Revox Plattenspieler - Renovation/Revision
Verfasst: 13.01.2019, 14:53
Hallo in die Runde der Schwarzscheibendreher
Ich möchte über die Renovation/Revision eines Revox B791 berichten und dabei auch meine Erfahrungen mit dem Umgang mit gealtertem Nextel schildern.
Ausgangslage:
Das Gerät ist ein Gerät aus einem Raucherhaushalt und wurde wohl ca. 1985 gebaut. Das Nextel war klebrig und stellenweise gelb-bräunlich verfärbt. Der Rücklauf der Tonzelle im Tonarm war unvollständig, der Servomotor drehte dabei endlos.
Zum Nextel:
1. Sämtliches Nextel wurde zunächst mehreren Waschgängen mit warmem Wasser und NikWax Techwash unterzogen, unter Verwendung eines Schwammes, eines Microfasertuchs, eines Pinsels und eines Brausekopfs. Beim ersten Waschgang ging eine eindrücklich braune Brühe weg. Nach erfolgter Trocknung klebte das Nextel nirgends mehr.
2. Danach wurde das Nextel flächen- und stellenweise mit einem Pinsel grossflächig und ausgiebig mit Brennsprit (=denaturierter Äthylalkohol) benetzt. Nach kurzer Einwirkzeit (ca. 1 Min.) wurde der Sprit mit Haushaltpapier, Microfasertuch und Schwamm wieder abgetupft. Die Prozedur wurde einmal wiederholt. Auch hier wies der erste, weggetupfte Alkohol wieder einen deutlichen, gelben Farbton auf. Bei gleicher Gelegenheit wurde an jenen Stellen, an welchen das Nextel im Lauf der Zeit glattflächig geworden war, das durch den Brennsprit aufgeweichte Nextel mit einem Pinsel wieder etwas rauh getupft. Vorsicht: Nicht mit Alkohol scheuern - sonst geht die Farbe weg. Nach dieser Alkohol-Behandlung war das Nextel bei Berührung stellenweise wieder ganz leicht haftend, aber längst nicht mehr klebrig. Deshalb hätte Waschgang gemäss Pt. 1 möglicherweise versuchsweise nochmals wiederholt werden können. Da das Nextel jedoch ohnehin irreversible Gebrauchsspuren hatte, wurde darauf verzichtet.
3. Nach der Trocknung wurde überall auf das Nextel Glycerin aufgetragen. Nach einer ca. 2-stündigen Netz- und Einwirkzeit wurden die Gehäuseteile einfach nochmals warm abgebraust und abschliessend getrocknet. Glycerin ist gleichzeitig leicht (rück-)fettend und wasserlöslich.
Das Nextel weist nun nach dieser Prozedur nach wie vor deutliche Gebrauchsspuren auf, ist aber sauber und klebt nicht mehr.
Es sei nach den gemachten Nextel-Erfahrungen nochmals die eindringliche Warnung
1. vor dem Umgang mit organischen Lösungsmitteln wiederholt. Im Netz schwirren Empfehlungen in Bezug auf Lösungmittel herum, welche ganz einfach irreführend sind.
2. vor unbedachtem Bürsten und Scheuern nachgeschoben. Ich habe zunächst in naiver Position allzu unkritisch scheuernd dem Nextel einige zusätzliche Kratzer zugefügt.
Es sei deshalb empfohlen, alle Nextel-Vorhaben zuerst an optisch nicht relevanten Stellen auszuprobieren.
Zum Innenleben:
Die Elektronik ist übersichtlich und servicefreundlich angeordnet.
Beim Ausbau des Trafos entdeckte ich die Möglichkeit, unterschiedliche Eingangsspannungen zu verschalten. 1985 waren sicherlich noch 220V am Netz, aktuell habe ich 235V gemessen. Deshalb wurde der Trafo entsprechend umgelötet.
Zum defekten Tonzellen-Transport:
Wie eingangs erwähnt, war der Rücklauf der Tonzelle im Tonarm unvollständig. Der Servomotor drehte dabei endlos, da die Friktion zwischen Antriebsrad und Saite nicht gross genug war, die Kraft zu überwinden, um das Abschaltrelais auszulösen.
In der Service-Anleidung wird in diesem Fall eine Reinigung der Antriebssaite und beider Umlenkspulen mittels Aceton empfohlen. Dies erbrachte jedoch bloss einen Teilerfolg. Erst eine Verkürzung der Saite um einige Millimeter führte zum Erfolg. Original scheint der Clip aus Bronce zu bestehen, was beim Versuch, diesen zu verformen, zum Bruch führt. Statt eines neuen Clips verdrillte ich die Saite leicht und sicherte mit einem Mantel aus Nähfaden und Sekundenkleber.
Bestückt ist der Tonarm übrigens mit einer Shure Tracer, d.h. offenbar einer für Revox modifizierten M97-Tonzelle. Auch die Nadel der Tonzelle war reichtlich vertaubt und konnte unter dem Stereomikroskop gereinigt werden.
Referenzen:
https://www.vinylengine.com/library/revox.shtml (Serviceanleitung zum Download)
https://www.youtube.com/watch?v=xWq-nRPlrmQ (Video einer Reparatur)
Sodeli! Das Ganze spielt nun wirklich sehr, sehr schön, und riecht erst noch nach frisch gewaschener Sportwäsche. Ich freue mich bereits auf einen frisch ersteigerten Phonovorverstärker von Cambridge Audio (Modell CP2), dessen Schaltung mich schon lange, d.h. seit dem Lesen des Buchs von D.Self, Small Signal Audio, faszinierte.
Audiofelice Grüsse
Simon
Ich möchte über die Renovation/Revision eines Revox B791 berichten und dabei auch meine Erfahrungen mit dem Umgang mit gealtertem Nextel schildern.
Ausgangslage:
Das Gerät ist ein Gerät aus einem Raucherhaushalt und wurde wohl ca. 1985 gebaut. Das Nextel war klebrig und stellenweise gelb-bräunlich verfärbt. Der Rücklauf der Tonzelle im Tonarm war unvollständig, der Servomotor drehte dabei endlos.
Zum Nextel:
1. Sämtliches Nextel wurde zunächst mehreren Waschgängen mit warmem Wasser und NikWax Techwash unterzogen, unter Verwendung eines Schwammes, eines Microfasertuchs, eines Pinsels und eines Brausekopfs. Beim ersten Waschgang ging eine eindrücklich braune Brühe weg. Nach erfolgter Trocknung klebte das Nextel nirgends mehr.
2. Danach wurde das Nextel flächen- und stellenweise mit einem Pinsel grossflächig und ausgiebig mit Brennsprit (=denaturierter Äthylalkohol) benetzt. Nach kurzer Einwirkzeit (ca. 1 Min.) wurde der Sprit mit Haushaltpapier, Microfasertuch und Schwamm wieder abgetupft. Die Prozedur wurde einmal wiederholt. Auch hier wies der erste, weggetupfte Alkohol wieder einen deutlichen, gelben Farbton auf. Bei gleicher Gelegenheit wurde an jenen Stellen, an welchen das Nextel im Lauf der Zeit glattflächig geworden war, das durch den Brennsprit aufgeweichte Nextel mit einem Pinsel wieder etwas rauh getupft. Vorsicht: Nicht mit Alkohol scheuern - sonst geht die Farbe weg. Nach dieser Alkohol-Behandlung war das Nextel bei Berührung stellenweise wieder ganz leicht haftend, aber längst nicht mehr klebrig. Deshalb hätte Waschgang gemäss Pt. 1 möglicherweise versuchsweise nochmals wiederholt werden können. Da das Nextel jedoch ohnehin irreversible Gebrauchsspuren hatte, wurde darauf verzichtet.
3. Nach der Trocknung wurde überall auf das Nextel Glycerin aufgetragen. Nach einer ca. 2-stündigen Netz- und Einwirkzeit wurden die Gehäuseteile einfach nochmals warm abgebraust und abschliessend getrocknet. Glycerin ist gleichzeitig leicht (rück-)fettend und wasserlöslich.
Das Nextel weist nun nach dieser Prozedur nach wie vor deutliche Gebrauchsspuren auf, ist aber sauber und klebt nicht mehr.
Es sei nach den gemachten Nextel-Erfahrungen nochmals die eindringliche Warnung
1. vor dem Umgang mit organischen Lösungsmitteln wiederholt. Im Netz schwirren Empfehlungen in Bezug auf Lösungmittel herum, welche ganz einfach irreführend sind.
2. vor unbedachtem Bürsten und Scheuern nachgeschoben. Ich habe zunächst in naiver Position allzu unkritisch scheuernd dem Nextel einige zusätzliche Kratzer zugefügt.
Es sei deshalb empfohlen, alle Nextel-Vorhaben zuerst an optisch nicht relevanten Stellen auszuprobieren.
Zum Innenleben:
Die Elektronik ist übersichtlich und servicefreundlich angeordnet.
Beim Ausbau des Trafos entdeckte ich die Möglichkeit, unterschiedliche Eingangsspannungen zu verschalten. 1985 waren sicherlich noch 220V am Netz, aktuell habe ich 235V gemessen. Deshalb wurde der Trafo entsprechend umgelötet.
Zum defekten Tonzellen-Transport:
Wie eingangs erwähnt, war der Rücklauf der Tonzelle im Tonarm unvollständig. Der Servomotor drehte dabei endlos, da die Friktion zwischen Antriebsrad und Saite nicht gross genug war, die Kraft zu überwinden, um das Abschaltrelais auszulösen.
In der Service-Anleidung wird in diesem Fall eine Reinigung der Antriebssaite und beider Umlenkspulen mittels Aceton empfohlen. Dies erbrachte jedoch bloss einen Teilerfolg. Erst eine Verkürzung der Saite um einige Millimeter führte zum Erfolg. Original scheint der Clip aus Bronce zu bestehen, was beim Versuch, diesen zu verformen, zum Bruch führt. Statt eines neuen Clips verdrillte ich die Saite leicht und sicherte mit einem Mantel aus Nähfaden und Sekundenkleber.
Bestückt ist der Tonarm übrigens mit einer Shure Tracer, d.h. offenbar einer für Revox modifizierten M97-Tonzelle. Auch die Nadel der Tonzelle war reichtlich vertaubt und konnte unter dem Stereomikroskop gereinigt werden.
Referenzen:
https://www.vinylengine.com/library/revox.shtml (Serviceanleitung zum Download)
https://www.youtube.com/watch?v=xWq-nRPlrmQ (Video einer Reparatur)
Sodeli! Das Ganze spielt nun wirklich sehr, sehr schön, und riecht erst noch nach frisch gewaschener Sportwäsche. Ich freue mich bereits auf einen frisch ersteigerten Phonovorverstärker von Cambridge Audio (Modell CP2), dessen Schaltung mich schon lange, d.h. seit dem Lesen des Buchs von D.Self, Small Signal Audio, faszinierte.
Audiofelice Grüsse
Simon