei diagonale Resonanzen deutlich weniger ausgeprägt sind und die Abstände zu den Raumwänden stetig verändert werden. Da bleibt die Frage, ob man womöglich den LS oder das Mikrofon auf den errechenbaren Raum
noden platziert, beides zugleich bringt man vermutlich nicht unter einen Hut, aber man kann ja mal den LS mit dem Mikro die Plätze tauschen lassen.
Da ist eine Zeitfensterung zum Ausschluss der verzögert eintreffenden Raumreflexion doch viel einfacher am Messcomputer zu machen. Zu einfach?
Die Frage, ob und wie man im Raum eine Messung von LS durchführen kann, die einer Freifeldmessung gleichkommt, hat schon Generationen beschäftigt. Spätestens seit MLSSA ist das Zeitfenster von großer Bedeutung.
Auch hat man sich bei der Normschallwand auf 1x1m geeinigt und 1m als Messabstand etabliert, ebenso auf 2,83V (1W@8Ω).
Es gibt in Studios RFZ (Reflection Free Zone) Lautsprecherumgebungen, wo die LS wandbündig, also kantenbrechungsfrei in vorgesetzte Wände eingebaut sind, die entsprechend der LS-Ausrichtung angeschrägt sind. Ziel ist, dass der Direktschall am Hörplatz ohne jeglich frühe Reflexionen ankommt. Der verbleibende Hohlraum im Eckbereich kann als Raum für Absorber mitgenutzt werden.
Schaut man sich einen RAR in der Praxis an, wundert man sich, dass trotz des gewaltigen akustischen Aufwands der gemessene Bereich unter 100Hz rechnerisch entzerrt wird. Denn die Schaumkeile können aus praktischen Gründen nicht länger als 1m (meist nur 0,80m) sein, sie bleiben sonst nicht formstabil, sie wirken mangels Länge im Bassbereich nicht mehr, denn mindestens 1/4 Wellenlänge ist Voraussetzung.
Der "schalltote" Raum ist es tatsächlich nicht, wie man mit einem zerplatzenden Luftballon leicht testen kann.
Bleibt noch die Frage nach der zuverlässigen Pegelanpassung der Messung bei zunehmendem Abstand vom LS, wenn sich punktuell die Frequenzgänge mit verschobenen Peaks unterschiedlicher Amplitude darstellen.
In der Summe aller Aspekte sehe ich noch nicht, dass MMR sich als aussagefähiges Verfahren zielorientiert durchsetzen kann.
Respektvoll anerkennend bewundere ich den Freigeist, der hinter einem neuen Verfahren steht.
Grüße
Hans-Martin