Bevor ich mich eingehender mit dieser Frage auseinander setze, muss ich folgendes vorausschicken:
1. Das was ich gehört habe und im Folgenden zu beschreiben versuche entspringt einer 1-tägigen Hör-Erfahrung. Es ist somit lediglich ein akustischer Eindruck, den ich wiedergebe.
2. Dieser Eindruck vollzog sich unter für mich relativ fremden Hörbedingungen, was Raum und vorgeschaltete Elektronik betrifft.
3. Ich beschreibe im Folgenden nicht den jeweiligen Lautsprecherklang, sondern nur das Ergebnis einer anderen, als mir gewohnten Lautsprecheraufstellung.
4. Wie immer, wenn ich mich hier äußere, weise ich darauf hin, dass alle meine Aussagen subjektiv und auf andere Szenarien nicht übertragbar sind.
Donnerstag, 14.Oktober 2010. Ich bin einmal wieder bei Claus Bücher in Taunusstein. Einer der Gründe für meinen Besuch besteht darin, dass ich dort die von ihm aufgebaute "trinaurale" Kette hören möchte.
Trinaural ist der Name des Prozessors, den ein Herr Bongiorno gebaut und der von Claus Bücher eingesetzt wird. Gemeint ist, dass es mittels dieses Prozessors ermöglicht wird, einen dritten Lautsprecher mit einem vorhandenen Stereosignal zu versorgen. Was dieser Prozessor nun mischt und in welchem Anteil dieses den nach geschalteten Lautsprechern zu gute kommt, weiß ich nicht, will ich eigentlich auch nicht wissen. Wer mein Verhältnis zur Technik kennt ...
(ja, ich kann ein Schreibprogramm auf einem PC bedienen, ja, ich schaffe es jeden Tag, meine Anlage einzuschalten, ohne etwas dabei kaputt zu machen. Aber, Leute: mehr liegt bei mir einfach nicht drin
). Claus Bücher hat mir ein Schaltbild angeboten um dieses intellektuelle Defizit auszugleichen, ich habe dankend verzichtet. Mich interessiert eigentlich nur die Frage: Wie klingt es? Was passiert sonst noch in Richtung Psychoakustik?
Eine kleine trinaurale Anlage, bestehend aus drei MO2 Lautsprechern der Firma ME Geithain, steht in einem kleinen quadratischen Raum (16m2), der überhaupt nicht akustisch behandelt ist. Musikspender ist ein Naim Unity. Die aktiven kleinen Lautsprecher sind 2-Wege- Baßreflexboxen mit jeweils 160 W Verstärkerleistung. Es klingt dort tonal etwas hell, aber der Effekt, der sich bei trinauraler Verbindung einstellt, und den ich nachstehend beschreibe, kann ich bereits auch dort hören.
Im ehemaligen Kinoraum (ca. 30 m2 groß), steht eine weitere trinaurale Kette, bestehend aus zwei Geithain-Modellen aus der 940er Serie und einer mittig platzierten 933K (ebenfalls ME Geithain). Angesteuert wird das Trio über Musik vom Naim HDX Festplattenspieler, vor-verstärkt wird das Signal von einem Einstein Vorverstärker. Später spielt Claus noch ein Band (Kopie vom Masterband) mit dem Mitschnitt einer Generalprobe der Aufführung des Feuervogels von I. Strawinsky aus dem Jahre 1959 ein. Junge, Junge ...
Wie klingt nun dieses "neue" Arrangement? Tja, was mir besonders auffällt, ist, dass die Abbildungsstabilität ausgesprochen hoch ist. Ich gehe in einem Meter Entfernung an den drei Lautsprechern vorbei und nehme die Musiker dabei nicht mit, wie ich es von Stereoarrangements her kenne, wenn ich mich aus dem sweetspot zur Seite hin entferne. Nein, die Musiker bleiben brav an ihrem Platz. Insofern ist trinaural nach meiner Meinung auch für ein größeres Auditorium – i.S. von mehreren nebeneinander sitzenden Menschen - gut geeignet um die Bühne weiterhin glaubhaft zu vermitteln. Meine Kleiber-Fledermaus Bühne habe ich so noch nie wahrgenommen. Und das meine ich ausdrücklich positiv.
Aber: nichts geht über das eigene Hören. Wenn ihr die Gelegenheit habt, würde ich nachdrücklich empfehlen, einmal bei Claus vorbei zu fahren um euch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Ich halte trinaural für eine gute Möglichkeit, wenn man vom sweetspot-Hören wegkommen möchte (aber auch ohne diesen Aspekt klingt trinaural aus dem sweetspot heraus gehört schon unerhört plastisch).
Ich habe den Eindruck, als wenn die von Claus in seinem 30m2-Raum aufgebaute LS-Kette energetisch für diesen Raum völlig ausreicht, zumal er die vorhandenen Lautsprecher noch um einen Subwoofer ergänzt hat. Für eine trinaurale Kombination mit z.B. drei 901ern der ME Geithain benötigte man wohl einen erheblich größeren Raum, ich vermute einmal, mindestens 40-50 m2 groß. Und um drei 802K zu stellen, wäre wohl ein kleiner Saal erforderlich, damit noch Luft zum Atmen bleibt.
Trinaural ist durch die in einem Viertelkreis aufgebauten Lautsprecher nicht sonderlich Platz sparend - eher trifft das Gegenteil zu. Durch die Mittenplatzierung des dritten Lautsprechers könnten die üblicherweise dort befindlichen Racks und Großbildfernseher im Wege stehen
Enthusiasten, die auf trinaurales Hören trotzdem nicht verzichten wollen, stellen den dritten Lautsprecher auf Rollen und schieben ihn dann zum Hören auf den vorgesehenen Platz - Akustik-Jogging
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Trinaural ist zudem erst einmal ein Stück aufwendiger, weil ein dritter Lautsprecher benötigt wird. Nicht zu vergessen ist der zusätzlich erforderliche Prozessor (1.850 €).
Eine Einsparung könnte dadurch erzielt werden, dass die Lautsprecher etwas kleiner (und dadurch auch preiswerter) gewählt werden können, als es der Stereobetrieb erfordert, da die energetische Fülle eines 3-Lautsprecher-Systems das eines Systems, bestehend aus zwei Lautsprechern, deutlich übertrifft.
Trinaural ist im Übrigen keine Angelegenheit nur für aktiv-Hörer, auch im Passivbetrieb ist trinaurales hören möglich. Was zu beweisen ist:
Im Dezember, so sagt mir Claus, möchte er trinaural auch passiv vorführen (unter Zuhilfenahme eines aktiven Subwoofers).
Ach ja, meine Eingangsfrage möchte ich natürlich auch noch beantworten:
Wer nach einem Weg sucht, extrem abbildungsstabil zu hören, wer gerne auf so etwas wie einen sweet-spot verzichtet, wer Neuem (???) gegenüber aufgeschlossen ist und die räumlichen Voraussetzungen dafür mitbringt, für den kann trinaurales Hören ein Schritt zur weiteren Steigerung der persönlichen Zufriedenheit sein.
Aber bitte dabei die Musik nicht vergessen ...
Hans