Wie misst man die Netzspannung?
Verfasst: 21.10.2019, 19:53
Liebe Messwertliebhaber,
habt Ihr Euch schon mal gefragt, wie man eigentlich den Wert der Netzspannung genau misst? Blöde Frage, denkt da wahrscheinlich so mancher, da steck ich mein Multimeter in die Steckdose, stell auf "True RMS" und dann zeigt mir das die Netzspannung an. Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, mit welcher Genauigkeit das dann angezeigt wird? Ich schaue dazu mal in die Bedienungsanleitung meines Standard-Multimeters, ein Voltcraft VC 860. DC-Bereiche 0,1% Genauigkeit, fein. Frequenz 0,01%, sehr fein. Schauen wir mal bei AC nach, ups, 1%. Das heißt zu deutsch: Wenn die Spannung auf dem Netz z. B. gerade genau 230V beträgt, kriege ich irgendwas zwischen 227,7V und 232,3V angezeigt. Was soll's, ich hab' ja noch vier Multimeter, da wird schon eins davon genauer sein. Von wegen, alle +-1% oder sogar +-1,5% bei dem hohen Wechselspannungsbereich. Wenn ich diese Toleranzangaben mal übersetzen darf, steht da schwarz auf weiß, dass ich mich nicht wundern soll, wenn ich von den Geräten angelogen werde.
Eigentlich wüsste ich das gerne genauer, schön wäre +-0,1%. Wenn ich mit so einem Schätzeisen wie meinem Voltcraft zum Beispiel die Anzeige meines PS Audio Power Plant versuche zu kalibrieren, muss das ja falsch sein, was da raus kommt, weil ich den wahren Wert der Netzspannung nicht kenne. Ich schaue mich also mal im Internet um, ob es vielleicht irgendwo bezahlbare Multimeter gibt, die besser sind. Fehlanzeige. Aber selbst ist der Mann. Ich baue mir also folgendes Gerät:
Zunächst muss man wissen, wo die Phase ist, wenn man die Spannung der Phase gegen Null messen will. Dazu gibt es eine LED hinten, die anzeigt, wenn man den Stecker rumdrehen soll:
Vorne gibt's vier Buchsenpaare und zwei Schalter:
Fangen wir mal links an. Am Ausgang "DC out" liegt der DC-Anteil der Netzspannung, und zwar 1:1. Am AC-Ausgang liegt der sog. RMS-Wert (Root Mean Square), das ist der Wert, der uns interessiert. Der liegt dort als DC-Spannung durch 100 geteilt. Ist also die Netzspannung 230V, liegen dort 2,3V Gleichspannung, Noch eins weiter rechts gibt es ein Buchsenpaar "Ext In", ein Eingang also, an dem man z. B. den Ausgang eines DACs oder Vorverstärkers anlegen kann und dann 1:1 sowohl den DC-Offset wie auch 1:1 den RMS-Wert der Ausgangsspannung kriegt. Der RMS-Wert wird präzise gebildet bis in den MHZ-Bereich. Und ganz rechts ist ein Buchsenpaar "Ext out", da liegt die Netzspannung geteilt durch 100 an und man kann dort z. B. mit einer Soundkarte den Klirr auf dem Netz messen oder mit einem Frequenzzähler oder Oszi die genaue Netzfrequenz anzeigen lassen. Und dann hat es noch zwei Schalter: Der untere ist zum Umschalten auf den externen Eingang, ansonsten wird die Netzspannung gemessen. Und der obere hat es in sich, der ist zum Kalibrieren der ganzen Apparatur.
So, das klingt ja alles wie ein Wunschkonzert, aber wie bitteschön soll man denn mit so einer Bastelkiste Genauigkeiten von 0,1% oder besser erreichen? Ich will gerne zeigen, wie das geht. Fangen wir mal mit der DC-Messung an:
Die ist im oberen Teil des Bilds zu sehen, ein Tiefpass mit 24dB pro Oktave und Grenzfrequenz von 1Hz. Das sorgt für eine gute Unterdrückung der 50Hz, die sind nämlich fünfeinhalb Oktaven weg von der Grenzfrequenz. Rein rechnerisch bleiben da von den 230V Wechselspannung noch ungefähr 0,06mV übrig am DC-Ausgang, und man sieht im Wesentlichen den DC-Anteil der Netzspannung. Bevor man jedoch die Netzspannung vermisst, schaltet man auf den externen Eingang und lässt den offen (ist intern mit 47kOhm abgeschlossen). Dann gleicht man zunächst mit dem blauen 20Gang-Trimmer im Bild oben den Offset der ganzen Schaltung genau auf Null ab, so dass das fünfstellige Multimeter also 0,0000V anzeigt. Und jetzt kommt der Witz mit der Kalibrierung: Nun schaltet man den rechten oberen Schalter auf "Kalibrieren AC+DC 2,5V" und damit werden 2,5V über das Tiefpassfilter ans Multimeter gelegt:
Das soll der Baustein machen, der in der 8poligen Fassung rechts oben im Bild noch fehlt . Es ist ein MAX6225A und der hat 2,5V am Ausgang, und zwar mit einer Genauigkeit von +-0,02% (!). Damit kann man nun das Multimeter im DC-Bereich kalibrieren (innen im Multimeter gibt es einen Kalibriertrimmer), und wir haben das damit auf 0,02% Genauigkeit getrimmt. Dieser Baustein für die Referenzspannung ist allerdings gerade noch auf dem Weg zu mir.
Weiter geht's mit der AC-Messung. Die RMS-Rechnung macht der IC AD637, der das von Haus aus mit 0,1% Genauigkeit kann. Allerdings kann man den auf noch besser trimmen: Man sieht im Bild oben zwei Trimmpotis, das rechte wieder für den Offset, das linke für die Kalibrierung. Man steckt also das bereits auf 0,02% getrimmte Multimeter in den AC-Ausgang und macht auch hier zunächst den Offsetabgleich, stellt also den AC-Ausgang ohne Signal genau auf Null. Dann schaltet man wieder auf Kalibrieren, und dann wird die DC-Spannung an den RMS-Baustein gelegt, der AC wie DC messen kann. Nun gleicht man mit dem Kalibrierpoti die Spannung am Ausgang wieder genau auf 2,5000V ab und hat damit die AC-Messung auf die gleiche Genauigkeit getrimmt wie den DC-Ausgang, nämlich auf 0,02%.
Nun kommt der größte Toleranzbeitrag: Der Spannungsteiler von der Netzspannung runter auf 1:100. Dafür muss man ein bisschen in die Tasche greifen, aber dann kriegt man die Widerstände mit 0,02% Toleranz. Da man zwei Widerstände für einen Teiler braucht, addieren sich die beiden Toleranzen zu 0,04%. Zusammen mit den 0,02%, auf die das Multimeter kalibriert ist, sind wir bei 0,06% - nicht schlecht für einen schnellen Eigenbau, finde ich. Damit werde ich dann also erheblich weniger angelogen als vorher: Liegen genau 230V an, kriegt man einen Wert zwischen und 229,862 und 230,138V. Im worst case. Das gefällt mir schon viel besser.
Aber auch schon mit den 0,1%, die das Multimeter von Haus aus mitbringt im DC-Bereich, kann ich schon recht genau messen, solange der Referenzspannungs-IC noch unterwegs ist. Netzspannung durch 100 gerade hier in der Werkstatt:
DC-Anteil:
Frequenz:
Viele Grüße
Gert
habt Ihr Euch schon mal gefragt, wie man eigentlich den Wert der Netzspannung genau misst? Blöde Frage, denkt da wahrscheinlich so mancher, da steck ich mein Multimeter in die Steckdose, stell auf "True RMS" und dann zeigt mir das die Netzspannung an. Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, mit welcher Genauigkeit das dann angezeigt wird? Ich schaue dazu mal in die Bedienungsanleitung meines Standard-Multimeters, ein Voltcraft VC 860. DC-Bereiche 0,1% Genauigkeit, fein. Frequenz 0,01%, sehr fein. Schauen wir mal bei AC nach, ups, 1%. Das heißt zu deutsch: Wenn die Spannung auf dem Netz z. B. gerade genau 230V beträgt, kriege ich irgendwas zwischen 227,7V und 232,3V angezeigt. Was soll's, ich hab' ja noch vier Multimeter, da wird schon eins davon genauer sein. Von wegen, alle +-1% oder sogar +-1,5% bei dem hohen Wechselspannungsbereich. Wenn ich diese Toleranzangaben mal übersetzen darf, steht da schwarz auf weiß, dass ich mich nicht wundern soll, wenn ich von den Geräten angelogen werde.
Eigentlich wüsste ich das gerne genauer, schön wäre +-0,1%. Wenn ich mit so einem Schätzeisen wie meinem Voltcraft zum Beispiel die Anzeige meines PS Audio Power Plant versuche zu kalibrieren, muss das ja falsch sein, was da raus kommt, weil ich den wahren Wert der Netzspannung nicht kenne. Ich schaue mich also mal im Internet um, ob es vielleicht irgendwo bezahlbare Multimeter gibt, die besser sind. Fehlanzeige. Aber selbst ist der Mann. Ich baue mir also folgendes Gerät:
Zunächst muss man wissen, wo die Phase ist, wenn man die Spannung der Phase gegen Null messen will. Dazu gibt es eine LED hinten, die anzeigt, wenn man den Stecker rumdrehen soll:
Vorne gibt's vier Buchsenpaare und zwei Schalter:
Fangen wir mal links an. Am Ausgang "DC out" liegt der DC-Anteil der Netzspannung, und zwar 1:1. Am AC-Ausgang liegt der sog. RMS-Wert (Root Mean Square), das ist der Wert, der uns interessiert. Der liegt dort als DC-Spannung durch 100 geteilt. Ist also die Netzspannung 230V, liegen dort 2,3V Gleichspannung, Noch eins weiter rechts gibt es ein Buchsenpaar "Ext In", ein Eingang also, an dem man z. B. den Ausgang eines DACs oder Vorverstärkers anlegen kann und dann 1:1 sowohl den DC-Offset wie auch 1:1 den RMS-Wert der Ausgangsspannung kriegt. Der RMS-Wert wird präzise gebildet bis in den MHZ-Bereich. Und ganz rechts ist ein Buchsenpaar "Ext out", da liegt die Netzspannung geteilt durch 100 an und man kann dort z. B. mit einer Soundkarte den Klirr auf dem Netz messen oder mit einem Frequenzzähler oder Oszi die genaue Netzfrequenz anzeigen lassen. Und dann hat es noch zwei Schalter: Der untere ist zum Umschalten auf den externen Eingang, ansonsten wird die Netzspannung gemessen. Und der obere hat es in sich, der ist zum Kalibrieren der ganzen Apparatur.
So, das klingt ja alles wie ein Wunschkonzert, aber wie bitteschön soll man denn mit so einer Bastelkiste Genauigkeiten von 0,1% oder besser erreichen? Ich will gerne zeigen, wie das geht. Fangen wir mal mit der DC-Messung an:
Die ist im oberen Teil des Bilds zu sehen, ein Tiefpass mit 24dB pro Oktave und Grenzfrequenz von 1Hz. Das sorgt für eine gute Unterdrückung der 50Hz, die sind nämlich fünfeinhalb Oktaven weg von der Grenzfrequenz. Rein rechnerisch bleiben da von den 230V Wechselspannung noch ungefähr 0,06mV übrig am DC-Ausgang, und man sieht im Wesentlichen den DC-Anteil der Netzspannung. Bevor man jedoch die Netzspannung vermisst, schaltet man auf den externen Eingang und lässt den offen (ist intern mit 47kOhm abgeschlossen). Dann gleicht man zunächst mit dem blauen 20Gang-Trimmer im Bild oben den Offset der ganzen Schaltung genau auf Null ab, so dass das fünfstellige Multimeter also 0,0000V anzeigt. Und jetzt kommt der Witz mit der Kalibrierung: Nun schaltet man den rechten oberen Schalter auf "Kalibrieren AC+DC 2,5V" und damit werden 2,5V über das Tiefpassfilter ans Multimeter gelegt:
Das soll der Baustein machen, der in der 8poligen Fassung rechts oben im Bild noch fehlt . Es ist ein MAX6225A und der hat 2,5V am Ausgang, und zwar mit einer Genauigkeit von +-0,02% (!). Damit kann man nun das Multimeter im DC-Bereich kalibrieren (innen im Multimeter gibt es einen Kalibriertrimmer), und wir haben das damit auf 0,02% Genauigkeit getrimmt. Dieser Baustein für die Referenzspannung ist allerdings gerade noch auf dem Weg zu mir.
Weiter geht's mit der AC-Messung. Die RMS-Rechnung macht der IC AD637, der das von Haus aus mit 0,1% Genauigkeit kann. Allerdings kann man den auf noch besser trimmen: Man sieht im Bild oben zwei Trimmpotis, das rechte wieder für den Offset, das linke für die Kalibrierung. Man steckt also das bereits auf 0,02% getrimmte Multimeter in den AC-Ausgang und macht auch hier zunächst den Offsetabgleich, stellt also den AC-Ausgang ohne Signal genau auf Null. Dann schaltet man wieder auf Kalibrieren, und dann wird die DC-Spannung an den RMS-Baustein gelegt, der AC wie DC messen kann. Nun gleicht man mit dem Kalibrierpoti die Spannung am Ausgang wieder genau auf 2,5000V ab und hat damit die AC-Messung auf die gleiche Genauigkeit getrimmt wie den DC-Ausgang, nämlich auf 0,02%.
Nun kommt der größte Toleranzbeitrag: Der Spannungsteiler von der Netzspannung runter auf 1:100. Dafür muss man ein bisschen in die Tasche greifen, aber dann kriegt man die Widerstände mit 0,02% Toleranz. Da man zwei Widerstände für einen Teiler braucht, addieren sich die beiden Toleranzen zu 0,04%. Zusammen mit den 0,02%, auf die das Multimeter kalibriert ist, sind wir bei 0,06% - nicht schlecht für einen schnellen Eigenbau, finde ich. Damit werde ich dann also erheblich weniger angelogen als vorher: Liegen genau 230V an, kriegt man einen Wert zwischen und 229,862 und 230,138V. Im worst case. Das gefällt mir schon viel besser.
Aber auch schon mit den 0,1%, die das Multimeter von Haus aus mitbringt im DC-Bereich, kann ich schon recht genau messen, solange der Referenzspannungs-IC noch unterwegs ist. Netzspannung durch 100 gerade hier in der Werkstatt:
DC-Anteil:
Frequenz:
Viele Grüße
Gert