Hallo Daniel,
danke für die Infos. Du hattest ja hier bereits eine Nahfeldmessung im Tiefton (aus 10cm Abstand) gespostet:
OK, dann erzähle ich (für später ...) mal mein Grobkonzept, wie ich mir eine Weiche vorstellen könnte. Ich persönlich denke das immer zuerst vom Rundstrahlverhalten her, falls das noch möglich ist, denn diese Box ist ja "historisch" entstanden und nicht unbedingt durch ein explizites Konzept bezüglich Rundstrahlverhalten ...
Trotzdem kann man evt. noch was draus machen ... ich versuch's anschaulich zu machen:
Wenn man nur den Tieftöner betrachtet, ist Dein LS unterhalb 100Hz noch annähernd ein "Rundumstrahler" und oberhalb ca. 300Hz wird er vom Bündelungsmaß annähernd ein "Halbraumstrahler". Das "gehört so" bzw. "kann gar nicht anders sein" bei einer "üblichen Kiste".
Dazwischen liegt der sog. "Baffle Step", bei dem sich der (Freifeld-) Schalldruck auf Achse in etwa verdoppeln würde. Diese "Stufe im Frequenzgang" ist auch bei Deinen Messungen mit Mikrofonabständen >0,5m ansatzweise gut zu erkennen.
Der LS strahlt nicht mehr "rundum", dafür liefert er >300Hz rund doppelten Schalldruck also +6dB.
Dieser "Bafflestep" (Stufe im Frequenzgang wg. Bündelung durch Schallwand und Treiberabmessungen) könnte man bei einem üblichen 2-Wege System (mit hoher Übernahmefrequenz z.B. >1,5Khz) mit einer "Baffle Step Compensation" also einem Filter ausgleichen, der genau eine -6dB Stufe "abwärts" macht, um damit den "Baffle Step" (+6dB aufwärts im oberen Bass/unteren Mittelton) auszugleichen.
Solche stufenförmigen Filter nennt man auch "Shelving Filter" oder "Kuschwanzfilter".
https://de.wikipedia.org/wiki/Kuhschwanzfilter
Mein Ansatz für ein einfaches Filter wäre hier jedoch (exaktere Kompensationen für die "Unarten" der Treiber, "Zeitrichtigkeit" usw. sind alles Themen und Verfeinerungen, die man später noch einbringen kann ...), die Kompensation des "Bafflestep" - zumindest teilweise und angenähert - mit einem gewöhnlichen Tiefpass zu erledigen, der allerdings elektrisch eine merklich tiefere Grenzfrequenz haben wird, als man akustisch eigentlich haben will.
Der vorhandene und unumgängliche Bafflestep schiebt also die akustische Grenzfrequenz eines "gewöhnlichen" (aber passenden) Tiefpassfilters einfach nach oben und dadurch würde der Bafflestep hier annähernd kompensiert: Das klingt m.E. einfach, oder ?
D.h. der Tieftöner arbeitet noch bis in den Frequenzbereich, wo der LS sich vom "Rundumstrahler" annähernd zum "Halbraumstrahler" umgeformt (Bündelungsmaß ca. 3dB) hat und genau dann ist auch "Schluss", denn eine noch weitergehende Bündelung wollen wir nicht:
Der Breitbänder wird jetzt übernehmen und aufgrund der Schallwandwirkung ein vergleichbares Bündelungsmaß zum Tieftöner aufweisen: Das ist bei ca. 300-360Hz annähernd noch der Fall, viel weiter oben wäre das nicht mehr so, ...
Gleichzeitig sind ca. 300Hz eine untere Grenzfrequenz für den Breitbänder, die mit dem faktischen Einbauzustand noch gut abzudecken ist: Viel tiefer geht es ohnehin nicht aufgrund des Hochpasses 2ter Ordnung (ca. 12dB/Oktave) der durch den Breitbänder, sein Gehäuse und die (nachlassende-) Schallwandwirkung bereits aufgebaut wird: Dieses existente Hochpassfilter wird ins Konzept integriert, so daß nur noch ein Hochpass 1.Ordnung angewendet wird. Auch der im Eigenresonanzbereich (um ca. 140Hz) erwartbar ansteigende Klirr des Breitbänders wird damit unter Kontrolle gehalten.
Die Grobstruktur (als Start) könnte m.E. so aussehen:
- effektive akustische Übernahmefrequenz ca. 300 ... 360Hz
- Filter 1. Ordnung (-6dB/Oktave) als Hochpass für den Breitbänder
- Tiefpass 2. Ordnung für den Tieftöner, allerdings mit Grenzfrequenz min. 1/2 Oktave unterhalb der geplanten Übernahmefrequenz, um eine Bafflestep Kompensation zu erreichen
Ziel wäre es, die effektiven akustischen Filter im Übernahmebereich etwa wie eine "gewöhnliche"
symmetrische Hochpass/Tiefpass Konfiguration 2ter Ordnung
aussehen zu lassen, und zwar als Filter für konstanten Schalldruck im Übernahmebereich auf Achse (-6dB Schalldruck für beide Treiber an der Übernahmefrequenz). Natürlich sind auch die Pegel der Treiber geeignet anzupassen.
Auch größere Flankensteilheiten wären denkbar, aber erstmal muss ja auch ein "Vehikel" für die Weiche her ... ich nehme wohl an, es wird auf eine digitale Lösung hinauslaufen ?
Die einfache Version eines "geprüften Entwurfs" s.o. könnte sogar "passiv/analog" als PLLXO (Line Level Filter) implementiert werden. Allerdings wird die Datenlage wohl keine vollständige Simulation hergeben ...
Ich werde es jedoch an dieser Stelle bei "Vorab Ideen" bewenden lassen und diese gern zur Diskussion stellen, Arbeit ruft ...
Viele Grüße
Oliver