Live-Videostream: Gubaidulina/Schostakowitsch (Berl. Phil.)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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JOE
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Live-Videostream: Gubaidulina/Schostakowitsch (Berl. Phil.)

Beitrag von JOE »

Gestern habe ich - insbesondere wegen des 1. Programmteils - wohl mein Konzert des Jahres in der Berliner Philharmonie gehört:

- S. Gubaidulina, Glorious Percussion (4. Aufführung seit der Premiere 2008, noch keine CD erhältlich),
- D. Schostakowitsch, Symphonie Nr. 12 d-Moll op. 112 "Das Jahr 1917".

Da weitere interessante Informationen im entsprechenden Programmheft

http://www.berliner-philharmoniker.de/f ... ercussion/

stehen sowie auf der HP

http://dch.berliner-philharmoniker.de/# ... 09/9/c248/

abrufbar sind, spare ich mir hier weitere Angaben ausser dem Hinweis, dass heute abend (20 Uhr, besser schon 15' früher einloggen!) das Konzert live in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker übertragen wird (bald darauf auch in deren Archiv erhältlich).

All' denjenigen, die über einen genügend leistungsfähigen Video-Stream-Zugang verfügen (kann auf dem "Rundgang" der HP extra getestet werden), möchte ich das Konzert nur intensiv empfehlen!

Sofern Originallautstärke angestrebt wird, hier die Maxima: Teil 1 = 107 dBA, Teil 2 = 104 dBA (7. Reihe Mitte).

Gruß
Joe
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo JOE,

besten Dank für den Hinweis auf die hervorragende Idee der Berliner mit den Live-Videostreams.
Habe mir den Trailer der Glorious Percussion angesehen, sehr eindrucksvoll wie Dudamel da mit dem Orchester loslegt.

Den 2. Teil, die 12te von Schostakowitsch, mag ich aber überhaupt nicht, diese Verherrlichung von Lenin und der Oktoberrevolution (der Titel des 4. Satzes "Morgenröte der Menschheit" sagt ja schon alles) ist mir zutiefst zuwider, zumal der Mann ja noch während der Premiere in die KPdSU aufgenommen wurde, die kaufe ich also grundsätzlich nicht.

Werde also warten bis die Gubaidulina als SACD (solch dichte Kompositionen verlangen nach Mehrkanal) vorliegt.


Gruss Sigi
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JOE
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Beitrag von JOE »

Kienberg hat geschrieben:... diese Verherrlichung von Lenin und der Oktoberrevolution (der Titel des 4. Satzes "Morgenröte der Menschheit" sagt ja schon alles) [*] ist mir zutiefst zuwider, zumal der Mann ja noch während der Premiere in die KPdSU aufgenommen wurde ... [**]

Werde also warten bis die Gubaidulina als SACD (solch dichte Kompositionen verlangen nach Mehrkanal) vorliegt.
* Eben nicht! Da sollte man schon ein wenig tiefer schürfen.

** Immerhin erst 1961 und nach Platzenlassen der 1. Aufnahmezeremonie einige Monate zuvor ...

Alles nicht so einfach!

Im übrigen diskutiere ich u. a. wegen erwiesener weit überwiegender Sinnlosigkeit nicht mehr öffentlich im Forum, sondern danke für die hier zu lesenden Sachinformationen mit diesem oder jenem Hinweis, von dem ich vermute, er könnte auch für andere interessant sein.

Auf eine SACD dürfte man wohl leider vergeblich warten. Vielleicht kommt noch nicht einmal eine CD in absehbarer Zeit raus.

Gruß
Joe
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JOE
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Konzertkritik

Beitrag von JOE »

Hier ergänzend noch ein Auszug aus einer Kritik, die ich im Internet gefunden habe:
Berliner Morgenpost hat geschrieben:
Schlagwerker vor philharmonischer Sinfonie-Kulisse

Samstag, 19. September 2009 02:15 - Von Klaus Geitel

Mit nur 28 Jahren ist Gustavo Dudamel, in Venezuela geboren, bereits in die Führungsriege der internationalen Dirigenten aufgestiegen. Esa-Pekka Salonen, der genialische Finne, hat ihn zu seinem Nachfolger an der Spitze des Los Angeles Philharmonic Orchestra gemacht. Eine glückliche Wahl.

Auch in Berlin hat sich Dudamel schon wiederholt ausgezeichnet. Nun ist er zu den Philharmonikern zurückgekehrt, um mit ihnen die über halbstündigen "Glorious Percussions" von Sofia Guibaidulina (78) vorzustellen: einen Schlagzeugrausch, ratternd und knatternd, klirrend und paukend dahingeträumt vor groß angelegter sinfonischer Kulisse. Genau vor einem Jahr hatte Dudamel das eigenwillige Werk in Göteborg uraufgeführt. Es erspielte sich und seiner Komponistin auch in der Philharmonie einen wahren Triumph.

Fünf Schlagzeuger, zwei Frauen und drei Männer, haben das Dirigentenpult mit ihren Instrumenten geradezu eingekreist. Sie spielen aber nicht etwa gegen das Orchester an, sie verzahnen ihre originell dahinklingelnden, auftrumpfend dahintropfenden Percussionen mit ihm und entwerfen, alle vereint, das Klang-Panorama, das Gubaidulina vorschwebte: das Bild einer hoch persönlichen Klangwelt, die zu faszinieren weiß.

Die Schlagzeuger, die bei dieser Gelegenheit einander in die rührigen Hände arbeiten, haben sich als Gruppe prompt "Glorious Percussion" genannt. Eine treffendere Bezeichnung hätte sich für diesen musizierenden Fünferrat auch nicht finden lassen. Die Musik, die er buchstäblich aus dem Handgelenk schüttelt, will nicht einzig gehört, sie will auch gesehen werden. Sie breitet sich wie eine abenteuerliche Landschaft hin.
Den Live-Stream gibt's - wie gesagt - sehr bald auch aus dem Archiv.

Gruß
Joe
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Konzertkritik (II)

Beitrag von JOE »

Kienberg hat geschrieben:... die 12te von Schostakowitsch, mag ich aber überhaupt nicht, diese Verherrlichung von Lenin und der Oktoberrevolution (der Titel des 4. Satzes "Morgenröte der Menschheit" sagt ja schon alles) ist mir zutiefst zuwider, zumal der Mann ja noch während der Premiere in die KPdSU aufgenommen wurde, die kaufe ich also grundsätzlich nicht.
Ich merke, dass mich dieser eher pampig populistische Kommentar doch immer noch ärgert. Nicht wegen mir, sondern weil nicht ansatzweise versucht wird, einem großartigen Komponisten differenziert gerecht zu werden. (Die Kaufentscheidung ist in der Tat Sache jedes Einzelnen, aber auch etwas ganz anderes.)

Deshalb hier doch auch noch eine kurze Kritik zum zweiten Teil des Konzerts.
Kirsten Liese (KlassikInfo.de) hat geschrieben:Auf dem Programm stand Schostakowitschs Zwölfte in d-moll op.112, die Dudamel sogar auswendig beherrscht, was ihn frei und erhaben über den Notentext macht, worin er ebenfalls Celibidache nicht unähnlich ist, nur dass der Rumäne mit fortschreitendem Alter weise darum wusste, dass bombastische Klangballungen nach deutlich langsameren Tempi verlangen. Schostakowitschs Zwölfte birst geradezu vor negativen Energien und endet im brutalst möglichen Fortissimo.

Ein klingendes Porträt Lenins sollte das werden, zum 22. Parteitag der Kommunistischen Partei, der Schostakowitsch unter Chruschtschows Druck hin beitreten musste. Doch am Ende zeigte er sich unzufrieden: "Ich hatte mir eine bestimmte schöpferische Aufgabe gestellt und ... endete mit einem völlig anderen Ergebnis. ... Das Material widersetzte sich." Doch man tut dem Werk unrecht, wenn man es als lärmende Revolutionsmusik abtut. Wie alle Partituren Schostakowitschs erzählt auch diese von Leid, Not und Angst. Schließlich geht es nicht nur laut und verherrlichend zu in dieser viersätzigen Sinfonie ohne Pause, sondern oft zieht sich auch eine tiefe Düsternis durch die Musik, schon präsent im Eingangsmotiv der tiefen Streicher. Großartig, mit welcher Ausdruckstiefe Dudamel sich in diese Welt als Südamerikaner hineinfühlt, wie viel Schwermut in solchen Momenten aufscheint. Auch die trefflichen Holzbläser der Berliner kommen zum Zuge, immer wieder erheben sich melancholische Klagetöne in Fagott und Klarinette, bevor die Aggressivität wieder die Oberhand gewinnt.

Am tiefsten unter die Haut aber gehen die Momente, wenn es ganz leise wird, wenn die Resignation in Stille verebbt und es scheint, als bliebe die Zeit stehen. Dudamel, mit dem eben noch die Pferde durchzugehen schienen, wirkt hier ganz besonnen und in der Reife seinem Alter weit voraus.
Gruß
Joe


PS: An einer Diskussion werde ich mich aber weiterhin nicht beteiligen.
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