Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:ich würde für solche vergleichenden Messungen dasselbe Vielfachschätzeisen benutzen, kein 2. Exemplar gleichen Typs, wenn es um Präzision geht.
natürlich hast Du wie immer recht - wenn ich z. B. Geräte auf Kanalgleichheit abgleiche, messe ich natürlich immer mit ein und demselben Instrument. Hier ist das aber egal, denn ich bilde bei beiden Geräten den Mittelwert aus links und rechts, um den Umrechnungsfaktor zu bestimmen. Da kürzt sich der Instrumentenfehler raus und es geht einfach viel schneller, wenn ich zwei Multimeter einstöpsle. So sehe ich auch auf einen Blick vorhandene Kanalungleichheiten. So schlecht sind die Multimeter nämlich nicht. Vielleicht liegt auch ein Missverständnis vor: Die beiden Anzeigen sind links und rechts eines Gerätes, nicht z. B. der jeweils linke Kanal der beiden Vergleichskandidaten. Auf beiden Kanälen das gleiche Digitalsignal (1kHz Sinus mit 0dBFS) eingespeist:
Jetzt beide Instrumente vertauscht:
Geschenkt, zumal ja eh der Mittelwert aus beiden genommen wird. Und die absolute Genauigkeit der beiden Geräte ist auch egal - ich bilde ja den Quotienten aus der Messung zuerst des einen, dann des anderen Vergleichspartners, womit sich die Fehler auch wieder rauskürzen.
Mittlerweile sind die Files alle passend umgerechnet und der Hörtest kann beginnen. Als erstes eine Klavieraufnahme, der erste Satz von Beethovens 30. Sonate op. 109, gespielt von Maurizio Pollini:
Die Aufnahme ist von 1975! Und sowas von super. An erster Stelle steht natürlich der musikalische Inhalt. Pollinis tiefes Werkverständnis und schnörkellose Musikalität ist hinreißend. Aber auch die Aufnahmequalität. Das analoge Masterband von damals wurde 2012 liebevoll auf SACD gebracht, ohne die meist übliche Dynamikkompresse. Der Steinway klingt, wie wenn er da vorne stünde. Hin und wieder hört man den Pianisten schwer atmen und die Mechanik des Flügels dezent arbeiten. Ob die Zuhörer bei dieser Liveaufnahme das damals in München so gut hören durften, weiß ich nicht, jedenfalls ist das eine meiner Lieblingsaufnahmen von Beethovens letzten Sonaten. Genug lamentiert, erstmal das Gehör kalibrieren mit dem G-ADS2 DAC. Ich vergesse nach wenigen Takten, dass ich eigentlich einen Vergleichstest machen will und höre den (relativ kurzen) ersten Satz zu Ende.
Ich stöpsle die MuSiGo XLR3 aus dem G-DAC und direkt rein in den Arcam FMJ D33. Hat es schon angefangen? Ah ja, unvermittelt startet das Klavier. Vorhin, beim G-DAC, wusste ich schon vor dem ersten Klavierton, dass es gleich losgeht - so ein Konzertsaal hat ein gewisses Grundgeräusch, das beim Arcam irgendwie verschluckt wurde. Ok, erstmal egal, wie klingt der Flügel? Verhangen. Jegliches Livegefühl fehlt, die beschriebenen Nebengeräusche fehlen und die Transienten sind verschliffen. Bin ich so eine verwöhnte Socke, dass mir ein 3.000€-DAC von der Stange nicht mehr gefallen mag? Vielleicht sollte ich mich ein bisschen in das Gerät einhören und ihm eine Chance geben. Ich wechsle auf den Allzeit-Forums-Evergreen:
Das Stück ist gut geeignet, um Tiefbassqualität, Raumtiefe, Bühnenbreite, Lokalisation und Ortung der Solostimme zu beurteilen. Mein erster Eindruck beim Arcam, bei dem ich jetzt geblieben bin: Am Bass des Arcam gibt es nichts zu meckern, die großer Trommel kommt mit gewohnter Durchschlagskraft. Der Raum ist aber arg klein. Die Aufnahme ist eigentlich geeignet, sich mitten in einem großen Raum zu fühlen, vorne in der Mitte die Sosa, dahinter gestaffelt der Chor auf der ganzen Bühnenbreite und die riesige 2m-Trommel, die für einen beeindruckenden Tiefbass sorgt, halb rechts ziemlich weit hinten. Nun, der Arcam reduziert diesen Raum ungefähr auf die Größe meines TV vorne an der Wand und ich betrachte ihn von außerhalb, etwas unbeteiligt am Geschehen. Ok, wenn schon kein Konzertfeeling aufkommt, erwacht mein Spieltrieb: Der D33 hat drei verschiedene Digitalfilter zur Wahl. Keine Ahnung, was was ist, aber bis jetzt habe ich so gehört, dass beide Lämpchen bei Filter 1 und 2 aus waren. Der Arcam kriegt übrigens vom G-DAC alle Files je nach Samplingratenfamilie in 176/24 oder 192/24, das Upsampling erledigt bereits meine NAS vor dem G-Linn. So klingt der G-DAC, der ja die gleichen DAC-Chips hat wie der Arcam, am besten, und so sollte es nach meiner Erfahrung auch beim Arcam sein. Also mal Filter 1 eingeschaltet und nochmal das Kyrie der Misa Criolla gehört. Ja, der Raum ist jetzt etwas größer und auch heller beleuchtet. Filter 2: Jetzt wird der Raum wieder schmaler, aber dafür tiefer. Allerdings rückt jetzt auch Frau Sosa unnatürlich weit nach hinten, die sonst eindeutig weit vor dem Chor steht. Das mit den Filtern will ich jetzt genauer wissen. Ich nehme eine Aufnahme, die eine Anlage im Hochtonbereich so richtig fordert:
Sani (Stück Nr. 5) beginnt gleich mit unglaublich strahlenden Beckenanschlägen, bevor das Klavier mitmacht. Filter 0: Das Becken klingt ein bisschen matt, so habe ich das nicht in Erinnerung. Ich stöpsle aber bewusst nicht rüber auf den G-DAC, weil ich den Unterschieden zwischen den Filtereinstellungen noch ein bisschen auf den Zahn fühlen will. Filter 1: Das Matte weicht einem verschliffenen Zischen, das keine Feinauflösung erkennen lässt und schrill wirkt. Filter 2: Ähnlich, aber noch etwas verwaschener. Am besten bedient ist man doch, wenn beide LEDs beim Filterknöpfchen ausgeschaltet sind. Nach mehrmaligem Hin und Her stecke ich auf den G-DAC um. Das ist eine Erlösung. Unendlich fein ziselierte Tönchen schweben im Raum, und ich weiß jetzt wieder, warum ich diese Aufnahme zum Test gewählt habe.
Eine wichtige Disziplin fehlt noch: Durchzeichnungsvermögen, wenn ein großes Orchester auf der Bühne steht. Ralf Koschnickes Aufnahme der Espana ist dafür sehr gut:
Ich bleibe beim G-DAC und schärfe mein Gehör nochmal bezüglich der Kriterien, die diese Aufnahme bietet: Klingen die Instrumente natürlich, wie tief und breit ist der Raum, wie hebt sich die kleine Triangel über das Orchester in die Höhe? Arcam: Raum flacher, Klang matt, Celli etwas aufgedickt. Aber die Stelle kommt jetzt gleich, wo alle mitmachen dürfen im Tutti: Und jetzt verliert der Arcam die Orientierung, es fehlt ihm an Durchzeichnung.
Mir kommt ein Verdacht, und jetzt will ich es wissen: Ich hole einen G-Sonos mit Analog- und Digital-Upgrade aus meiner Werkstatt. Und ich mach's kurz: Der spielt den Arcam in jeder Disziplin an die Wand.
Sorry, Leute, ich habe mich da jetzt ein bisschen reingesteigert, aber Swen wollte, wenn ich ihn richtig verstanden habe, keine literarische Weichzeichnung meiner Eindrücke, sondern eine ehrliche Einschätzung. Er hatte mir berichtet, dass er eh meist analog hört, weil ihm das besser gefällt. Das verstehe ich - es könnte am DAC liegen. Vielleicht habe ich mich ja auch deshalb ein bisschen geärgert, weil ich mir letzte Woche im Skifahren als Vorbereitung auf den Vergleich (also genauer beim Après-Ski) alte Testberichte von Audio, Stereo, Stereoplay & Co. vom D33 reingezogen habe und meine Erwartungshaltung dadurch doch recht hoch war. Man muss solche Testberichte halt immer zwischen den Zeilen lesen: Wenn da steht, dass der DAC total super toll sei und ganz besonders etwas für denjenigen, der auf das allerletzte Quäntchen Auflösung verzichten könne, dann sollte man eigentlich misstrauisch werden. Ganz erstaunlich, denn eigentlich sind die verwendeten DAC-Chips erstklassig, und in den Testberichten konnte ich auch dicke Netzteile, getrennt für Analog und Digital, erkennen. Kommt halt immer drauf an, was man aus dem Material macht. Ich schraub ihn mal auf.
Viele Grüße
Gert