Hallo Stephan
Nachdem du hier ein Statement abgegeben hast, was du nicht hören kannst und was du dir nicht vorstellen kannst, fällt mir ein, dass wir schließlich alle mit unserem Denken über diese Dinge auf Modellvorstellungen aufbauen, die idR vereinfacht sind und meist auch bleiben.
In der Analogtechnik war negative Gegenkopplung solange anerkannt gut, bis Matti Otala den Begriff TransientenIntermodulationsVerzerrungen (TIM) prägte, und man fortan Gegenkopplung differenzierter betrachtete. Ein einfacher Hörvergleich bei einem Röhrenverstärker mit einstellbarer Überallesgegenkopplung hat mir einmal die Ohren geöffnet, seitdem höre ich auch gern Mittelhochton gegenkopplungsfrei (Bass kann ein anderes Thema sein). Aber auch vor Otala gab es Befürworter der Überallesgegenkopplungsfreiheit.
Robert Harley hat bei stereophile.com
Jitter bei Laufwerken und Kabeln gemessen, weil er glaubte, daraus Klangzusammenhänge herleiten zu können. Der Versuch scheiterte insofern, als das eigentlich gesteckte Ziel nicht erreicht wurde, aber durch Zufall fand er an unterschiedlichen Tagen beim selben Kabel unterschiedliche Jitterwerte. Es war keine feminine Eigenart, sondern ein sachlicher Einfluss durch Laufrichtung,
wie sich herausstellte. Das war gemessen! Über die Laufrichtungseinflüsse bei Kabeln wurde häufig kontrovers diskutiert, wer den Unterschied nicht hört, darf sich weiterhin glücklich schätzen. Wenn ich ihn höre, wähle ich die bessere Option, kostet ja nichts, es richtig zu legen.
Der Einfluss von Füßen auf die Vibrationsstuktur von Geräten ist ebenfalls messbar. Füße sollen Körperschallübertragung vermeiden. Weichere Feder bei gleicher Masse bedeutet niedrigere Resonanzfrequenz, Quarze sind für ihre mechanische Schwingung auf definierter Frequenz bekannt, sie werden fein geschnitten und geschliffen, um die gewünschte Frequenz zu erreichen, externe Vibrationen erzeugen Modulationsprodukte, die sich schließlich als Seitenspektren im Klang niederschlagen. Niedrige Modulationsfrequenz bedeutet mehr Nähe zum modulierten Ton, bis das Seitenspektrum des Tons davon nicht mehr sichtbar/hörbar beeinflusst wird.
Dasselbe gilt für Schwankungen auf der Versorgungsspannung. Konstantstromquellen und gute Netzfilterung, sowie mechanische Entkopplung sind bewährte Maßnahmen, die in audiophilen Kreisen bekannt sind, von Ohrgesteuerten eingesetzt, irgendwann von Messtechnik eingekreist und bestätigt.
In den vielen kontroversen Diskussionen habe ich oft festgestellt, dass aus der Fraktion der Messtechnik-Gläubigen erst Zweifel an der Beweisbarkeit des diskutierten Effekts kamen, sobald der Nachweis aber vorlag, Zweifel an dessen Hörbarkeit geäußert wurden.
Die gehörmäßige Wahrnehmung hatte aber ursprünglich den Stein ins Rollen gebracht, wurde erst als Einbildung abgestempelt, bis schließlich auf Gegenargumentation Plan B umgeschaltet werden musste (ja, aber, ob man das wirklich hören...)
Welch wunderbare Fortschritte könnten wir erreichen, wenn die Messtechniker besser hören und die Goldohren besser messen könnten...
Grüße Hans-Martin