Verfasst: 14.11.2011, 22:22
Hallo liebe Jitter-Experten,
Meine Nachrichtentechnikvorlesungen sind schon eine Weile zurück. Trotzdem versuche ich mal, meinen Senf zum Thema abzugeben.
Ich habe ein paar Artikel zum Thema Jitter gelesen, aber die finde ich derzeit in den Weiten des WWW nicht mehr. Deswegen meine Überlegung mit meinen Worten.
Eine Bitte vorab: prüft alle meine Überlegungen und Rechnungen nach, ich kann auch ganz falsch liegen.
Zunächst möchte ich noch mal die allen hier im Forum bekannten Grundlagen für meine Betrachtung auflisten. Ich hoffe, ich langweile nicht zu sehr. Ich beziehe mich später auf einzelne Punkte, deswegen schreibe ich sie auf.
1. Die Überlagerung von verschiedenen Sinusschwingungen ergibt wieder eine Sinusschwingung. Das gilt auch, wenn sich Sinusschwingungen mit verschiedener Frequenz und verschiedener Phase überlagern.
2. Das Abtasttheorem besagt, dass ich Sinusschwingungen bis zur Hälfte der Abtastfrequenz bei idealen (theoretischen) Voraussetzungen (u.a. perfekter Tiefpass) wieder exakt reproduzieren kann. D.h. bei einer Abtastfrequenz von 44.1 KHz kann ich (theoretisch) bis 22.05 KHz exakt wiedergeben. Dies gilt aber nur, wenn ich die Abtastwerte mit absoluter Genauigkeit speichere.
3. Bei der Abtastung erhalte ich einen Fehler durch die begrenzte Anzahl von Stufen (Quantisierung) für diese Werte. Bei der CD habe ich 16 bit zur Codierung der Abtastwerte zur Verfügung, das ergibt 2^16 = 65536 Stufen. Damit erhalte ich einen Signal/Quantisierungs-Rauschabstand von 20 * log (2^16) dB = 96,3 dB.
Nun zum Jitter. Ich betrachte jetzt hier zur Veranschaulichung den Jitter am Fall der Analog/Digital-Wandlung. Wegen obigem Punkt 1 betrachte ich hier nur eine Sinusfunktion f(x).
Jitter um j bedeutet hier, dass der Abtastzeitpunkt nicht zum Soll-Zeitpunkt t erfolgt, sondern zum Zeitpunkt t + j. Zum Zeitpunkt t+j hat die Sinusfunktion einen anderen Wert als zum Zeitpunkt t. (Sonderfälle, wie j=0, oder Vielfache der Wellenlänge mal außen vor gelassen). Ein Fehler durch Jitter entsteht aber erst, wenn f(t+j) sich soweit von f(t) unterscheidet, dass ich in einer anderen Quantisierungstufe lande!
A.) Wie hoch muss denn j sein, damit im Mittel eine Fehler um eine Quantisierungstufe ensteht?
Unter ein paar Annahmen kann man dies ausrechnen:
Der Fehler ist um so größer, je schneller sich der Funktionswert f ändert. D.h. wegen obigem Punkt 2 habe ich maximalen Fehler bei maximaler Frequenz, d.h. bei der halben Abtastfrequenzt fs/2. Bei einer Sinusschwingung habe ich die maximale Steigung beim Nulldurchgang. Hier kann ich sin(x) = x annehmen. Mit diesen beiden Worst Case Annahmen kann ich den Jitter j ausrechnen, der mindestens benötigt wird, um im Mittel genau einen Fehler um eine Quantisierungstufe zu erzeugen.
Nehmen wir die CD als Beispiel. Ich habe fs/2 = 22.05 Khz. Ich habe 2^16 Stufen. D.h. es muss gelten (mit w = 2* Pi * f)
sin(2*Pi*22.05KHz*(t+j)) - sin(2*Pi*22.05KHz * t) = 1 / 2^16
Mit Annahme sin (x) = x und Auflösung nach j habe ich dann
j = (1 / 2^16) / (2 * Pi * 22.05 KHz) = 1.10 * 10^(-10) = 110 ps
D.h. bei worst case Betrachtung benötige ich diesen Mindest-Jitter für einen mittleren Fehler bei 22.05KHz um eine Quantisierungstufe. D.h. ich habe eine (sehr kleine) nichtlineare Verzerrung. In dB ausgedrückt beträgt diese nichtlineare Verzerrung 20* log ((2^16)/(2^16-1) = 0,0001 dB.
B) Wie ändert sich denn der Quantisierungsfehler bei höherem Jitter?
Nach obiger Rechnung ist der Quantisierungsfehler linear mit dem Jitter.
D.h. doppelter Jitter = doppelter Quantisierungsfehler
Bei 220ps habe ich bei 22.050 KHz einen Fehler von 2 Quantisisierungstufen
Bei 440 ps von 4 usw.
C) Wie hoch muss der Jitter denn bei hörbaren Frequenzen sein?
Wenn man andere Frequenzen in die obige Formel einsetzt erhält man als Mindestjitter für einen Fehler um eine Quantisierungstufe:
22 KHz: 110 ps
20 KHz: 121 ps
10 KHz: 243 ps
1 KHz: 2,43 ns
100 Hz: 24,3 ns
D.h. der Jitter ist hauptsächlich ein Problem für die hohen Frequenzen.
D) Ändert sich der Jitter, wenn ich (nur) die Samplingfrequenz erhöhe?
Ja und nein. Wenn ich eine Samplingfrequenz von 88.2 KHz bei 16bit annehme, dann habe ich als Mindestjitter für fs/2 = 44.1 KHz einen Wert von 55ps.
Bei den hörbaren Frequenzen ändert sich nichts.
E) Wie ist denn die Anfälligkeit, wenn ich statt mit 16 bit nun mit 24 bit quantisiere?
Dann habe ich schon bei kleinerem Jitter einen Quantisierungsfehler, allerdings ist dieser durch die feinere Stufung auch deutlich kleiner.
F) Was sollte denn Jitter nun zu hören sein?
Nach meiner Interpretation des obigen, ist Jitter de facto nur ein Problem der hohen Frequenzen. Bei hohem Jitter habe ich nichtlineare Verzerrung der hohen Frequenzen. Kandidaten zum Raushören wären z.B. Becken eines Schlagzeugs, Obertöne von Musikinstrumenten oder S-Laute in Stimmen. Typische Wahrnehmung von nichtlinearen Verzerrungen ist eine „Rauhigkeit“. Da nach meinen Überlegungen der Jitter in beiden Kanälen gleich vorkommt und nichts an der Kanaltrennung ändert, sollte er keinen Einfluß auf die räumliche Abbildung haben (Allerdings: Bei Audio/Hifi weiß man nie
).
In der Audiopresse liest man bei Gerätetests von Jitter von wenigen ps bis zu 1-2 ns. Ich habe es noch nie gesehen, dass angegeben wurde, wie der Jitter gemessen wurde (Mittlerer?, peak-to-peak?).
Wenn ich bedenke, dass im CD Fall bei einem angenommenen mittleren Jitter von 1 ns ein Quantisierungsfehler bei 10 KHz von nur 4 Stufen auftritt, und bei niedrigen Frequenzen noch viel weniger Fehler da ist, frage ich mich wie gut dies hörbar ist. Die Verzerrungen von Lautsprechern oder Kopfhörern sind jedenfalls um Größenordnungen höher.
Und nun Feuer frei![Cool 8)](./images/smilies/icon_cool.gif)
ubloecher
Meine Nachrichtentechnikvorlesungen sind schon eine Weile zurück. Trotzdem versuche ich mal, meinen Senf zum Thema abzugeben.
Ich habe ein paar Artikel zum Thema Jitter gelesen, aber die finde ich derzeit in den Weiten des WWW nicht mehr. Deswegen meine Überlegung mit meinen Worten.
Eine Bitte vorab: prüft alle meine Überlegungen und Rechnungen nach, ich kann auch ganz falsch liegen.
Zunächst möchte ich noch mal die allen hier im Forum bekannten Grundlagen für meine Betrachtung auflisten. Ich hoffe, ich langweile nicht zu sehr. Ich beziehe mich später auf einzelne Punkte, deswegen schreibe ich sie auf.
1. Die Überlagerung von verschiedenen Sinusschwingungen ergibt wieder eine Sinusschwingung. Das gilt auch, wenn sich Sinusschwingungen mit verschiedener Frequenz und verschiedener Phase überlagern.
2. Das Abtasttheorem besagt, dass ich Sinusschwingungen bis zur Hälfte der Abtastfrequenz bei idealen (theoretischen) Voraussetzungen (u.a. perfekter Tiefpass) wieder exakt reproduzieren kann. D.h. bei einer Abtastfrequenz von 44.1 KHz kann ich (theoretisch) bis 22.05 KHz exakt wiedergeben. Dies gilt aber nur, wenn ich die Abtastwerte mit absoluter Genauigkeit speichere.
3. Bei der Abtastung erhalte ich einen Fehler durch die begrenzte Anzahl von Stufen (Quantisierung) für diese Werte. Bei der CD habe ich 16 bit zur Codierung der Abtastwerte zur Verfügung, das ergibt 2^16 = 65536 Stufen. Damit erhalte ich einen Signal/Quantisierungs-Rauschabstand von 20 * log (2^16) dB = 96,3 dB.
Nun zum Jitter. Ich betrachte jetzt hier zur Veranschaulichung den Jitter am Fall der Analog/Digital-Wandlung. Wegen obigem Punkt 1 betrachte ich hier nur eine Sinusfunktion f(x).
Jitter um j bedeutet hier, dass der Abtastzeitpunkt nicht zum Soll-Zeitpunkt t erfolgt, sondern zum Zeitpunkt t + j. Zum Zeitpunkt t+j hat die Sinusfunktion einen anderen Wert als zum Zeitpunkt t. (Sonderfälle, wie j=0, oder Vielfache der Wellenlänge mal außen vor gelassen). Ein Fehler durch Jitter entsteht aber erst, wenn f(t+j) sich soweit von f(t) unterscheidet, dass ich in einer anderen Quantisierungstufe lande!
A.) Wie hoch muss denn j sein, damit im Mittel eine Fehler um eine Quantisierungstufe ensteht?
Unter ein paar Annahmen kann man dies ausrechnen:
Der Fehler ist um so größer, je schneller sich der Funktionswert f ändert. D.h. wegen obigem Punkt 2 habe ich maximalen Fehler bei maximaler Frequenz, d.h. bei der halben Abtastfrequenzt fs/2. Bei einer Sinusschwingung habe ich die maximale Steigung beim Nulldurchgang. Hier kann ich sin(x) = x annehmen. Mit diesen beiden Worst Case Annahmen kann ich den Jitter j ausrechnen, der mindestens benötigt wird, um im Mittel genau einen Fehler um eine Quantisierungstufe zu erzeugen.
Nehmen wir die CD als Beispiel. Ich habe fs/2 = 22.05 Khz. Ich habe 2^16 Stufen. D.h. es muss gelten (mit w = 2* Pi * f)
sin(2*Pi*22.05KHz*(t+j)) - sin(2*Pi*22.05KHz * t) = 1 / 2^16
Mit Annahme sin (x) = x und Auflösung nach j habe ich dann
j = (1 / 2^16) / (2 * Pi * 22.05 KHz) = 1.10 * 10^(-10) = 110 ps
D.h. bei worst case Betrachtung benötige ich diesen Mindest-Jitter für einen mittleren Fehler bei 22.05KHz um eine Quantisierungstufe. D.h. ich habe eine (sehr kleine) nichtlineare Verzerrung. In dB ausgedrückt beträgt diese nichtlineare Verzerrung 20* log ((2^16)/(2^16-1) = 0,0001 dB.
B) Wie ändert sich denn der Quantisierungsfehler bei höherem Jitter?
Nach obiger Rechnung ist der Quantisierungsfehler linear mit dem Jitter.
D.h. doppelter Jitter = doppelter Quantisierungsfehler
Bei 220ps habe ich bei 22.050 KHz einen Fehler von 2 Quantisisierungstufen
Bei 440 ps von 4 usw.
C) Wie hoch muss der Jitter denn bei hörbaren Frequenzen sein?
Wenn man andere Frequenzen in die obige Formel einsetzt erhält man als Mindestjitter für einen Fehler um eine Quantisierungstufe:
22 KHz: 110 ps
20 KHz: 121 ps
10 KHz: 243 ps
1 KHz: 2,43 ns
100 Hz: 24,3 ns
D.h. der Jitter ist hauptsächlich ein Problem für die hohen Frequenzen.
D) Ändert sich der Jitter, wenn ich (nur) die Samplingfrequenz erhöhe?
Ja und nein. Wenn ich eine Samplingfrequenz von 88.2 KHz bei 16bit annehme, dann habe ich als Mindestjitter für fs/2 = 44.1 KHz einen Wert von 55ps.
Bei den hörbaren Frequenzen ändert sich nichts.
E) Wie ist denn die Anfälligkeit, wenn ich statt mit 16 bit nun mit 24 bit quantisiere?
Dann habe ich schon bei kleinerem Jitter einen Quantisierungsfehler, allerdings ist dieser durch die feinere Stufung auch deutlich kleiner.
F) Was sollte denn Jitter nun zu hören sein?
Nach meiner Interpretation des obigen, ist Jitter de facto nur ein Problem der hohen Frequenzen. Bei hohem Jitter habe ich nichtlineare Verzerrung der hohen Frequenzen. Kandidaten zum Raushören wären z.B. Becken eines Schlagzeugs, Obertöne von Musikinstrumenten oder S-Laute in Stimmen. Typische Wahrnehmung von nichtlinearen Verzerrungen ist eine „Rauhigkeit“. Da nach meinen Überlegungen der Jitter in beiden Kanälen gleich vorkommt und nichts an der Kanaltrennung ändert, sollte er keinen Einfluß auf die räumliche Abbildung haben (Allerdings: Bei Audio/Hifi weiß man nie
![Very Happy :D](./images/smilies/icon_biggrin.gif)
In der Audiopresse liest man bei Gerätetests von Jitter von wenigen ps bis zu 1-2 ns. Ich habe es noch nie gesehen, dass angegeben wurde, wie der Jitter gemessen wurde (Mittlerer?, peak-to-peak?).
Wenn ich bedenke, dass im CD Fall bei einem angenommenen mittleren Jitter von 1 ns ein Quantisierungsfehler bei 10 KHz von nur 4 Stufen auftritt, und bei niedrigen Frequenzen noch viel weniger Fehler da ist, frage ich mich wie gut dies hörbar ist. Die Verzerrungen von Lautsprechern oder Kopfhörern sind jedenfalls um Größenordnungen höher.
Und nun Feuer frei
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ubloecher