Hallo Christian,
eine Messung am ausgeschalteten Gerät ist aus vielen Gründen witzlos.
Wenn im eingeschalteten Zustand ein anderes Ergebnis herauskommt, ist das vom ausgeschalteten Zustand irrelevant, weil es nicht dem Zustand einspricht, wie man das Gerät tatsächlich benutzt. Das Argument mag rhetorisch wirken, ist aber sehr pragmatisch.
Bei den meisten Geräten sind die Netzschalter einpolig, oft überbrückt von einem Kondensator mit Widerstand zum Lichtbogenlöschen beim Schaltvorgang. Ob der Hersteller das Thema Netzphase ernstnimmt oder nicht, mag entscheiden, in welcher Zuleitung (Phase oder Null) der Schalter platziert ist.
1. Unterbricht man den Nullleiter, misst man einen recht hohen Wert (Wechselspannung zwischen Gehäuse und Schutzerde) im ausgeschalteten Zustand, der beim Einschalten deutlich geringer wird.
2. Liegt der Schalter in der Phaseleitung, geht der im eingeschalteten Zustand gemessene Wert beim Ausschalten (weitghend) gen Null.
Im eingeschalteten Zustand spielt die Lage des Schalters keine Rolle, erst jetzt könnte man messen, worin der eigentliche Unterschied liegt, wenn der Netzstecker umgedreht wird. Wenn das Oehlbach-Gerät sich den Unterschied zwischen 1. und 2. zunutze macht, könnte es bei 2-poligen Netzschaltern (geöffnet) eventuell versagen. Relevant ist eigentlich nur der eingeschaltete Zustand.
Tückisch sind Geräte, deren einpolige Netzschalter im Nullleiter liegen, weil sie im ausgeschalteten Zustand bei bestehender Audio-Kabelverbindung den Störpegel auf der Audiomasse erhöhen. Das ist hörbar oder kann es zumindest sein. Der passive Vorverstärker
The Passion nimmt darauf besonders Rücksicht, indem er auch die Signalmasse bei nicht gewählten Eingängen wegschaltet.
Konsequent wäre, beim eingeschalteten Gerät die Netzphasung zu erfassen und den Netzschalter in die Phaseleitung zu legen, falls er es noch nicht ist.
Bei Geräten mit mehreren Netztrafos muss man diese unter mehreren Aspekten gleichzeitig betrachten, die Netzphasung ist nur einer davon, also den jeweils anderen beidpolig abloten und den verbleibenden ausmessen und markieren, dann eindeutig gleichartig anschließen und zum Ursprugszustand klanglich vergleichen. Es könnte ja sein, dass das magnetische Streufeld die Schaltung beeinflusst und dieser Aspekt vom Hersteller entsprechend gewichtet wurde. Es gibt auch andere Kriterien, und der Schuss kann also auch mal nach hinten losgehen ...
Reagiert die Schaltung auf HF-Störungen aus dem Lichtnetz mehr, ist die Frage, was unser Messgerät für diesen Frequenzbereich anzuzeigen vermag, und ob diese Charakteristik sich analog zum Höreindruck verhält. Eine Bewertungskurve gibt es nicht, sie müsste für jedes Gerät individuell festgestellt werden, das ist fernab jeglicher Praktikabilität.
Die größte Zuverlässigkeit bezüglich Übereinstimmung von gehörter und gemessener Ausphasung hat bisher bei mir immer ein Digitalvoltmeter gebracht, aber das schließt Ausnahmen ja nicht aus. Ich habe den Pole Checker von Monitor PC als Antibeispiel genannt, welches immer falsch anzeigte, und dieser Thread zum Thema Ausphasen
http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?f=23&t=5196 zeigt auch, dass das Thema nicht so eindeutig messtechnisch erfassbar ist, wie man vereinfachend in seiner Vorstellung sich ausmalt. Ausgleichsströme zwischen den Geräten sind ein Aspekt, das Verhalten des betrachteten Gerätes allein (unter beiden möglichen Phasezuordnungen) ist auch ein Aspekt.
Letztlich ist mMn die Messtechnik ein schönes Hilfsmittel, eine schnelle Orientierung zu ermöglichen, die man sich markieren kann, um anschließend jedes Gerät in seiner anderen Netzsteckerposition zu überprüfen, ob diese im Gesamtklang tatsächlich zu einer Verschlechterung führt, oder doch unerwarteterweise eine Verbesserung bringt.
Messtechnik basiert zumeist auf didaktisch reduziertem Modelldenken der Lehre, Hören auf einem eher gesamtheitlichen Eindruck. Das kann ein großer Unterschied sein, das sollte man nicht vergessen.
Grüße Hans-Martin