dietert hat geschrieben:Außerdem würde mich interessieren, wie so eine Statistik von Kurvenschrieben, wie sie Hans-Martin gepostet hat, von ein und demselben Mikrofon aussehen würde, d.h. wenn man im Abstand von 2 Wochen immer wieder Kalibrationen für dasselbe Mikrofon macht. So könnte man eine Idee kriegen, wie die Messgenauigkeit eines kalibrierten Elektretmikrofons ist. Es klang ja schon an, dass manche Kalibrationskurven eigenartig aussehen, z.B. mit Buckeln bei 1 KHz, was eigentlich gar nicht sein kann.
Hallo
Ich habe vor einigen Jahren alle meine Mikrofone einem Kalibriervorgang unterzogen, als erstes einen Lautsprecher auf linearen FG vorausentzerrt, dann millimetergenau verschiedene Mikrofone am selben Ort eingespannt und gemessen, diese Werte in eine Excel-Tabelle eingepflegt und verglichen. Ich habe das mit 2 TacT Raumkorrektursystemen durchgeführt, das ältere hatte ich noch, das neuere auch schon im Einsatz, und 2 Mikrofone gleichen Typs.
Es kam die Frage auf, ob der Messpegel einen Einfluss hat, misst man lauter, ist der Umgebungslärm geringer. Misst man mehrfach, mitteln sich Fehler heraus. Ich habe den Lautsprecher 6dB leiser gestellt und die Zahlen (dank Ulis damals geschriebener Software) als Kolumnen in Excel eingepflegt. Ein Zusammenhang war klar erkennbar: die Pegeldifferenz setzte sich bei allen Werten gleichartig durch. Von Freitag auf Montag änderte das Mikrofon sich nicht, eine Mittelwertbildung über 10 Messvorgänge brachte keinen Vorteil. Ich habe mit dem Setup 1 Vierteljahr später noch ein Mikrofon nachträglich in den Vergleich nehmen wollen, die Vergleichsmessung zeigte bei dem MB-Referenzmikrofon (heute Haun) keinen Unterschied.
Weitere Erkenntnisse:
Der Lautsprecher ist ein schwieriges Thema. Die Entzerrung mag technisch überzeugen, aber wo untere / obere Grenzfrequenz, Massenträgheit oder Partialschwingungen regieren, verliert die Kalibrierung an Glaubwürdigkeit. Das galt bei der Box sowohl im Bass unterhalb f-3 wie auch im oberen Hochtonbereich. Versucht man rein rechnerisch diese Bereiche zu korrigieren, kommen eher weniger vertrauenserweckende Werte heraus. Ich fand die Methode naheliegend, ein Referenzmikrofon mit gradlinigem Kalibrierschrieb zugrunde zu legen, danach den LS zu linearisieren und alle Mikrofone auf deren Abweichung zu prüfen.
Als Konsequenz daraus habe ich für mich folgende Lösung gefunden:
Ich habe 50 Kalibrierdateien von mitgelieferten Mikrofonen gleichen Typs gesammelt (User per Forum gebeten, mir ihre Kalibriedatei zu mailen) und per Excel Mittelwerte errechnet und geglättet. Daraus und aus dem Wissen um die individuelle Resonanzerhöhung bei 16kHz habe ich mir eine eigene Kalibrierung gebastelt, die bessere Ergebnisse brachte als die herstellerseits gelieferte. Mittels Software, die wiederum Uli damals geschrieben hatte, konnte ich die Kurven zu den Kalibrierungen grafisch darstellen und fand, dass es Gruppen gab, die sich anhand der Seriennummern als Zusammenhang erkennen ließen, bei gleichen Anomalien, wohl am selben Tag in derselben Kalibrierkiste durchgezogen. Dann wurde die Kiste offenbar in verschiedenen Räumen an unterschiedlichen Orten eingesetzt. Auch lagen mir vom selben Mikrofon unterschiedliche Kurven vor, voherige Kalibrierung und spätere Kalibrierung für andere Firmware/ Software bzw aufgrund gemeldeter Zweifel neukalibriert.
Solche Kalibrierfehler sind möglich, nachgewiesen, bedenklich. Mir liegen 3 Kurven von bei B&K kalibrierten Mikrofonen gleichen Typs vor, und aus dem identischen Verhalten von 50Hz-3kHz, 3-7kHz und dem individuellen Buckel bei 16kHz, dem individuellen aber nur sehr gering verschiedenen Verhalten zwischen 50 und 30Hz, bestärkte es mich in meiner Methode.
Nun kann man über die Bedeutung von 3dB Variation bei 16kHz sinnieren. Aus Jux habe ich die Kalibrierkurve umgedreht und gelauscht. Da war im Korrekturergebnis auf einmal ein Pegelanstieg von 12dB, der Raum ging wahnsinnig auf, aber eine gewisse Lästigkeit kam auch mit der Musik. Interessant, sowas mal erlebt zu haben.
Den Bassfrequenzgang gerade zu ziehen, auch noch ein Thema. Ich bin da nach 15 Jahren immer noch nicht reif für... also beschneide ich den FG bei der fundamentalen Raumresonanz per Hochpassverhalten und fülle den Bass zwischen 50-120 Hz etwas auf, durchaus um gute 3dB. Und bei hohen Frequenzen, deren Wellenlängen kürzer sind als der Ohrabstand, folgt meine Zielkurve der Messung, da verzichte ich zunächst mal auf Korrketur. Wenn ein Lautsprecher in der Messung bei mir dasselbe Verhalten grafisch zeigt, wie der Messschrieb einer anderen Veröffentlichung, kann ich korrigierend eingreifen und glätten. Das bedeutet, ich vertraue im Wesentlichen auf den zu erwartenden glatten Verlauf des Messmikrofons im Bereich zwischen 40Hz und 3kHz.
Das Rundumverhalten des Mikrofons ist nur selten bekannt, Kugel gilt nur bis 1khz, darüber wird es leicht keulenförmig. Gedacht für Freifeldmessungen setzen wir das Mikro ungehemmt im Diffusfeld unseres Hörraums ein - eine klare Zweckentfremdung aus Herstellersicht.
Im WWW gibt es eine Selbstbauanleitung für Panasonic WM-60/61A. Da wird auf die Abhängigkeit von der Batteriespannung hingewiesen. Ein 9V-Block frisch oder teilentladen wird unterschiedliche Absolutpegel beim Mikrofon liefern. Das ist für Schallpegelmesser wichtig, aber wenn wir eine Messung machen, dann stellen wir einen erträglichen LS-Pegel ein und richten das Augenmerk auf die Frequenzkurve. der Absolutpegel spielt praktisch keine Rolle.
Kirchners ATB zeigt in Echtzeit die Veränderungen, wenn man das Mikrofon um seine Kapsel schwenkt und den Winkel zum LS ändert. Das mag einen Beitrag auf der Lernkurve liefen ...
Eine weitere Beobachtung ist der ähnliche FG beider Lautsprecher, wenn man weiter entfernt vom LS, eher im Diffusfeld misst. Sollte es sein, dass verschiedene Lautsprecher in der Entfernung identische Eigenschaften im Hochtonbereich bekommen?
Kürzlich hatte ich ein kurioses Erlebnis, nach einer längeren Fahrt mit vielen Aufenthalten und Autotürzugeballere versagten alle mitgenommenen Messmikrofone. 3 Wochen später zuhause war alles in bester Ordnung. Die Kugelmikrofone sollen eigentlich dicht sein, aber große Druckänderungen können kurzfristige Funktionsstörung bewirken, das hat deie Automobilindustrie bei Freisprecheinrichtungen auch schon festgestellt.
Deshalb denke ich, man muss sich mit der Materie sehr intensiv beschäftigen, um wirklich zu wissen, was man da misst, und ob die Bedingungen zielführend sind. Die Verantwortung beim Hersteller (Kalibrierkurve) abgeben, mag verlockend sein, ist mMn keine gute Option.
Grüße Hans-Martin