RS.schanksaudio hat geschrieben:FUNK gibt bei seinem DX-110 XLR-Kabel 110 Ohm WW an unter Verwendung von Neutrik Stecker, ich denke der Mann weis was er tut und hat es entsprechend gemessen (ich verwende die Kabel selbst bei meinen Lautsprechern). Er weist auch Angaben zu Kapazität und Dämpfung aus, das ist doch schon mal was.
Hallo Roland,
dann weiß Funk mehr als Neutrik auf Anfrage preisgibt. Auch die von der Neutrik Webseite verfügbaren Datenblätter geben nichts her. Dabei ist das Thema Wellenwiderstand und Anpassung zur verlustfreien Übertragung von Rechtecksignalen von entscheidender Bedeutung, denn fehlangepasste Steckverbinder führen zu
Reflexionen, das reflektierte Signal wandert zur Quelle zurück und addiert sich zum neuen Signal und deformiert die Wellenform. Die für das Timing der nachfolgenden Eingangsstufe erforderliche saubere Anstiegsflanke wird dann bei der Quelle verformt und wandert deformiert durch die Leitung, je kürzer ein Kabel, um so größer diese Gefahr. Bei Fehlanpassung bestimmt das Verhältnis zwischen realem zu erforderlichem Wellenwiderstand den Grad der Reflexion.
Da bei XLR Steckverbindern Pindurchmesser und Abstände festgelegt sind, kann nur das Isoliermaterial in seiner verwendeten Vielfalt als Parameter variiert werden, um auf 110 Ohm Wellenwiderstand zu kommen. Verschiedene Kunststoffe nit individuellen relativer Permittivität führen zu unterschiedlichen Impedanzen. Es müssten also von allen Herstellern einheitliche Kunststoffe verwendet werden, um die 110 Ohm in einem engen Toleranzbereich zu erhalten. Aber auch die Neutrik Datenblätter werden wenig konkret hinsichtlich des verwendeten Materials. Sonst könnte man ja selbst nachrechnen, wenn man die relative Permittivität des Materials einer Tabelle entnimmt. Man kann googeln ohne Ende und sich dann nichtsgefunden kugeln.
WBT umgeht für SPFDIF /RCA die Problematik bei den Nextgen Steckern, indem der Massering auf einen Stift reduziert wird, bei der Buchse ist es eine Wendel. Ziel ist die Reduktion der Kapazität. Sonst kommt Z=Wurzel (L/C) nicht auf 75 Ohm sondern in den Bereich unter
45 Ohm, weil die Kapazität zu groß und die Induktivität zu klein ist.
Man kann nun beide zu verbindende Geräte auf Nextgen Buchsen umrüsten, das verbessert die Situation etwas. Dann noch 75 Ohm Stecker verwenden, am besten den darauf abgestimmten Nextgen 0110 mit der großen Bandbreite, nicht den Nextgen 0114 mit dem elektrisch verbundem Messing Griffstück, der hat eine reduzierte Bandbreite, die früher mit 10MHz angegeben war, unzureichend für gute SPDIF Übertragung. Der Eichmann Bullet war als Stecker zuerst da, auch er hat extrem geringe Kapazität, muss aber bei der Nextgen Buchse sehr präzise positioniert werden, weil er nur an einem Punkt die Masse konnektiert, Nextgen hat dagegen einen Kontaktstreifen. Im selben Maße, wie der Bullet-Stecker zu seiner Zeit revolutionäres Gedankengut einbrachte, ist die passende Buchse gewöhnlich und scheint für Digital /SPDIF weniger geeignet.
Traditionell ignorieren Hersteller die Problematik bei XLR, fertigen Digitalkabel mit Steckern der Marktführer, liefern Kabel mit fehlangepassten RCA Steckern oder mit angepassten Steckern, die an den Buchsen scheitern (nicht Problem des Kabelherstellers).
Bei AES/EBU Kabeln ist dieses Problem schon gar nicht von der Hand zu weisen, am Anfang ist die Kupplung, die beim Quellgerät mit Einbaustecker konnektiert, am Ende ist der Stecker der in die Einbaubuchse gesteckt wird. Am Kabel ist also sowohl eine Kupplung mit massivem Kunststoffeinsatz als auch ein Stecker mit einer erheblich geringeren Pinträgerstärke. Wenn ich dann auf dem Osziloskop sehe, wie die Reflexion auf zu kurzen Kabeln (ja, es gibt Hersteller, die bieten teure, 50cm kurze, aus meiner Sicht eigentlich unbrauchbare Digitalkabel an) die Flanken verschlechtert und die Höhen angestrengt klingen, habe ich damit einen Zusammenhang zwischen Messung und Klang gefunden.
RS.schanksaudio hat geschrieben:... daher versuche ich ersatzweise den kausalen Zusammenhang zwischen Machart des Kabels und dem Ergebnis zu verstehen.
Das möchte ich auch.
Wer nur an das Kabel denkt, ohne die vollständige Steckverbindung zu betrachten, muss seine Ergebnisse relativieren, unter Nennung der verbundenen Geräte. Andere Geräte mit anderen Buchsen liefern andere Kabelergebnisse. Die Umrüstung auf geeignete Buchsen ist häufig lohnender (vorsichtige Untertreibung) als die Suche nach dem "noch optimaleren" Kabel, weil die meisten guten Kabel nur gewissermaßen suboptimal angeschlossen werden können. Besonders geeignet sind Geräte mit mehreren Eingängen und Ausgängen, wo der schnelle Vergleich zur Originalbuchse möglich ist.
Auch gibt es unter Digitalkabeln Richtungsunterschiede, d.h., eine Laufrichtung klingt etwas besser als die andere. Ein messtechnischer Nachweis eines Unterschiedes ist zu dieser Beobachtung seit Beginn der 1990 er Jahre bekannt. Bei AES/EBU mit den XLR-Steckern ist man schon festgelegt. Und Einspielvorgänge sind auch noch da, aber beide nicht so ausgeprägt wie die Unterschiede zwischen den Kabeln sein können.
Eine gute BNC-Verbindung ist auch was wert, technisch war sie lange die einzige mit definiertem Wellenwiderstand, irgendwelche RCA/Cinchbuchsen sind es nicht, genausowenig die XLRs, sonst würden die Hersteller der Stecker sich nicht scheuen, die impedanz zu nennen. Für HF-orientierte Anwendung empfiehlt Neutrik übrigens geschirmte Versionen, von denen allerdings der Wellenwiderstand genauso unbekannt bleibt wie bei den anderen. Das ist absolut unbefriedigend, bleibt aber ein interessanter Aspekt bei der Beurteilung von Kabeln. Hier allerdings nicht zielführend.
Denn wie ich eingangs schrieb, ist die Impedanzanpassung der wichtigste Part bei der einwandfreien Digitalübertragung ohne Stoßstellen, und bleibt bei genauer Betrachtung überwiegend ein Zufallsereignis, dem man entgehen kann, wenn das Kabel direkt in die Anwendung gelötet wird, unmittelbar bei der korrekten Terminierung. Wer das gute Ergebnis möchte, aber sich nicht per Lötverbindung auf das Kabel festlegen möchte, ist auf angepasste Steckverbinder angewiesen.
Die niedrige Kabelkapazität bei 53pF/m ist allein kein Qualitätsmerkmal - wenn die Kabelinduktivität (Optimum hier 0,3µH) nicht dazu passt, um den Wellenwiderstand auf den richtigen Level (75 Ohm) zu bringen. Nimmt man für Isolation Teflon statt PVC, muss dass Kabel länger ausfallen, weil die Wellenausbreitung schneller geschieht. Dafür ist die dielektische Relaxation bei Teflon (auch GoreTex) geringer. Gibt die Quelle steilere Impulsflanken ab (wie Gerts Digitalausgänge), ist die Chance groß, dass die Reflexion auch bei kürzerer Leitung erst nach vollständiger nächster Flanke eintrifft. Zur Beurteilung des Kabels muss man also auch die Signalqualität der Quelle kennen.
Bei Quellen mit Ausgangsübertragern ist prinzipiell die Leitung galvanisch getrennt, und um dem Schirm einen Massebezug zu geben, ist meist ein Kondensator vom Gehäuse nach Buchsenmasse geschaltet. So koppelt sich der Massestörnebel durch ... Das Ausphasen spielt dafür eine Rolle, auch ob auf der Empfängerseite das Kabel mit Schirm auf Masse liegt. Dann könnte man auf den Kondensator in der Quelle zur Masse verzichten und von der galvanischen Trennung des Übertragers profitieren.
Wegen dieser Vielfalt der Hardwarekomponennten gibt es so viele verschiedene Meinungen zum Thema Digitalkabel und die Erkenntnis, dass die Unterschiede nicht immer in identischer Form nachvollzogen werden können müssen. Und hier gab es schon ähnliche Threads zum Thema, wie eine Forumssuche zeigt. In einem schlug Uli vor, die Anpassung des Kabels wie bei einem Oszilloskop vorzunehmen.
Wer 2 Kabel vergleicht, hat die Möglichkeit, den relativen Unterschied zu bemerken. Das mag nicht
objektiv sein, heißt aber auch nicht zwangsläufig, dass es dann nur noch
subjektiv sein kann. Da man vergleicht, ist es gewiss
relativ. Und unter Einbeziehung des persönlichen Geschmacks, Bedarfs, Schnittstellen-Harmonie etc. findet man das bessere in dem Produkt, was einem besser gefällt.
Beim Bergriff "subjektiv" fühlt man ja schon förmlich den schwarzen Peter im eigenen Nacken, so negativ belegt ist er. Ich durchbreche das
subjektiv -
objektiv -Dilemma, indem ich den Begriff
relativ einführe. Man muss sich trauen, seinen eigenen Ohren trauen, schließlich hört man Musik mit diesen eigenen, nicht mit denen der anderen.
Grüße Hans-Martin