Liebe Teilnehmer dieses Threads,
besonders auch @Harald und @Gert,
der Übersicht halber lasse ich mich auf die Numerierung "meiner Thesen" - wie von Harald/Gert verwendet - ein und übernehme sie. Das heißt natürlich nicht, daß ich mir hier etwa "Arbeitspläne" erstellen lasse, die dann "zur Abarbeitung" für mich durchnummeriert werden, dafür bitte ich um Verständnis ...
![Wink :wink:](./images/smilies/icon_wink.gif)
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Da Auswahl und "Wertung als These" nicht von mir vorgenommen wurden - die Zusammenstellung stammte offenbar von Harald - antworte ich nur auf solche Punkte, bei denen mir eine Entgegnung bzw. Ergänzung sinnvoll und möglich erscheint:
Dies wird schrittweise in Abständen erfolgen, wie meine Zeit es zulässt. Die Diskussion hat sich inzwischen ja auch weitergedreht.
These 1: Sensorregelung anhand der Erfassung von Bewegungsgrößen einer Membran an nur einem
einzelnen Punkt der Membran setzt kolbenförmige Membranbewegung voraus.
Ich habe die "These" s.o. in der Formulierung noch etwas präzisiert. Sie ist im Grunde nun "selbstevident": Trotzdem schien es hierzu Diskussionbedarf zu geben.
Es ging dabei m.E. auch um Rezepte, welche Gert anbot, um aus seiner Sicht "quasi partialschwingungsfeie Membranen" herzustellen. Dies wiederum war m.E. eine
Themenausweitung, auf die ich mich aber ausschließlich zu Zwecken der Klarstellung - wie gewünscht - hier einlasse.
Dazu die ursprünglichen Statements:
O.Mertineit hat geschrieben:Die Regelung wirkt von der Sensorik her nur im Bereich der kolbenförmigen Membranbewegung.
Fortepianus hat geschrieben: Das ist völlig richtig.
Zunächst möchte ich nur der Klarheit halber feststellen, daß meine Aussage bisher nicht falsifiziert werden konnte.
Fortepianus hat geschrieben:
Wenn man sich tiefer damit beschäftigt, merkt man jedoch schnell, dass man durch Messungen des Sensorsignals dazu erzogen wird, sich die Membranbewegungen viel genauer anzuschauen, als man das ohne Sensor müsste.
@Gert: Du bautest hier in der Folge m.E. eine Argumentation auf, die vor allem bei Hörern ohne größeren Überblick über die Entwicklungsgeschichte der dynamischen Lautsprecherchassis - vor allem mit Konus bzw. Nawi Membranen - den Eindruck erwecken könnte, ausschließlich eine handvoll Hersteller sensorgeregelter LS (oberhalb des Tiefton ) hätte sich weltweit in der Technikhistorie des dynamischen Lautsprechers in der gebotenen fachlichen Tiefe mit der Verbesserung des Schwingungsverhaltens von Membranen befasst. Dieser Eindruck - so er denn entstünde - wäre jedoch unzutreffend und wird dem Stand der Technik auf dem Gebiet nicht gerecht.
Der Entwicklungsstand bei Membranformen und Materialien ist auch gegeben durch Entwicklungen und Produkte anderer Hersteller und die faktische Patentlage bei LS-Membranen: Die weit überwiegende Mehrheit der Entwicklungen beziehen sich dabei auf "nicht sensorgeregelte" Chassiskonzepte, was ich hier zunächst ohne Wertung feststelle.
Im Wesentlichen bietest du in Deiner Argumentation zwei "Rezepte" zur Erweiterung des Frequenzbereiches der kolbenförmigen Membranbewegung an, die den Anforderungen der Materie m.E. jedoch nur bedingt bzw. nur in Einzelaspekten gerecht werden:
a) die Verwendung einer Hartmembran mit hoher Biegesteifigkeit, mit in Relation geringer Massebelegung und hoher Ausbreitungsgeschwindigkeit von Biegewellen auf der Membran, welche die zwangsläufige Folge ist
b) das Aufbringen eine Carbonfadens am Rande der Membran in der Nähe des Übergangs zu Sicke, welcher eine Grundmode in radialer Richtung verhindern solle
Zur Vorbereitung muss ich jedoch zur verwendeten Sensorik und den zu erfassenden Bewegungsgrößen der Membran etwas schreiben:
Du befürwortest das Erfassen der Beschleunigung. Grundsätzlich ist es abgesehen von Fragen der technischen Umsetzung dazu gleichgültig, ob als Bewegungsgröße
- der Membranhub (ergibt die Beschleunigung durch 2 fache Ableitung nach der Zeit)
- die Membrangeschwindigkeit (ergibt die Beschleunigung durch 1 fache Ableitung nach der Zeit)
oder
- oder die Beschleunigung "direkt" erfasst würde
Der von Dir präferierte dynamische Sensor (Spule in Magnetfeld) liefert eine Spannung, welche der Membrangeschwindigkeit am Montagepunkt des Sensors (üblicherweise einer Sensorspule in unmittelbarer Nähe der Schwingpsule) proportional ist. Der Messpunkt liegt dann üblicherweise im Membranzentrum oder sogar auf dem Schwingspulenkörper selbst.
Du stellst selbst fest, daß eine Erhöhung Membrangeschwindigkeit im Zentrum, wie sie bei bei der hier
http://de.wikipedia.org/wiki/Partialschwingung als "01" bezeichneten Mode auftritt (es sind im Artikel nur 3 Moden in radialer Richtung illustriert) die Regelung durcheinanderbringt und selbige sich hier sogar kontraproduktiv auswirken kann:
Der induktive "Punktsensor" kann die mittlere Membrangeschwindigkeit im Partialschwingungsfall (modale Bewegung der Membran) nicht erfassen und somit auch nicht auf den erwartbaren Schalldruck schließen. Durch eine gegenüber einem Mittelwert in Relation erhöhte Membrangeschwindigkeit im Zentrum der Membran würde auf einen zu hohen Schalldruck geschlossen, da der Sensor nichts über die tatsächlich schwingende Teilflächen und deren Phasenbeziehungen untereinander "weiß".
Selbst die Ermittlung einer "mittleren Membrangeschwindigkeit", etwa über ein hypothetisches Sensorarray mit hinreichend kleinen Abständen von Messpunkten auf der Membran würde übrigens im Falle modaler Bewegung nur dann helfen, wenn man sich deutlich unterhalb der Koinzidenzfrequenz der Membran befände, wo die Biegewellen auf der Membran sich langsamer als Luftschall ausbreiten: Dann - und nur dann - könnte man von der mittleren Membrangeschwindigkeit relativ direkt auf den erwartbaren Schalldruck schließen. Mit einem Punktsensor ist im modalen Fall jedoch nichts mehr anzufangen: Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob man sich noch unterhalb der Koinzidenzfrequenz der Membran befindet oder bereits darüber.
Ein kapazitiver Sensor, der den Hub einer leitfähigen Membran prinzipiell "im Mittel" über eine flächige Gitterelektrode erfassen könnte, leidet insbesondere bei großen Hüben u.a. unter der Inhomogenität des E-Feldes: Er könnte eine zur Regelung der Membran geeignete Bewegungsgröße (hier etwa: "mittlerer Hub") zwar erfassen, jedoch spielt ihm die erreichbere Linearität bei großen Membranhüben entgegen.
Genau dieser Frequenzbereich der Membran jedoch, der
- zwar oberhalb einer technisch noch möglichen kolbenfömigen Bewegung jedoch
- unterhalb der Koinzidenzfreqenz
liegt, wurde in Untersuchungen und Produktentwicklungen von Herstellern, welche in diesem Umfeld besonders aktiv waren und teils noch sind, vom Schwingungsverhalten her optimiert:
Der "technisch naheligende " Weg, die nutzbare Bandbreite der Konus- bzw. Nawimembran eines Chassis zu erhöhen besteht darin, eine Verringerung der wirksamen Membranfläche mit zunehmender Frequenz zuzulassen, indem mehr und mehr nur noch das Zentrum schwingt, diese ansatzweise Adaption der wirksamen Membranfläche an die abzustrahlende Wellenlänge jedoch möglichst "nicht resonant" zu vollziehen.
Wichtige Arbeiten und technische Realisieringen auf diesem Gebiet finden sich u.a. seit den späten 70ern bzw. frühen 80ern durch den konsequenten Einsatz von Laserinterferometrie bei der Entwicklung des Tieftöners der Regalbox "SL6" LS durch die Firma Celestion
http://www.hifinews.co.uk/news/article/ ... ntage/9405
Auch die auf einem vergleichbaren Grundansatz beruhenden Mitteltonsysteme aus Kevlar-Gewebe des Hersteller Bowers & Wilkins verfolgen bis heute ein vergleichbares Grundkonzept.
Diese beiden bekannteren Beispiele aus einem langen Erfahrungsschatz in der Optimierung des Schwingungsverhaltens von Membranen sollen hier zunächst genügen.
Membranen nach o.g. Grundkonzept müssen
- über hinreichend Eigendämpfung verfügen
- weisen eine zum Rand hin abnehmende Steifigkeit der Membran auf
- versuchen einen reflexionsarmen Abschluss (für Biegewellen) der Membran durch die Randeinspannung zu realisieren
- legen die Koinzidenzfrequenz recht hoch, versuchen also ein moderates Verhältnis von Steifigkeit zu Massebelegung zu realisieren, u.a. damit Eigenmoden an der Abstrahlung von Schall gehindert werden.
- vermeiden potentielle Anregungsstellen für Partialschwingungen (wie sie u.a. durch lokal erhöhte Massebelegung z.B. durch Klebepunkte für Schwingspulenzuleitungen auf der Membran entstehen können) durch rigorose Detailoptimierung
Das Konzept hat den Vorteil daß
- es mit dem tendenziellen und unvermeidlichen Grundverhalten des dynamischen LS (Reduktion der Membranbewegung auf das Zentrum bei hohen Frequenzen) kompatibel ist und sich gar nicht erst an einer technisch unmöglichen partialschwingungsfreien Membran, welche etwa "groß in Relation zur Wellenlänge" sein soll, versucht.
- es einer starken Bündelung der Schallabstrahlung zu hohen Frequenzen durch Verringerung der "akustisch aktiven" Membranfläche entgegenwirkt, was u.a. die Entwicklung von 2-Wege Systemen unter Verwendung entsprechend breitbandig einsetzbarer Tief-Miteltöner erst sinnvoll erscheinen ließe.
Der Anwender einer induktiven Sensor-Regelung (zentral und punktuell auf der Membran) kann jedoch von diesem beständigen Fortschritt der in der Entwickung vor allem hochwertiger Tiefton, Tief-Mittelton und Mittelton Chassis nicht in gleicher Weise profitieren: Denn seine Regelung kann mit verstärkter Membranbewegung im Zentrum selbst dann nicht umgehen, wenn sie auf "nichtresonante" Weise gelingt s.o.. Dies gilt zumindest dann, wenn strikt "Beschleunigung" gemessen bzw. errechnet - und nachgeregelt - würde, ohne eine mögliche Reduzierung der Membranfläche zu hohen Frequenzen hin zu berücksichtigen.
Der Anwender einer derartigen induktiven Regelung (zentral und punktuell) müsste vielmehr auf Gedeih und Verderb versuchen, einen "wirklichen" Kolbenstrahler zu realisieren, was u.a. zu den oben von Gert vorgeschlagenen Rezepten führt. Das Problem: Diese Art der Regelung ist mit dem "natürlichen" Verhalten eines dynamischen LS - auch in Anbetracht moderner diesbezüglich optimierter Bauformen - inkompatibel: Es im Partialschwingungsfall einfach die falsche Sensorik für das reale Objekt.
Eine Möglichkeit wäre daher, die Regelung nur im Frequenzbereich streng kolbenförmiger Membranbewegung einzusetzen und bei höheren Frequnezen darauf zu verzichen: Eine Minderung des Klirrs bei den "hubintensiven" tiefen Frequnezen, wo sich vorhandene Nichtlinearitäten von Antrieb und Aufhängung besonders deutlich auswirken, könnte mit dieser Strategie immer noch erreicht werden.
Die o.g. Regelungsstrategie führt in der Konsequenz tendenziell zu Mehrwegesystemen (ab 3 Wege aufwärts, obgleich der menschliche Hörfrequenzbereich selbst mit 3 Wegen zumindest mit Einzelmembranen für jeden Frequnenzbereich kaum mit partialschwingungsfreien Membranen abzudecken ist, sobald realistische Anforderungen an die Dynamik bestehen) mit Hartmembranen, wie man sie u.a. in den frühen B&M Modellen sehen kann. Man ist nun bestrebt, Membranen nur im Bereich streng kolbenförmiger Bewegung einzusetzen und benötigt daher mehr Wege, um die zwangsläufig vorhandenen Bereiche modaler Membranbewegung (Partialschwingungen) zu umgehen.
Dabei ist jedoch ein Grundzusammenhang zu beachten: Eine Hartmembran - deren Material "leicht" , "hart" und "sehr biegesteif" ist - verfügt zwangsläufig über weniger Eigendämpfung und muss für die Steifigkeit in dreierlei Hinsicht bezahlen:
- Die Partialschwingungen oberhalb des kolbenförmigen Bewegungsbereichs haben tendenziell höhere Resonanzgüten als wenn eine "weichere" Membranausführung gewählt wird (die Eigenmoden werden also tendenziell "schärfer" ausgeprägt bei einer Hartmembran)
- Die Partialschwingungen oberhalb des kolbenförmigen Bewegungsbereichs führen aufgrund schellerer Ausbreitung von Biegewellen zu einer stärkeren Schallabstrahlung der Membranresonanzen, weil die Koinzidenzfrequenzen in verschiedenen Ausbreitungsrichtungen von Biegewellen auf der Membran niedriger liegen, als bei einer "weicheren" Membran vergleichbarer Masse.
- beide vorgenannten Effekte verstärken sich gegenseitig in in Ihrer ungünstigen Auswirkung auf den Amplitudenfrequenzgang und das Einschwingverhalten der Membran oberhalb des Frequenzbereiches rein kolbenförmiger Bewegung
Dafür kann bei der (prototypischen) Hartmembran die "rein kolbenförmige" Membranbewegung etwas zu höheren Frequenzen ausgedehnt werden, je nach Steifigkeit der Struktur: Wunder gibt es hier jedoch nicht. Selten kann bei vergleichbarer Größe mehr als ca. eine halbe Oktave gewonnen werden.
Man kann sagen: Die "prototypische" Hartmembran kann zwar einen geringfügig weiter ausgedehnten Frequenzbereich mit annähernd kolbenförmiger Membranbewegung aufweisen, der Übergang in einen kaum nutzbaren Partialschwingungsbereich ist jedoch tendenziell abrupter und der Partialschwingungsbereich selbst ist noch weniger zu Übertragung nutzbar als dies bei Membranen aus weicheren und dämpfenderen Materialien der Fall ist.
Bei all diesen Feststellungen sollten stets "Repräsentanten" der untersch. "Membranstrategien" verglichen werden, die jeweils mit vergleichbarer Sorgfalt entwickelt bzw. modifiziert wurden:
Es gibt "gute" und "schlechte" Konstruktionen aus nahezu allen erdenklichen Materialien ...
Typische Membranen, welche das Hartmembran Prinzip in Reinform repräsentieren sind u.a. Sandwich-Membranen mit einem sehr tiefem (dicken) und leichten Wabenkern im Inneren und z.B. zwei Deckschichten.
Noch ein paar Anmerkungen zur Modifikation der Membranen von "Kaufchassis":
Ich habe selbst schon über Jahrzehnte sehr viele Chassis modifiziert und sowohl mit Versteifungen als auch mit dämpfenden Beschichtungen Einfluss auf den Partialschwingungsbereich von Membranen genommen.
Es ist hier durchaus einiges möglich, aber mann kann den Partialschwingungsbereich nicht umgehen:
Letztlich handelt es sich um "Modenkosmetik": Man kann eine bestimmte Auffälligkeit der Membran, gerade wenn sie am Rande des bevorzugt nutzbaren Frequenzbereichs liegt, sicherlich etwas abmildern. Man bezahlt dann aber in der Regel bei einer anderen (meist) höheren Frequenz dafür, insbesondere wenn man Maßnahmen rein zur Versteifung einsetzt.
Nochmal @Gert: Der von Dir eingesetzte "Carbonfaden" am Membranrand könne z.B. durchaus auch in der Weise gewirkt haben, daß ein minimaler Massezuwachs durch Faden und Verklebung am Membranrand hier zu einem "reflexionsärmeren" Abschluss hinsichtlich einer "Glockenmode" niedriger Ordnung geführt hat.
Eine Wirkung - wie Du sie bezüglich einer best. Mode festgestellt hast, was ich Dir auch glaube - durch Erhöhung der Biegestefigkeit an sich halte ich hier persönlich für unwahrscheinlich, denn diese müsste bei der genannten Glockenmode eher in radialer Richtung erfolgen. Das ist aber Spekulation und letztlich auch unerheblich: "Wer heilt hat Recht."
Man kann jedch aus Deiner Maßnahme keine allgemein gültige Regel aufbauen wie: "Klebe einen Carbonfaden auf den Membranrand und Du verhinderst bestimmte Eigenmoden."
Es war eine "idiosynkratische" Maßnahme zur "Modenkosmetik" an einer ganz konkreten Membran. Die gleiche Maßnahme kann an einer anderen Membran den gegenteiligen Effekt haben, nämlich die Glockenmode zu verstärken und sogar zu niedrigeren Frequenzen zu "verlegen".
Viele Grüße aus Reinheim
Oliver Mertineit